Die Kirche nach der Erklärung des Vatikan: Bin ich nun drin oder nicht oder was? - Dominus Iesus und die Folgen

22.06.2001

Nun haben wir‚s schwarz auf weiß, was wir Protestanten ohnedies schon wussten: Wir sind keine Kirche "im eigentlichen Sinn", keine "Schwesterkirche" und keine, von der man gemeinsam mit der römisch-katholischen als von "unseren beiden Kirchen" sprechen darf.

Ökumene am Ende - nein, eher wieder um einiges näher am Anfang. Dabei ist vieles in diesem Dokument lesens- und beherzigenswert, was da über Jesus Christus und die Kirche festgehalten wird. Dann aber wird diese Kirche Jesu Christi einfach mit der römisch-katholischen in eins gesetzt, den Orthodoxen noch etwas Luft zum Atmen gelassen und allen anderen - auch den Protestanten, d.h. den evangelischen Kirchen das Kirche sein einfach abgesprochen. So einfach ist das.

Warum dies alles und warum gerade jetzt, so kurz nach der Seligsprechung des Papstes der Unfehlbarkeit? Römische Lehre ist dies alles schon lange - und von außen nicht appelativ aus der Welt zu schaffen. Aber zu viele haben das für eine Lehre im Status der Überwindung, zumindest der Umgestaltung gehalten. Klar ist: Das Haupt-Ziel dieses Dokumentes aus dem Vatikan ist es, den allzu ökumenisch Gesonnenen in den eigenen Reihen - die es gottseidank in großer Zahl gibt! - Einhalt zu gebieten und von neuem die rechte Richtung zu weisen. Klar ist aber auch, dass ein solches Dokument, das ja als ein öffentliches auch von der homepage der Deutschen Bischofskonferenz heruntergeladen werden kann, zugleich auch nach außen - und für die ökumenischen Kontakte sehr wohl zersetzend! - wirken kann. Einfach niedriger hängen reicht da nicht aus.

Also müssen wir uns daran erinnern lassen: Ökumene ist ein Basisgewächs. Es wuchert in vielen Herzen und zwischen vielen Gemeinden und Gruppen vor Ort und entzieht sich längst allzu reglementierender Praxis von Gärtnern, die andere außen vor halten wollen. Was Kirche Jesu Christi wirklich sei, definieren wir Evangelische in der erreichten theologischen Kompetenz, in theologischer Weite und zugleich Klarheit, zugleich aber auch in ökumenischer Sensibilität selber. Wir sind als Gemeinschaft der durch die Heilstat Jesu Christi gerechtfertigte Sünder/innen Kirche Jesu Christi - mit anderen und ohne dies anderen absprechen zu wollen.

Keine Frostperiode hat ewig gedauert - und sie weckt die Sehnsucht nach der Sonne. Machen wir also ökumenisch besonnen miteinander weiter und leben wir selbstbewusst und demütig unser (gemeinsames) Kirche sein. Dieses Jahrtausend ist das Jahrtausend ungeahnter und noch unausgeloteter ökumenischen Gemeinsamkeiten. Relikte aus kälteren Perioden werden wir - da bin ich sicher - schmelzen sehen. Insofern lässt das neueste Dokument aus Rom frösteln. Mit - vorübergehend - etwas wärmerer Kleidung und der nötigen Geduld wird der Verbundenheit nicht nur der beiden, sondern der großen Zahl der "Schwesterkirchen" die Zukunft gehören.

Im übrigen: Es schadet auch uns Evangelischen nichts und es ist gut reformatorisch, wenn wir wieder einmal etwas intensiver darüber nachdenken, was denn Kirche wirklich ist.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.