Grusswort im Gottesdienst
mit Pfarrer Nyoman Suanada
am Sonntag, den 17. November 2002
in der Christuskirche in Freiburg

17.11.2002
Liebe Gemeinde!

In diesem Gottesdienst – sie wissen es längst - ist bei uns Pfarrer Nyoman Suanda zu Gast. Pfarrer Suanda kommt aus der protestantischen Kirche in Bali. Er ist der Stellvertreter des Bischofs seiner Kirche. Sein Besuch gilt nicht nur ihrer Gemeinde, der Christusgemeinde, sondern auch dem Evangelischen Kirchenbezirk Freiburg. Darum möchte ich Sie, lieber Herr Suanda, ganz herzlich begrüßen und willkommen heißen – in der Christusgemeinde. In der schönen Stadt Freiburg. Und in unserem Kirchenbezirk. Ich freue mich, dass sie als einziges Mitglied ihrer Gruppe aus Bali im Anschluss an die Missionssynode nicht gleich zurück nach Hause geflogen sind, sondern den Weg hierher zu uns nach Freiburg gefunden haben.

Sie haben schon eine ganze Reihe von Begegnungen hinter sich. Mit den Konfirmandinnen und den Konfirmanden am Mittwoch. Am Donnerstagmorgen bei mir im Dekanat. Am Donnerstagabend beim Bali-Abend des Kirchenbezirks dann wieder hier im Gemeindesaal der Christuskirche. Ein Höhepunkt für uns war Ihre Teilnahme an der Bezirkssynode am Freitagabend. Ich hoffe, sie haben gespürt, wie wichtig dieser Besuch für unsere Synodalen war. Selbst bei der sich anschließenden Beratung des Haushalts war noch zu spüren, wie die Begegnung mit ihnen unseren finanziellen Entscheidungen das rechte Maß zugewiesen und unsere Atmosphäre wohltuend geprägt hat.

Heute feiern wir nun noch gemeinsam Gottesdienst mit ihnen. Warum das für uns so wichtig ist, dazu möchte ich noch einige Worte sagen und einige Gedanken vortragen.

Auf allen Ebenen spüren wir, wie die Welt zusammenwächst. Über alle Kontinente, Kulturen – selbst auch über die verschiedenen Religionen hinweg hat sich das Gefühl der weltweiten Vernetzung verbreitet. Manche sprechen vom globalen Dorf. Was heute hier geschieht, hat morgen schon Auswirkungen auf die Menschen an einem ganz anderen Ende dieser Erde. Und umgekehrt.

Die Wirtschaft hat die Chance des weltweiten Agierens längst für sich genutzt. Die Strategien und die weltweite Verbreitung der multinationalen Konzerne erfüllen uns nicht selten mit Argwohn. Sie sind kaum mehr zu kontrollieren. Und sie sammeln immer mehr Macht an. Nicht wenige Auswirkungen der Globalisierung machen uns Angst. Wer hätte noch von wenigen Jahrzehnten gedacht, dass die weltweite Vernetzung durch die Wirtschaft – unterstützt durch die rasant gestiegenen Möglichkeiten der modernen Kommunikation - so schnell und zurecht zum Gegenstand unseres Misstrauens werden könnte. Die sogenannten Globalisierungsgegner sind Teil eines weltweiten Prozesses, der dieser Vernetzung den Rahmen des für uns Menschen Verträglichen geben möchte.

Die Kirchen haben auf’s ganze gesehen die größte und zugleich die längste Erfahrung auf dem Feld der weltweiten Verbindung und Verbündung. Wenn wir von Ökumene sprechen, reicht es nicht aus, nur die katholische Schwestergemeinde im Blick zu haben. Ökumene meint – schon von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes her – die ganze bewohnte Erde. Wenn Kaiser Augustus im Weihnachtsevangelium aus Lukas 2 anordnet, dass die ganze Welt zu schätzen sei, dann steht dort schon das Wort Ökumene – oikumenny gä – die ganze bewohnte Erde. Kirche sein kann man gar nicht unter Absehung der Verbindung mit den anderen Kirchen weltweit. Das Bekenntnis zur Ökumene ist für die Kirchen gleichsam konstitutiv. Ohne ökumenische Anbindung entwickelt man sich zur Sekte.

Kirchliche Partnerschaften unterscheiden sich ganz wesentlich von den Globalisierungsbestrebungen der weltweit agierenden Konzerne. Ihr Ziel ist nicht der freie Zugang zu den Märkten und der ungehinderte Fluss der Waren. Ökumene – weltweite Ökumene – dient der Wahrung der Würde und des Wertes der Menschen und der Schöpfung. Sie will das Gefühl der Zusammengehörigkeit und Vernetzung aller stärken. Ihre Botschaft ist die von der Menschenfreundlichkeit Gottes. Und nicht die von der Wahrung der Interessen einzelner.

Trotz ihrer ökumenischen Verpflichtung und ihrer weltweit ausgerichteten Perspektive sind die evangelischen oder protestantischen Kirchen strukturell oder organisatorisch keine Weltkirchen wie etwa die römisch-katholische Kirche. Unser Bischof sitzt in Karlsruhe. Wir müssen nicht nach Rom, obwohl eine Fahrt dorthin auch uns Evangelischen schadet. Trotzdem sind die evangelischen Kirchen keine Provinzkirchen. Jede ist auf ihre Weise auch Teil der weltweiten Kirche Jesu Christi. Beispielhaft anschaulich wird diese Überzeugung an bewusst gepflegten und gestalteten Partnerschaften.

Für unseren Kirchenbezirk Freiburg ist es ein Geschenk, ausgerechnet mit den Christinnen und Christen in Bali verschwistert zu sein. Wir können unendlich viel von ihnen lernen. Nur weniges will ich nennen:


  • Kirchliches Leben unter den Bedingungen einer Minderheit.
  • Bewusst gestaltetet Dialog mit Menschen, die einer anderen Religion angehören.
  • Entwicklung einer zeitgemäßen Theologie im Dialog mit den prägenden Strömungen und Kräften des kulturellen Umfeldes.
  • Gestaltung einer zukunftsfähigen Kirche unter schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen.


  • Und auch für die Menschen in Bali ist es gewiss wichtig, wenn sie spüren, dass an einem ganz anderen Punkt der Erde Menschen ihren Glauben teilen. An sie denken und für sie beten. Darum haben wir auch wenige Tage nach dem schweren Attentat auf ihrer schönen Insel hier in dieser Kirche einen Gottesdienst gefeiert. Herr Pfarrer Kammerer ist unermüdlicher Anwalt und Förderer der Verbindung zwischen Freiburg und Bali. Dafür möchte ich ihnen, lieber Herr Kammerer, an dieser Stelle ausdrücklich Danke sagen.

    Ihnen, lieber Herr Suanda, sagen wir zu: Wir verlieren Bali nicht aus den Augen. Auch nicht aus den Herzen und aus unseren Gebeten. Weil die Angst nach dem Terroranschlag so viele Verbindungen nach Bali gekappt hat, wollen wir unsere Verbindungen stärken. Und wir wollen uns stärken lassen, von dem, was wir jetzt gleich von ihnen in den Worten der Predigt hören werden. Möge Gott sie und uns auf diesem Weg schützen und begleiten.
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.