Andacht zu Beginn der Herbst-Tagung
der Bezirkssynode im Kirchenbezirk Freiburg
am Samstag, den 19. November 1999
in der Zachäusgemeinde in Freiburg-Landwasser
20.11.1999
Kein Zweifel, liebe Mitsynodale, der Sonntag ist in! - nicht nur heute als wichtiges Themaunserer Tagung der Bezirkssynode. Der Sonntag ist in auch bei den vielen Hallenbad- undSaunabesuchern am Sonntagmorgen, die das erholsame Nass dort der liturgisch vollzogenenTauferneuerung im Gottesdienst vorziehen. Oder bei denen, die eine Matineé mitanschließenden wohlmundenden Häppchen mit Sekt oder ein richtiges Brunch noch lieberfeiern als einen Gottesdienst mit Abendmahl.
Der Sonntag ist in auch bei den Firmen, die ihre hochtechnisierten Maschinen nicht mehrabstellen oder ihre teuer eingerichteten Arbeitsplätze nicht leerstehen lassen möchten,um Verluste zu vermeiden. Der Sonntag ist in auch bei den Sportvereinen, die ohne diesenlukrativen Termin Mühe hätten, alle ihre Sportveranstaltungen durchzuführen.
Der Sonntag ist in auch bei den Geschäften, die mit "verkaufsoffenen Sonntagen" aufihre Angebote aufmerksam machen und ihren Anteil am Kaufkraftkuchen herausschneidenwollen.wollen. Der Sonntag ist in auch bei den Bäckern, die ihre frischen Brötchensonntagmorgens doch zu 90% an getaufte Christen verkaufen.
Nicht zuletzt ist der Sonntag in auch bei den Kirchen, die irgendwie hilflos einerEntwicklung im politischen Raum und in den Köpfen vieler Menschen gegenüberstehen.Dabei sind es doch wieder zu einem großen Teil Kirchenmitglieder, die irgendwieverstrickt sind in die Machenschaften der Totengräber des Sonntags.
Seit dem Jahr 321 gehört der Schutz des Sonntags zum unantastbaren Schatz dessogenannten christlichen Abendlandes. Als Tag der "Arbeitsruhe" und der "seelischenErhebung" ist er grundsätzlich bis in die Gegenwart gesetzlich geschützt. Doch gleichtdieser Schutz, vielen gegenteiligen Äußerungen zum Trotz, heute vielfach einemSchweizer Käse, in den die neue Schamlosigkeit inzwischen schon so viele Löchergefressen hat, dass vom Käse selber immer weniger übrig bleibt.
Die Ursache dieser Entwicklung liegt beileibe nicht einseitig bei den Politikern.Gernot Erler hat uns am vergangenen Donnerstag im Freiburger Stadtkonvent im Blickauf aktuelle Befürchtungen ausdrücklich Entwarnung gegeben. Gesetze, meine ich,formulieren am Ende auch nur den Rahmen für einen Trend. Und es ist eben dieserTrend, bei dem wir darauf achten müssen, dass er am Ende eben immer weiter wegführtvon der Anerkennung des Wertes, den ein gemeinsamer Sonntag darstellt.
Vorschnelle Scheltworte an andere helfen da nicht viel weiter. Schließlich sind wiralle an der Verehrung der Götter "Geld" und Konsum" beteiligt und genießen dieAnnehmlichkeiten eines Wirtschaftssystems, das für den Sonntag wohl immer wenigerBedarf hat.
Auf der anderen Seite besteht durchaus Grund zur Sorge. Eine Gesellschaft, dernichts mehr heilig ist, verarmt, wie reich sie sich sonst auch vorkommen mag.Und es besteht auch kein Anlass, dieser Entwicklung tatenlos zuzusehen. Derverschlafene Verrat des Buß- und Bettages hat uns hoffentlich gerade noch rechtzeitigaufgeweckt.
Ein "heiliger" Tag pro Woche ist schließlich kein Privileg des Christentums, sondernein Geschenk an die Menschheit überhaupt. Wer sechs Tage in der Woche ausatmet, mussirgendwie auch wieder einmal den Atem des Lebens in sich einatmend aufnehmen, wenn eroder sie am Ende nicht ersticken will.
Doch unsere immer komplizierter werdenden Lebensverhältnisse lassen die Feier einesgemeinsamen Tages immer weniger zu. Der Freizeitrhythmus wird immer individueller.Unserer Welt ist die Gleichzeitigkeit des Lebens verloren gegangen. Und wir tun unsals Kirche schwer, angemessen darauf zu reagieren. Veränderte und regionalunterschiedliche Zeiten für den Gottesdienstbeginn könnten dabei eine Möglichkeitsein. Wochengottesdienste eine andere.
Die Begleitung und Förderung der notwendigen Veränderungen ist uns dabei allenals Aufgabe gestellt: Hauptamtlichen ebenso wie Ehrenamtlichen, Synodalen und Ältestenin den Gemeinden ebenso wie der Kirchenleitung in Karlsruhe.
Nötig ist im Moment vor allem dies: Wir müssen den Sonntag in Erinnerung haltenund - wo nötig - wieder in Erinnerung rufen. Dies tun wir als Kirche nicht zuletzt,ja vor allem durch unsere Gottesdienste. Zugleich müssen wir immer wieder auf diemenschenfreundliche Bedeutung des Sonntags hinweisen - zuallererst an unsere eigenenGemeindeglieder gerichtet.
Gesetze können den Sonntag bestenfalls davor schützen, zum allgemeinen Arbeits- undRummeltag zu werden. Wenn der Sonntag mehr sein soll - und eben dazu wollen wir unsnachher mit unserer Stellungnahme bekennen - dann ist weniger der Staat, sondernunsere eigene Phantasie und unsere im christlichen Glauben wurzelnde Überzeugunggefragt. "Gedenke des Sabbat-tages, dass du ihn heilig hältst!" Bei der Erfüllungdieses Gebotes in seiner christlichen Umdeutung auf den Auferstehungsmorgen, denSonntag, stehen wir bestenfalls am Anfang.