Ansprache anlässlich der Verabschiedung
von Pfarrerin Christa Wolf
am Sonntag, den 20. Juli 2003 (5. S.n.Tr.)
in der katholischen Kirche in Stegen

20.07.2003
Liebe Christa,

Eine Wassergeschichte war heute der Predigttext. Und um das Kirchenschiff, das durch das Meer der Zeit fährt, ging’s auch bei dem Lied, das wir eben gesungen haben. Bei den hochsommerlichen Temperaturen der letzten Wochen tun Wasser-Geschichten besonders gut. Und vielleicht kann die Vorstellung vom kühlenden Nass auch die Emotionen etwas herunterkühlen. Schließlich ist dieser Gottesdienst der Abschiedsgottesdienst von deiner Gemeinde hier in Stegen.

Aber nicht nur das: Du verabschiedest dich – zumindest vorübergehend - auch aus dem größeren Zusammenhang deiner badischen Landeskirche. Deine Zelte schlägst du für die nächsten Jahre erst einmal in Catania auf Sizilien auf. Aber auch dorthin kommst du nicht, ohne über’s Wasser zu gehen. Insofern passt dieses Thema auch gut für das, was du vorhast.

Aber ehe wir den Blick nach vorne richten, bleiben wir erst noch einmal in der Gegenwart. Deine Gemeinde hier war trotz der Nähe zur Dreisam im eigentlichen Sinn keine Wassergemeinde. Eher eine Schwarzwaldgemeinde. Schließlich liegen die Grenzen doch deutlich weg von hier und schließen auch Buchenbach, St. Peter und St. Märgen mit ein.

Ein Abschied ist immer Anlass Bilanz zu ziehen. Das wird auch für dich nicht anders sein. Ohne deine Bilanz vorweg zu nehmen: Ich bin sicher: Es waren auf’s ganze gesehen wertvolle und gute Jahre hier in der Versöhnungsgemeinde. Für dich selber. Aber doch auch für die Gemeinde. An dieser Gesamtbilanz werden auch die letzten eineinhalb Jahre, die für dich von den Folgen deiner Verletzung bestimmt waren, nicht wirklich Entscheidendes geändert haben. Ja, vielleicht haben beide – die Gemeinde und du selber – in dieser Zeit erkannt, was ihr aneinander gehabt habt.

In die Ferne und in andere Aufgaben hat es dich auch während dieser Zeit hier immer wieder gezogen. So etwa im Rahmen deines Sabbatjahres auch nach Indien. Fast schon ein Wunder, dass du dich jetzt erst einmal mit Sizilien zufrieden gibst.

Wir werden nachher sicher noch hören, welche Themen und Aufgaben dir hier besonders wichtig waren. Und wofür dir hier viele dankbar sind. Auch in der Predigt klang davon schon einiges an. Zwei Stichworte möchte ich auch an dieser Stelle aber ausdrücklich nennen – ohne dass anderes deswegen zurückgesetzt werden soll. Aber die beiden Stichworte stehen für Aufgabenfelder und Themen, die für die Zukunft der Kirche insgesamt von besonderer Bedeutung sind. Und allemal viel wichtiger als die Finanz- und Strukturdiskussionen der Gegenwart.

Das eine Stichwort ist das der Ökumene. Wer als Pfarrerin in Stegen arbeitet, kommt gar nicht darum herum, Ökumene zu leben und zu gestalten. Und dass wir deinen Abschied hier in der katholischen Kirche feiern, ist ein Beleg dafür, dass hier vieles möglich und vieles selbstverständlich ist, worauf man anderswo noch lange wartet. Dass viele hier sicherlich noch von viel mehr träumen, tut dieser Aussage keinen Abbruch. Es macht eher Mut für die ökumenische Zukunft. Ohne dass wir ökumenisch nach vorne geschubst und gedrängt werden, kommen wir hier nicht weiter.

Dir war es aber immer ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, dass Ökumene nicht nur vor Ort geschieht. Ökumene hat die weltweite Verbindung der Menschen im Blick hat. Und es ist dieses Verständnis von Ökumene, das sich letztlich auch in deinem Wechsel widerspiegelt. Dies scheint eben ein besonderes Phänomen dieser Gemeinde zu sein. Schließlich führt der Weg aus dem Pfarramt von Stegen nicht zum ersten Mal in die weltweite Ökumene.

Das zweite Stichwort, das für dich wichtig ist, ist das der Spiritualität. Heute ist dieser Ausdruck fast schon ein Modewort. Für dich war und ist es viel mehr. Formen eines verbindlichen geistlichen Lebens, geistliche Übungen und nicht zuletzt das Gebet, sind dir wichtig gewesen und sie werden es auch bleiben. Immer wieder haben sie dir auch neue Kraft und Energie gegeben. Schön, dass du deine Gemeinde daran auch hast teilhaben lassen. Und ich bin sicher, manche Saat wird noch aufgehen, wenn du schon lange nicht mehr hier bist.

Dabei gründet unsere Spiritualität auch in einem Wassergeschehen. Nämlich dem Ur-Wassergeschehen in unserer Taufe. Die Erinnerung daran, dass Gott uns aus dem Taufwasser heraus seinen Beistand und seinen Segen zugesagt hat, war sicher auch für dich immer wieder eine wichtige Vergewisserung.

In der Reihe der Predigttexte für diesen 5. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest gibt es auch einen, an den ich heute in besonderer Weise erinnern will, auch wenn es kein Wassertext ist. Es ist die Berufung Abrahams in Genesis 12, die wir vorhin auch als Lesung gehört haben. Dieser Text bildet ja gewissermaßen die Brücke zwischen deiner Einführung am 5. Sonntag nach Trinitatis vor neun Jahren und heute. Hören sie mit mir auf die ersten vier Verse dieses Textes:

Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte.

Der Text beginnt mir der großen Aufforderung Gottes an Abram: „Geh aus deinem Vaterland und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will.“

Du verstehst diese Worte heute ganz bestimmt in besonderer Weise. „Geh aus deinem Vaterland und aus deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Denn es ist schon mehr als ein Wechsel in einen Nachbarkirchenbezirk, was du vorhast. Und um so mehr ist die Fortsetzung dieses Textes wichtig, wenn es heißt es: „Ich will dich segnen. Und du sollst ein Segen sein.“

Diese Worte haben wir in leichter Abwandlung schon oft gehört in diesem Jahr. „Ihr sollt ein Segen sein!“. Das war das Motto des ersten ökumenischen Kirchentages in Berlin. Und damit gewissermaßen das biblische Jahresmotto für viele von uns.

Ich möchte dir diese Worte am Übergang von Alten und Vertrauten ins neues, unbekanntes Land ganz persönlich zusprechen. Und nicht nur das „Du sollt ein Segen sein!“. Sondern auch das „Ich will dich segnen!“ Denn das zweite geht gar nicht ohne das erste. Wer sich selber als von Gott gesegnet erlebt, kann anderen umso mehr selber zu einem Segen werden.

Nicht immer ist diese Erfahrung selbstverständlich. Längst nicht immer nehmen wir wahr, wie wir von Gott gesegnete Menschen sind. Da braucht es ganz besondere Augen, um das nicht zu übersehen. Der letzte Vers des Liedes vom Schiff, das sich Gemeinde nennt, bringt dies sehr schön zum Ausdruck.

„ Und wenn uns Einsamkeit bedroht,

wenn Angst uns überfällt:

Viel Freunde sind mit unterwegs,

auf gleichen Kurs gestellt.

Das gibt uns wieder neuen Mut,

wir sind nicht mehr allein,

so läuft das Schiff nach langer Fahrt

in Gottes Hafen ein.“


Es sind vor allem die Menschen neben uns, die uns zu Botinnen und Boten des Segens Gottes werden können. Du hast solche Menschen hier gefunden, liebe Christa. Und du bist auch für andere zu einer Botin des Segen geworden. Denn das war deine ureigenste und zentrale Aufgabe als Pfarrerin. Und es ist vor allem das Wasser, das uns zum Zeichen des Segens werden kann. Über uns kommend, uns erfrischend und belebend. Und mit der Erinnerung, dass Gott uns bewahren und eben segnen will.

Wenn du dich jetzt auf den Weg über’s Wasser – hinein in eine neue Aufgabe machst – wird diese Zusage Bestand haben. Eine Gesegnete sein. Und anderen zum Segen werden. Das hat für dich gegolten in deinen Stegener Jahren. Und der Dank dafür soll dich begleiten. Aber auch die Zuversicht und die Gewissheit, dass der Weg über’s Wasser und hinab nach Sizilien daran nichts wird ändern können. Dass du auch dort nicht allein bist auf der Fahrt mit dem Schiff, das sich Gemeinde nennt – wie wir’s eben schon gehört haben:

Viel Freunde sind mit unterwegs,

auf gleichen Kurs gestellt.


An einer anderen Stelle des Liedes heißt es:

„Nur wer das Wagnis auf sich nimmt,

erreicht das große Ziel.“


Auch das haben wir vorhin gesungen. Du gehst mit großem Gottvertrauen dieses Wagnis des Neuanfangs ein. Was sollen wir dir dazu mehr wünschen und mehr für dich erbitten als eben dies: Gottes Segen. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.