WIE KÖNNEN DREI RELIGIONEN EINES GOTTES IM FRIEDEN MITEINANDER LEBEN?
VORTRAG ANÄSSLICH DER MITGLIEDERVERSAMMLUNG
DES FÖRDERVEREINS DER PETRUSGEMEINDE
AM DIENSTAG, DEN 28. MÄRZ 2006

28.03.2006
EINLEITUNG

Wie können drei Religionen eines Gottes im Frieden miteinander leben? Zu diesem Thema will ich heute Abend zu ihnen sprechen und vor allem mit ihnen ins Gespräch kommen. Sie werden geahnt haben, dass die Themenformulierung nicht von mir stammt. Es handelt sich vielmehr um einen Vorschlag Ihres Vorsitzenden, Herrn Dr. Hein. Aber genau wegen dieser Fragestellung habe ich mich verlocken lassen, heute Abend zu ihnen zu sprechen. Denn ich weiß sehr wohl, dass die Fragen, die sich hinter diesem Thema verbergen, viele Menschen beschäftigen und nicht selten auch ängstigen. Genau deswegen bin ich ihrem Werben, lieber Herr Dr. Hein, am Ende auch erlegen.

Ich muss aber gleich ein unmissverständliches Eingeständnis an den Anfang stellen. Erwarten sie von mir keine einfache Antwort. Wenn es die gäbe, wären auch andere vor mir schon auf sie gekommen. Wäre ich aber der erste, der hier Neues und Entscheidendes vorträgt, der nächste der Friedensnobelpreis wäre mir gewiss.

So bleibt mir nur Bescheidenheit heute Abend. Und die Hoffnung, dass wir uns am Ende dann auch noch gemeinsam auf die Suche machen. Und dem Frieden vielleicht doch ein kleines Stück näher kommen. Es wäre uns und diesem Planeten Erde mit allen, die auf ihm leben, zumindest zu wünschen.

Ich selber bin kein Fachmann für Weltreligionen. Dazu hätten sie etwa Hans Küng einladen müssen. Auch kein Fachmann für internationale Friedensforschung. Auch hier gibt es viele, die dazu viel mehr dazu berufen sind. Ich will zu ihnen sprechen als einer, der einer christlichen in meinem Fall der evangelischen Kirche angehört und in ihr zusammen mit anderen Verantwortung übernimmt. Und der zugleich leidenschaftlich gern Theologe ist. Zugleich spreche ich zu ihnen aber auch als Zeitgenosse. Als einer, der wahrnimmt, was sich tut in dieser Welt. Weil ich es für unabdingbar halte, dass die aufgeschlagene Zeitung gleich neben der aufgeschlagenen Bibel liegt.


DER HORIZONT DER FRAGESTELLUNG

Wie können drei Religionen eines Gottes in Frieden miteinander leben? Mehr sagt, mehr fragt das Thema nicht. Wir alle wissen natürlich, welche drei Religionen gemeint sind. Gemeint sind die drei sogenannten monotheistischen Religionen, also das Christentum, das Judentum und der Islam. Jene drei Religionen also, die hinsichtlich ihrer Entstehung in einem Abhängigkeitsverhältnis voneinander stehen. Aus der jüdischen Mutter hat sich das Christentum herausentwickelt. In Auseinandersetzung mit beiden ist der Islam entstanden. Gemeinsames Kennzeichen ist allen dreien der Glaube an den einen Gott. Daher der Ausdruck monotheistisch, also ein-gott-gläubig.

Rein statistisch gehört immerhin mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung diesen drei monotheistischen Religionen an: 33 Prozent werden der christlichen Religion zugerechnet. 19 Prozent dem Islam. Dem Judentum gehören etwa 0,2 Prozent an. Daher kann man allein schon statistisch feststellen. Eine Größe, von der mehr als die Hälfte der Menschen, die auf dieser Erde leben, betroffen ist, ist für das Thema Weltfrieden allemal von Bedeutung.

Natürlich ist uns die Frage des Verhältnisses von Religion und Frieden nicht ohne Grund auf die Tagesordnung gesetzt. Dazu reicht schon der Blick in die tagtäglichen Nachrichten. Und nicht zuletzt steht im Hintergrund immer die Frage nach der rechten Einschätzung und Wahrnehmung des Islam. Heute Morgen wurde die Freilassung von Abdul Raman in den Medien gemeldet. Die drohende Todesstrafe dieses zum Christentum konvertierten Afghanen hat die Medien über Wochen in Atem gehalten und selbst den Papst zum Eingreifen bewegt.

Nur wenige Wochen liegen hinter den gewalttätigen Demonstrationen als Reaktion auf die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung. An die beinahe täglichen Meldungen über Anschläge in Bagdad haben wir uns – schrecklich genug -schon fast gewöhnt. Und wir vergessen dabei, wie brüchig der Frieden im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nach wie vor ist. Welche Rolle den heutigen Parlamentswahlen in Israel zukommt, bleibt abzuwarten. Ebenso die weitere Entwicklung, die der Wahlsieg der Hamas in den Autonomiegebieten hervorgerufen hat.

Und als Ausgangspunkt dieser neuen Weise der Focusierung und der Bewertung der politischen Entwicklungen, bei denen sogenannte Islamisten beteiligt sind oder waren, muss selbstverständlich der 11. September 2001 genannt werden. Ohne die schrecklichen Ereignisse jenes Tages hätten wir heute Abend ein anderes Thema, da bin ich ganz sicher.

Ängste machen sich breit. Und eine realistische Einschätzung des Islam insgesamt ist panikartigen Aktivitäten gewichen. Ich erinnere nur an die gegenwärtige Diskussion um die Einbürgerungsfragebögen in Baden-Württemberg und in Hessen. Ich teile nicht die Ansicht, als könne man das Gefahrenpotential, das man im Auge hat, gewissermaßen mit Hilfe solcher Bögen abschöpfen. Der Schaden, der Verlust an gut begündeter Liberalität, in Gestalt kollektiver Vorabverdächtigungen ganzer Menschengruppen, ist durch den beabsichtigten Nutzen nie und nimmer aufzuwiegen. Vielleicht kommen wir im Gespräch darauf noch einmal zurück.

Die Verbindung des Themas Frieden mit den drei großen monotheistischen Religionen eröffnet allerdings auch ohne die angesprochenen Aktualitäten im Hintergrund einen weiteren Horizont. Das Thema Religion und Krieg ist eines, das durch die Geschichte der Menschheit wie der Religionen unaufhörlich durch- und mitläuft. Vieles wäre hier zu erwähnen. Ich muss mich au weniges beschränken. Die blutige Landnahme, die schon das Alte Testament beschreibt, als es um die Rückkehr der aus Hunger nach Ägypten gezogenen Emigranten ins sogenannte gelobte Land geht. Die unglückseligen, unglaublich grausamen Kreuzzüge. Die Konfessionskriege – allen voran der 30jährige Krieg als Folge der Reformation. Die mit dem Glauben an die eigene Erwählung verbundene Apartheid in Südafrika. Der Konflikt zwischen Evangelischen und Katholiken in Nordirland. Die Balkankriege nach der Auflösung des ehemaligen Jugoslawien, als sich in unterschiedlicher Konstellation Christen und Christen, aber eben auch Christen und Moslems gegenüber standen. Und dann natürlich die grausamen Programme der Nazis zur Vernichtung vor allem der Juden, aber auch anderer Menschen, denen man ihr Menschsein einfach abgesprochen hatte.

Nie war die Geschichte der Menschheit ohne Kriege. Und fast immer waren die Religionen auf unterschiedliche Weise daran beteiligt. Kein Wunder, wenn etwa der portugiesische Literaturnobelpreisträger José Saramago vor einiger Zeit in einem Beitrag der Frankfurter Allgemeinen geschrieben hat: „Es ist bekannt, dass ausnahmslos alle Religionen nie dazu dienten, die Menschen einander näher zu bringen und den Frieden zu mehren. Religionen waren und sind der Grund für unendliches Leid, für Massenmorde und ungeheuerliche physische und psychische Gewalt, die zu den dunkelsten Kapiteln der elenden Geschichte der Menschheit gehören.“

Und genau mit diesen Worten ist der Horizont umschrieben, der Anlass zu der Themenstellung dieses Abends war: Wie können drei Religionen eines Gottes in Frieden miteinander leben?


URSACHEN DER GEWALT ZWISCHEN DEN RELIGIONEN

Um einer Antwort auf diese Frage, näherzukommen, möchte ich zunächst umgekehrt fragen, wieso denn Religionen immer Anlass zum Unfrieden und zum Krieg gegeben haben und geben. Dabei möchte ich mich an einer ihnen allen bekannten biblischen Geschichte orientieren, der Geschichte der drei Verführungen Jesu. Und diese Verführungen dann in Beziehung setzen zu drei möglichen Modellen der Erklärung dieser Geschichte des Unfriedens.

1. In Matthäus 4 wird berichtet, Jesus habe sich zum Fasten für 40 Tage in die Wüste zurückgezogen. Sie sehen also, diese Geschichte passt gut in die gegenwärtige Passions- und Fastenzeit. Da macht sich – so berichtet Matthäus – der Versucher an Jesus heran.

„Wenn du Hunger hast“, sagt er, „dann ist das für dich doch kein Problem. Mach doch einfach aus diesen Steinen Brot!“ Steine zementieren Macht. Mit Steinen baut man Mauern und Grenzen. Steine sind kalt und sie lassen sich missbrauchen. Brot dagegen ist das Ergebnis kultureller Aktivität. Kultur kommt vom lateinischen Worte colere, das bedeutet neben pflegen und verehren eben auch bebauen. Wenn’s ums Bot geht – und um den Hunger – dann geht’s nicht einfach um Macht. Dann geht’s auch um Kultur. Dann geht’s um das, was uns satt macht. Körperlich, im ursprünglichen Sinn des Wortes. Und darüber hinaus mit dem, was unser Leben lebenswert macht. Eben der Kultur, der Religion, der Errungenschaften der Zivilisation.

Damit komme ich zum ersten Erklärungsmodell der gegenwärtigen Gewalt. Es stammt vom amerikanischen Politologen Samuel P. Huntington. Er hat in mehren Publikationen, die in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen sind, vom sogenannten Clash of Civilizations gesprochen. Dem Zusammenprall der Zivilisationen. Huntington erklärt die Weltgeschichte als einen großen Wettkampf der verschiedenen Kulturen. So sei auch seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa eine Verschiebung der Konfliktgrenzen weg von den nationalstaatlichen Grenzen hin zu der Grenzen der westlichen Zivilisation zur nichtwestlichen Zivilisation zu beobachten.

Dabei habe der einzelne gar nicht mehr die Möglichkeit auszusteigen oder die Seiten zu wechseln. Er schreibt: Die Frage ist: „Was bist du? Das ist eine Bestimmung, die man nicht verändern kann.“ Dass er dabei die westliche Zivilisation für die am höchsten entwickelt hält, versteht sich von selbst. Die gegenwärtige Auseinandersetzung mit dem Islam ist für Huntington somit eine Bestätigung seiner These: Hier geraten also die christlich-westliche und die östlich-islamische Welt zwangsläufig in Konflikt.

2. Zurück zur biblischen Versuchungsgeschichte. Der Versucher nimmt einen zweiten Anlauf. Er führt Jesus auf die höchste Tempelmauer und raunt: „Spring doch. Schließlich sagt die heilige Schrift: Die Engel werden dich auf Händen tragen und dir wird kein Haar gekrümmt werden.“ Das ist die Versuchung des Missbrauchs des bibischen Wortes. Es steht geschrieben! Keine Vernunft. Kein Diskurs. Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.

Der Fundamentalismus – das ist das zweite hier vorgestellte Modell der Erklärung der Gewalt zwischen den Religionen. Ursprünglich stammt der Begriff aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Fundamentalisten waren damals Menschen, die von theologisch-konservativer Seite wegen ihrer zu modernen und liberalen Theologie und vor allem auch wegen der historisch-kritischen Sicht der biblischen Schriften so genannt wurden.

Als politische Kategorie steht der Fundamentalismus dem Totalitarismus nahe. Es gibt eine vorgegebene, nicht mehr zu hinterfragende oder zu legitimierende Wahrheit der wenigen, nach der sich die Mehrheit zu richten hat. Auf die großen Fragen gibt es einfache Antworten. Damit bedient der Fundamentalismus vor allem die Sehnsüchte nach einer klaren Unterscheidung von richtig und falsch und gut und böse. Genau dies sind aber auch die Themen der Religionen. Damit sind diese für das Phänomen des Fundamentalismus besonders empfänglich. Deshalb wird der Ausdruck nicht mehr nur für konservative Strömungen in der eigenen, der christlichen Religion verwendet. Er wird politisch auf Gruppen übertragen, die die jeweils erkannte Wahrheit ohne die Fähigkeit zum Kompromiss und zur Toleranz durchzusetzen versuchen.

Humorvoll hat man früher von grünen Fundis gesprochen – eine Spezies, die wohl beinahe ausgestorben ist. Weitaus bedenklicher ist die Rede von islamischen Fundamentalisten. Sie setzt nicht nur die Unerbittlichkeit und die Unbeweglichkeit der eigenen Position voraus, sondern setzt diese mit einer allgemeinen Wahrheit der Religion, in diesem Fall der des Islam, gleich.

3. Noch einmal zurück zur Verführungsgeschichte. Der Versucher nimmt einen dritten Anlauf. Er führt Jesus auf einen hohen Berg. „Ich werde dich zum Herrscher über alles machen, wenn du mich anbetest.“ Jesus setzt diesem Anspruch seinen Glauben entgegen. Den Eingottglauben. Den Monotheismus. Die große Errungenschaft der drei Religionen, um die es heute Abend geht.

Doch auch dieser Monotheismus ist womöglich verdächtig. Als die Quelle der Gewalt der Religionen. Der, der diese These vertritt, das ist der bekannte Ägyptologe Jan Assmann. In seinem Bestseller Moses, der Ägypter, beschreibt er die sogenannte mosaische Unterscheidung. Gemeint ist damit die Unterscheidung, die Mose zwischen den vielen falschen Göttern und dem einen wahren Gott getroffen hat. Der Monotheismus trägt also schwer an dem Erbe der Vernichtung der vielen Götter. Dieser Sieg war nur durch Gewalt zu erkaufen. Und er trägt entscheidend bei zu einer Blutspur der drei abrahamitischen Religionen, deren Folgen wir derzeit eben auch in Gestalt des Islamismus vor uns haben.

WEGE ZUM FRIEDEN

Drei Modelle der Erklärung der Gewalt zwischen den Religionen habe ich ihnen vorgestellt. Zugleich drei Verführungen: Die der Erwartung eines Zusammenpralls der Zivilisationen und Kulturen. Die des Fundamentalismus. Und die des Monotheismus.

Und jede dieser drei Verführungen müssten wir also bewerten und ihr wenn nötig etwas entgegenzusetzen haben, wenn es den drei Religionen gelingen soll, Entscheidendes zum Frieden beizutragen.

1. Zunächst zum Modell des Zusammenbruchs der Kulturen. Ich glaube nicht, dass Huntington recht hat. Die großen Konflikte der Welt lassen sich nicht auf einen Generalkonflikt zwischen der westlichen und der islamischen Welt reduzieren. Und damit auch nicht auf einen Konflikt zwischen Christentum und Islam. Beide Gebilde sind viel zu heterogen und zu sehr in sich noch einmal auszudifferenzieren, als dass wir hier zu entscheidenden Einsichten gelangen können. Wir nehmen als islamische Welt eine Welt war, die wir durch die Brille der Wahrnehmung einer gewaltbreiten Minderheit anschauen, um dann zu pauschalen Urteilen zu gelangen.

Zu offensichtlich kommen in dem Konflikt noch ganz andere Komponenten zum Tragen. Die Auseinandersetzung zwischen Reichtum und Armut. Die Ausdehnung politischer Macht auch aus westlicher Sicht. Und nicht zuletzt der Kampf um Rohstoffe und insbesondere um die Energiequellen. Kultur und Zivilisation, auch Religion bleiben hier viel zu häufig auf der Strecke. Man muss sich nur an die Geschichte und die Folgen des Irakkriegs erinnern. Die Versuchung der Reduktion eines vielschichtigen Konfliktes führt nicht weiter.

2. Etwas anders ist aus meiner Sicht es in der Tat mit der Versuchung des Fundamentalismus bestellt. Der Fundamentalismus ist die offene Flanke jeder Religion und jeder Weltanschauung. Es basiert auf der fehlenden Bereitschaft, die für wahr erkannte Position zunächst einmal als meine eigene, subjektive Wahrheit zu erkennen, eine Wahrheit, die mit den Einsichten meiner Mitmenschen gewissermaßen in Konkurrenz steht und die im Dialog gewagt und erprobt werden muss. Der Fundamentalismus negiert, dass Wahrheit immer auch eine Geschichte ihrer Enthüllung und ihrer Gestalt hat. Sie ist kein Extrakt, den wir unverändert durch die Zeiten tragen können.

Im Namen des religiösen Fundamentalismus sind Millionen von Menschen getötet worden. Deshalb ist die Trennung von Staat und Kirche eine der großen Errungenschaften der Gegenwart. Nicht in dem Sinn, dass beide nicht miteinander kooperieren sollen. Da machen wir in Deutschland ja sehr wohl hervorragende Erfahrungen. Dass im Raum des Politischen aber die Kraft des Arguments und der persönlichen Überzeugungskraft von entscheidender Bedeutung ist und nicht eine subjektiv aus der Bibel abgeleitete und dann durch den Staat verbreitete Wahrheit ist ein großer Schutz vor Verführung im Sinne falsch verstandener Religion. Wenn etwa nordamerikanische evangelikale Fundamentalisten sich zunehmend in der Politik Mittel- und Südamerikas engagieren, ist das eine Entwicklung, die ich mit großer Sorge betrachte und die aufs Ganze gesehen der Glaubwürdigkeit des Christentums nicht dient.

Ich bin überhaupt der Ansicht, dass der Fundamentalismus weniger eine Aussage über eine Religion macht als vielmehr über die diesbezügliche Anfälligkeit des Menschen. Die Sehnsucht nach einem durchschaubaren Weltmodell. Die Sehnsucht nach einfachen Antworten komplexer. Die Sehnsucht, Religion nicht als Befreiung, sondern als Stabilisierung zu verstehen. In den wenigstens Kriegen zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen geht es überhaupt um die Religion. Oder gar um die Wahrheit. Religion wird eher verwendet als Mittel zum Zweck. Als vertrauter Rahmen. Und als nicht in Frage zu stellende Legitimierung der jeweils eigenen Position. Und daher im Grunde unsachgemäß verwendet und missbraucht.

3. Bleibt Jan Assmans Kritik am Monotheismus. Ich finde die These hochinteressant Aber am Ende wohl doch zu holschnittartig und zu vereinfachend. In der Tat wird der biblische Gott immer wieder als ein eifernder und eifersüchtiger Gott präsentiert. Und auch als ein Gott, der neben sich keine anderen Götter duldet. Aber parallel zu dieser Linie läuft die, dass es sich Gott ein ums andere Mal gereuen lässt; dass er ein liebender und barmherziger Gott ist. Und dass er nach unserem christlichen Bekenntnis Mensch wird in einem, der gerade nicht teilhat an den Spielen der Macht und des Erfolgs. Sondern der stellvertretend für uns in die Lücken des Lebens tritt.

Es wird nicht zu leugnen sein, dass Menschen sich immer wieder angemaßt haben – und dies bis heute tun – gleichsam im Namen Gottes der eigenen Konkurrenz den Garaus zu machen. Aber für die missbräuchliche Inanspruchnahme Gottes dürfen wir nicht den Monotheismus verantwortlich machen. Da erscheint mir persönlich der postmoderne Polytheismus der Götter Geld, Konsum, Macht und Energie weitaus gefährlicher. Und auch kriegstreibender.


DER BEITRAG DER RELIGIONEN ZUM FRIEDEN – SIEBEN ANMERKUNGEN UND ZUMUTUNGEN

Wie können drei Religionen eines Gottes in Frieden miteinander leben? In sieben abschließenden Thesen will ich einen Hoffnungshorizont vor ihnen aufleuchten lassen. Einen Horizont, der ganz billig und ohne eigenen Einsatz allerdings nicht zu haben ist. Weil der Frieden noch nie als Billigangebot zu haben war.

1. Die Behauptung, bei einem Konflikt handle es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Religionen, darf nicht ungeprüft übernommen werden. Ob sich Religionen streiten oder ob in einem Streit um ganz andere Interessen Gruppen mit einem unterschiedlichen Hintergrund einander gegenüber stehen und Religion instrumentalisieren, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
2. Wo Menschen den Anspruch erheben, im Namen Gottes zu handeln oder gar anderen den Frieden aufzukündigen, müssen wir prüfen, ob diese Gestalt der Religion die Freiheit der Menschen ermöglicht und erweitert oder ob sie sie in Gestalt erzwungener Hörigkeit oder gar Abhängigkeit einschränkt. Zugleich ist zu prüfen, ob es unter dem Vorwand des Religiösen nicht etwa um finanzielle oder ganz andere Interessen geht.
3. Der Gottesglaube erspart uns die eigene religiöse Denkanstrengung nicht. Im Sinne des allgemeinen Priestertums haben wir alle uns theologisch und hinsichtlich der Religion kundig zu machen. Damit wir missbrauchter Religion entgegentreten können.
4. Der eigene christliche Glaube erspart uns die Kenntnis und die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen nicht – im Gegenteil. Ob es drei Religionen eines Gottes sind – oder anders gesagt – wie diese die Religionen zusammenhängen und wo sie ihre Gemeinsamkeiten haben und w diese Grenzen enden, darüber müssen wir uns kundig machen.
5. Der Gebrauch religiöser Sätze, Name und Formeln ist noch keine Gewähr, dass es tatsächlich um Religion in dem Sinn geht, wie wir Religion nach der Aufklärung verstehen: als eine subjektiv anzueignende Überzeugung im Sinn der Rückbindung hin zu einem transzendenten, jenseitigen und ganz andersartigen Gott.
6. Unverzichtbar und dringen geboten ist das ständige und immer weiter zu vertiefende Gespräch zwischen den Angehörigen der verschiedenen Religionen. Die drei monotheistischen, abrahamitischen Religionen haben dabei von vornherein eine gemeinsame Basis, die nicht nur das Gespräch begünstigt, sondern auch das gemeinsame Gebet ermöglicht.
7. Von entscheidender Bedeutung ist die Einsicht in die eigene Geschöpflichkeit des Menschen. Dies bewahrt davor, sich selber gottgleich gebärden zu wollen und sich dabei selber zu übernehmen. Als Konsequenz müssen wir dann auch nicht gleichsam an Gottes Stelle dieser Welt zum Fortschritt verhelfen, den es gegen alle Widerstände durchzusetzen gilt. Vielmehr sind wir eingeladen, uns als von Gott zur Kooperation Eingeladene an der Verwandlung der Welt mitzuwirken.

SCHLUSS

Frieden ist möglich. Und uns als Angehörige der drei monotheistischen Religionen als Aufgabe dauerhaft aufgetragen. Wie also können drei Religionen eines Gottes in Frieden miteinander leben? Wie kann die Verführung zum Frieden gelingen?

• Indem sie tun, was ihnen aufgetragen ist: Indem sie ihre Stimme erheben für Menschen, die keine Stimme mehr haben. Und die durch Krieg und durch Unrecht klein gemacht werden.
• Indem sie einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen mündig werden – durch Bildung und durch die Erkenntnis der Ebenbildlichkeit Gottes.
• Indem sie der Ehrfurcht vor dem Leben immer den Vorrang geben – und dadurch den, dem wir unser Leben verdanken – Gott, die Quelle allen Lebens – immer wieder neu miteinander feiern.

Ich danke ihnen!
Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.