Einführung von Christine Egenlauf
als Projekt-Gemeindediakonin
in der evang. Kirche in Bickensohl
am Sonntag, den 13. Oktober 2002

13.10.2002
Kein Zweifel, liebe Frau Egenlauf, ihre heutige Einführung setzt ein Zeichen. Und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum einen: Ihre Einführung ist ein Zeichen, dass kirchliche Arbeit weitergeht. Auch unter erschwerten Bedingungen in Zeiten leerer werdender öffentlicher und auch kirchlicher Kassen. Und sie zeigt auch, wie es weitergehen kann. Nämlich dadurch, dass engagierte Gemeindeglieder Initiative entwickeln. Einen Verein gründen. Um Spenden und Mitgliedsbeiträge werben. Und am Ende das anfangs schier Unmögliche möglich werden lassen. Dass sie jetzt hier ihren Dienst aufgenommen haben- es ist ein unübersehbares Hoffnungszeichen.

Ihre Einführung setzt ein Zeichen aber auch in einem zweiten Sinn. Sie machen als Person und mit dem, was sie hier tun, Werbung für ihre Berufsgruppe. Werbung für Religionspädagogen und Religionspädagoginnen - in ihrem Fall mit dem konkreten Dienstauftrag einer Gemeindediakonin. Das ist unendlich wichtig. Sie bringen Fähigkeiten und Kompetenzen mit, die sie sich in ihrem Studium erworben haben. Und sie ein großer Gewinn sind für die Arbeit in einer Kirchengemeinde. Mit ihrer Arbeit hier sind sie Werbeträgerin für diesen besonderen und schönen kirchlichen Beruf und seine Ausbildungsstätte in der evangelischen Fachhochschule in Freiburg. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag.

Ihre Einführung setzt aber auch Zeichen auf einem weiteren - dritten - Feld. Auf dem Feld dessen nämlich, dass ich als Fürsorge Gottes für die Welt und für die Kirche beschreiben möchte. Ihre Einführung ist ein Beleg dafür, dass Gott selber gestaltend am Werke ist. Und dafür immer wieder Menschen in besonderer Weise befähigt und beauftragt. Und dies in ganz verschiedenen Berufen. Und eben auch in dem der Gemeindediakonin.

Der Wochenspruch für diesen Woche ist dabei sehr schön das Programm zu entnehmen, dessen Umsetzung uns aufgetragen ist. Dieser Spruch steht beim Propheten Micha im sechsten Kapitel im achten Vers. Er lautet:

Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir haben will: Nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist.“ Dies ist heute gar nicht mehr so selbstverständlich. In der sogenannten postmodernen Gesellschaft, in der wir leben, auch gar nicht mehr gefragt. Eigentlich ist alles erlaubt. Was gut ist, ist bestenfalls eine sehr persönliche Einschätzung. Die Werte scheinen individuell und nicht mehr verallgemeinerbar. Jeder und jede muss für sich selbst entscheiden, was ihm oder ihr gut tut. Damit sind wir Menschen oft hoffnungslos überfordert. Bis dahin, dass diese Überforderung Menschen sogar krank machen kann.

„Alles ist euch erlaubt.“ Das hat auch schon Paulus nach Korinth geschrieben. Aber der Satz hat bei Paulus dann auch gleich eine bemerkenswerte Fortsetzung: „Alles ist euch erlaubt. Aber nicht alles ist heilsam. Nicht alles tut euch gut.“

Was uns gut tut, das können wir eben aus der kleinen Aufzählung bei Micha lernen. Zunächst: Gut tut uns, Gottes Wort zu halten. Das hört sich in der Sprache Martin Luthers sehr autoritär an. Gemeint ist die Aufforderung, nach Gott zu fragen. Aus seinen Lebensworten Kraft zu schöpfen. Weiterzusagen, was uns beflügelt. Welche Hoffnungen uns tragen. Wovon wir selber leben.

Gut tut uns nach Micha weiter, wenn wir Liebe üben. Auch dies hört sich zunächst sehr formalistisch an. Liebe üben. Das sind keine Worte, die wir verwenden. Einfacher wäre es doch zu sagen: Gut tut uns zu lieben. Und natürlich auch: geliebt zu werden. Aber vielleicht ist das mit dem Liebe üben gar nicht so falsch. Denn schließlich fällt uns das j auch nicht immer gerade leicht. „Es ist nichts besonderes, die zu lieben, die einem ohnedies nahe stehen“, sagt Jesus einmal im Johannes-Evangelium. Das muss man auch nicht üben.

Üben müssen wir aber sehr wohl, das, was Jesus meint, wenn er von Nächstenliebe spricht, ins Leben zu übersetzen. Gemeint ist da nicht irgend eine romantische Liebe. Gemeint ist damit den anderen ihre Würde zu lassen. Auch wenn sie anders sind als wir. Unsere fertigen Bilder aufbrechen. Und denen, die uns fremd geworden sind, wieder eine Chance zu geben. Nächstenliebe das heißt auch: Jede Spirale des Hasses und der Feindschaft aufzubrechen versuchen.

Im Blick auf den Irakkonflikt kann man das zur Zeit schön beobachten. Es ist natürlich viel einfacher, mit der eigenen Macht zu drohen. Aber als Menschen, die nach Gott fragen, kommen wir von der Verpflichtung zur Feindesliebe nicht so einfach los. Und das hat dann Konsequenzen bis hinein in die Politik.

Bleibt das dritte, was uns Menschen gut tut. Und hier macht die Formulierung dann gleich die größten Schwierigkeiten. Es tut euch gut, demütig zu sein vor eurem Gott. Niemand will heute mehr gern demütig sein. Im Gegenteil. Manchmal habe ich den Eindruck, die Welt habe so viele Mittelpunkte wie Menschen auf ihr leben. Alle wollen selber entscheiden. Und dazu haben wir Menschen eigentlich auch da Recht. Demütig sein vor Gott heißt aber keineswegs Entmündigung. Demütig sein vor Gott - das bedarf daher der besonders sorgfältigen Übersetzung. Gemeint ist: Die Grenze zwischen Schöpfer und Geschöpf respektieren. Nicht alles selber in die Hand nehmen wollen. Schon gar nicht glauben, alles selber richten zu müssen.

Das Wesentliche im Leben erfahren wir als Geschenk. Und es ist befreiend, wenn uns ein anderer oder eine andere zuspricht: Du bist mir wichtig. Demütig sein vor Gott heißt darum auch: Dem Leben vertrauen. Und denen, die es gut mit uns meinen. Gott ist der Grund, der uns trägt. Und der Himmel, der uns offen steht. Als Despot, dem wir uns unterwerfen müssten, ist Gott gänzlich missverstanden.

Von all dem sollen sie reden, liebe Frau Egenlauf. Von dem, was den Menschen gut tut. Von Gott, der uns das Leben zuspricht. Der Liebe wieder zu einer Lebensmöglichkeit macht. Von Gott, der uns Gelingen schenkt auch in den kleinen Zeichen. Und ohne dass wir unseren Wert im eigenen Erfolg erst erarbeiten müssten.

Von Herzen wünsche ich Ihnen, dass ihnen solche Lebensworte geschenkt sind. Von anderen, die es gut mit ihnen meinen. Und für andere, denen sie gut tun können mit dem, was ihnen hier in Bickensohl aufgetragen ist. Amen.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.