PREDIGT ÜBER LUKAS 14,25-33
AM SONNTAG, 30. JUNI 2013 (5.S.N.TR.)
ANLÄSSLICH DES 4. STIFTUNGSFESTES
IN DER EVANGELISCHEN KIRCHE IN LÜTZELSACHSEN
30.06.2013
Liebe Gemeinde!
Wenn ich einen Predigttext für diesen Sonntag hätte selber aussuchen müssen, dann wäre der für heute vorgeschlagene Predigttext sicher in der engeren Auswahl gewesen. Es ist ein Text, der sich mit dem Bauen beschäftigt. Und so viele Texte mit diesem Thema gibt es gar nicht.
Mit dem Bauen befasst sich auch ihre Stiftung, die heute das vierte Stiftungsfest begehen kann. Dies ist Anlass zur Mitfreude. Und darum bin ich gerne gekommen, um mit Ihnen Gottesdienst zu feiern. Und auch um an den Bau ihrer Kirche vor 240 Jahren zu denken.
Hören sie also auf Worte aus dem Munde Jesu, die sich dem Bauen widmen. Aber nicht ausschließlich. Weil es am Ende gar nicht nur ums Bauen geht. Sondern um die rechte Weise, diesem Jesus nachzufolgen. der Nachfolge. Der Text steht beim Evangelisten Lukas im 14. Kapitel in den Versen 25-33:
25Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: 26Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. 27Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein
28Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen, – 29damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann's nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, 30und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann's nicht ausführen?
31Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit zwanzigtausend? 32Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden. 33So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.
Sage niemand, liebe Gemeinde, in der Bibel ging es nicht ums Geld. Das Gegenteil ist der Fall. Gleich eine Reihe von Gleichnissen Jesu spielen im Bereich der Wirtschaft.
• Da geht es um Geld, das die einen vergraben. Und mit dem die anderen wuchern. Erzählt im Gleichnis von den sogenannten Talenten.
• Das werden Schuldscheine gefälscht, damit ein Verwalter nicht ohne Freunde dasteht, nachdem er entlassen ist. Erzählt im Gleichnis vom klugen und doch ungerechten Verwalter.
• Da erlässt ein Gutsherr einem Knecht die Schulden. Der aber treibt sie bei seinem Mitknecht gnadenlos ein. Erzählt im Gleichnis vom sogenannten Schalksknecht.
• Da erhalten die einen wie die anderen dasselbe Gehalt, ganz egal wie lange sie gearbeitet haben. Erzählt im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
Wenn Jesus den Menschen klar machen will, wie die Welt funktioniert und wie Gott die Welt haben will, da greift er das ein um andere Mal auf Beispiele aus dem Bereich der Wirtschaft zurück.
Der heutige Predigttext ist ein weiteres Beispiel. Eine Beispielgeschichte aus dem Bereich des Bauens. Und ich kann nur staunen, wenn ich feststelle, wie ähnlich sie sind - die Welt damals und die von heute.
Da will einer ein Großprojekt durchziehen. Und es droht Gefahr, dass er sich übernimmt. Dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Wie heutzutage auch. In Stuttgart. In Hamburg. In Berlin.
Und Jesus gibt einen guten Rat. Jesus als Immobilienberater. Einfach ist der Rat. Und lebenserprobt dazu. Wer bauen will, muss vorher einen Kassensturz machen. Muss genau prüfen, ob die Mittel ausreichen. Damit keine Bauruine übrig bleibt. Und damit der Bauherr nicht als Gespött seiner Mitmenschen endet.
So werden es ihre Vorväter und Vormütter im Glauben auch gemacht haben. Damals, als die den Bau dieser Kirche ins Auge fassten. 240 Jahre steht sie nun schon. Auch wenn die offizielle Einweihung sich erst im kommenden Jahr jährt. Und sie wieder Grund zum Feiern haben.
Ihre Ahnen im Glauben hier vor Ort haben sorgfältig gerechnet. Anstelle von Gespött haben sie Anerkennung und Dank verdient. Aber über 240 Jahre hinaus konnten sie auch nicht rechnen. Andere haben in ihrem Sinn die Verantwortung übernommen. Und sie tragen Sorge, dass auch morgen noch genügend finanzielle Mittel da sind. Für die Kirche. Und die Gemeinde überhaupt. Es gibt einen Gemeindebauverein. Und sie haben eine Stiftung gegründet. Heute feiern sie (das vierte) ihr Stiftungsfest. Auch das ist ein Grund zur Dankbarkeit.
Stiftungen kannte Jesus noch nicht. Sonst hätte er wohl auch dazu ein Gleichnis erzählt. Oder auch zur Welt der Aktien und der Börse. Stattdessen weicht Jesus auf das Feld der Militärs aus. Und erzählt eine zweite Beispielgeschichte. Jesus als Militärstratege. Ganz so einfach ist es nicht, sich das vorzustellen. Aber wie gesagt: Es ist ein exemplarische Geschichte ein Gleichnis. Und die Menschen damals waren oft genug die Leidtragenden, wenn ihre Machthaber ihren Einfluss und ihr Herrschaftsgebiet vergrößern wollten.
Da will also wieder einer in den Krieg ziehen. Es gelüstet ihn nach mehr. Mehr Macht. Mehr Land. Mehr Bedeutung. Nur steht sein Gegenüber besser da. Ist besser ausgerüstet. Hat doppelt so viele Soldaten. Jetzt dennoch den Angriff zu wagen, das ist ein riskantes Unternehmen. Viel gefährlicher als das Beispiel mit der drohenden Bauruine. Wenn der König verliert, wird er nicht nur zum Gespött der Leute. Er verliert sein Land. Er verliert die Macht. Und am Ende womöglich sein Leben.
Beispiel gibt es genug. Ich denke da etwa an Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, der im 17. Jahrhundert gelebt hat. Er war ein Nachkomme Friedrich III., der ja den Heidelberger Katechismus in Auftrag gegeben hat. Die kurfürstliche Würde der Pfalz war diesem Friedrich nicht genug. Er ließ sich auch noch zum König von Böhmen krönen. Und provozierte Kaiser und Reich.
Nach wenigen Monaten verlor er alles. Seine Länder. Die Kurwürde. Und seinen guten Ruf. In den Niederlanden brachte er sein Leben als Flüchtling zu Ende. Und als Winterkönig trägt er bis heute seinen Spottnamen, weil seine Herrschaft nur einen einzigen Winter überdauert hat. Friedrich hatte nicht sorgfältig genug gerechnet, ob die Mittel reichen, seine kühnen Träume umzusetzen.
Jesus erweist sich mit seinen beiden Beispielgeschichten hier durchaus als guter Menschenkenner. Aber es geht ihm nicht um kluge Planung von Projekten allein. Jesus geht es hier um kluge Lebensplanung. Was traue ich mir zu im Leben? Was lasse ich mir etwas kosten? Wie stark bin ich wirklich, mich auf Gott einzulassen?
Diese Fragen haben sich damals verdichtet in der Bereitschaft Jesus nachzufolgen. Nicht irgendwie. Sondern ganz konkret. Und die Frage hat dann gelautet: Traue ich mir wirklich zu, mit diesem Jesus mitzugehen? An eine große Menge wendet sich Jesus, lesen wir. Fast scheint es, Jesus traut der großen Zahl nicht. Und so legt er die Kriterien offen, auf die es ankommt, wenn einer oder eine ihm nachfolgen will.
Die Hürde ist hoch. Und der Maßstab Jesu einigermaßen geeignet, uns aller Illusionen zu berauben. Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. Das Ende der Familien wird immer mal wieder beklagt. Zuletzt in der vergangenen Woche, weil die EKD eine Orientierungshilfe zur Familie veröffentlich hat. Sie wurde vielgescholten. Weil viele sie noch gar nicht gelesen haben. Die evangelische Kirche gebe das Leitbild der Familie auf, konnte man lesen.
So radikal wie die Forderung Jesu ist diese Orientierungshilfe bestimmt nicht. Unüberhörbar ist es Jesus selber, der hier das Ende der Familie ausruft: „Wer nicht hasst seinen Vater, seine Mutter, Frau, Mann, Kinder und Schwestern und Brüder...“
Jesus hat das so gelebt. Als seine Mutter ihn holen lässt, damals, bei der Hochzeit zu Kana, da fährt er sie an: Frau, was geht’s dich an? Was habe ich it dir zu schaffen? Und als ihn seine Geschwister besuchen wollen, schaut er die Leute an und sagt: „Das sind meine Schwester. Das sind meine Brüder.“ Radikal im höchsten Grad ist das, was Jesus hier sagt. Aber gewiss kein Programm für uns heute.
Zum einen meint hassen hier etwas anderes als das, was wir mit hassen meinen. Jesus hat seine Mutter nicht gehasst. Bestimmt nicht. Und seine Geschwister sicher auch nicht. Hassen meint in diesem Zusammenhang hintenanstellen. Der Familie den zweiten Rang zuweisen. Und Gott die erste Priorität zukommen zu lassen.
Es gibt Menschen, die das bis heute so praktizieren. Etwa Menschen, die sich für ein Leben in einer Kommunität entscheiden. Oder für ein Leben im Kloster. Oder ein Leben als Priester in unserer katholischen Geschwisterkirche. Sie leben zeichenhaft vor, was Jesus hier meint.
Aber das muss nicht unser aller Lebensentwurf werden. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der radikale Wanderprediger durch die Welt ziehen. Und die Reformation hat uns gelehrt, dass das Leben außerhalb der Klostermauern nicht weniger wertvoll ist. Sie müssen also ihr Lieben nicht hassen! Schon gar nicht im Auftrag Jesu. Und sie müssen auch nicht ihrer Familie den Abschied geben.
Aber eine Aufgabe bleibt uns nicht erspart. Die Aufgabe zu entscheiden, wem wir Priorität zukommen lassen in unserem Leben. Die Frage, wer oder was im Zweifel Vorrang hat. Erfolg, Gewinn, Rechthabenwollen, die Durchsetzung meiner Interessen. Es geht vielmehr darum zu prüfen, ob es noch doch noch etwas anderes gibt. Den Einsatz für andere. Die Prüfung meiner Pläne an der Verträglichkeit für andere. Ja, auch die Frage, ob ein Leben unter der Annahme, dass es Gott gibt, mich anders leben und entscheiden lässt als ein Leben ohne diesen Gottesbezug.
Manche Jugendliche tragen am Arm ein Bändchen, in das die Buchstaben wwjd eingewoben sind. Wwjd – das steht für what would jesus do? Was würde Jesus tun? Ich selber würde so ein Bändchen jetzt nicht unbedingt tragen. Aber die Frage hat schon ihr Recht. Was würde Jesus tun, wenn er sich heute für ein Leben unter uns entscheiden müsste? Wie würden unsere Kirchen auf ihn wirken? Wo würde er sich wohl fühlen? Was würde er uns ins Stammbuch schreiben? Welche Beispielgeschichten würde er uns erzählen?
Ich weiß, die Frage ist gefährlich. Die Zeit heute. Und die Zeit vor 2000 Jahren – diese unterschiedlichen Umstände sind nicht so einfach miteinander zu vergleichen. Aber Jesus wäre auch heute Sand im Getriebe der vermeintlichen Sachzwänge.
Und er würde vielleicht auch heute wieder Beispielgeschichten aus dem Bereich der Wirtschaft erzählen. Von dem Bürgermeister, der das Rathaus verkauft und fast sein ganzes Gehalt verschenkt. Von dem Manager, der seinen Job aufgibt, und sich der Hausaufgabenbetreuung von Migrantenkindern widmet. Von der Hausfrau, die in die Politik geht, weil sie endlich etwas ändern möchte. In der Umweltpolitik. Im Einsatz für Kinder und Jugendliche. Von dem Börsenmakler, der sich abwendet von Papieren, deren Wertsteigerung auf unseriösen Geschäftspraktiken beruht.
Wer heute Unrecht offenlegt, lebt gefährlich. Da reicht schon der Blick auf Edward Snowden. Das ist der Mann, der die Spitzelgewohnheiten der Geheimdienste ins Rampenlicht gestellt hat. Ich will ihn gar nicht in allem in Schutz nehmen. Dazu kenne ich viel zu wenig an Hintergründen. Aber er hat etwas öffentlich gemacht, das uns eigentlich den Schlaf rauben müsste. Den Versuch, der kompletten Überwachung.
Wer mir nachfolgen will, der oder die prüfe, ob die Kräfte ausreichen, sagt Jesus. Verzicht auf Besitz. Verzicht auf Seilschaften. Verzicht auf Gefälligkeiten.
Wer so lebt, läuft Gefahr, zum Gespött der Leute zu werden. Wer so lebt, kann alles verlieren. Oder eben alles gewinnen. Weil der Verzicht auf all das, was uns so leicht in Beschlag nimmt, uns nicht ins Bodenlose stürzen lässt. Sondern in eine neue Unabhängigkeit. Und in eine neue Gebundenheit an die Maßstäbe der Gottesherrschaft. Maßstäbe, die am Ende auch die Kriterien der Wirtschaft aushebeln. Weil sich am Ende nichts mehr rechnen muss. Weil Gottes Gerechtigkeit uns gratis zukommt. Umsonst. Und ohne Gegenleistung.
Ihre Vorväter und Vormütter haben sich’s zugetraut, als sie diese Kirche getraut haben. Und sie können sich’s auch zutrauen. Und sich auf den Weg der Nachfolge machen. Ruhig mit Vater und Mutter, mit Kind und Kegel. Aber vor allem mit Gottvertrauen. Mehr braucht’s nicht, um Teil zu haben an Gottes Fülle. Mehr braucht’s nicht, um diesem Jesus nachzufolgen. Das ist schon mehr als genug. Amen.
Wenn ich einen Predigttext für diesen Sonntag hätte selber aussuchen müssen, dann wäre der für heute vorgeschlagene Predigttext sicher in der engeren Auswahl gewesen. Es ist ein Text, der sich mit dem Bauen beschäftigt. Und so viele Texte mit diesem Thema gibt es gar nicht.
Mit dem Bauen befasst sich auch ihre Stiftung, die heute das vierte Stiftungsfest begehen kann. Dies ist Anlass zur Mitfreude. Und darum bin ich gerne gekommen, um mit Ihnen Gottesdienst zu feiern. Und auch um an den Bau ihrer Kirche vor 240 Jahren zu denken.
Hören sie also auf Worte aus dem Munde Jesu, die sich dem Bauen widmen. Aber nicht ausschließlich. Weil es am Ende gar nicht nur ums Bauen geht. Sondern um die rechte Weise, diesem Jesus nachzufolgen. der Nachfolge. Der Text steht beim Evangelisten Lukas im 14. Kapitel in den Versen 25-33:
25Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen: 26Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. 27Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein
28Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen, – 29damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann's nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten, 30und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann's nicht ausführen?
31Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit zwanzigtausend? 32Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden. 33So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.
Sage niemand, liebe Gemeinde, in der Bibel ging es nicht ums Geld. Das Gegenteil ist der Fall. Gleich eine Reihe von Gleichnissen Jesu spielen im Bereich der Wirtschaft.
• Da geht es um Geld, das die einen vergraben. Und mit dem die anderen wuchern. Erzählt im Gleichnis von den sogenannten Talenten.
• Das werden Schuldscheine gefälscht, damit ein Verwalter nicht ohne Freunde dasteht, nachdem er entlassen ist. Erzählt im Gleichnis vom klugen und doch ungerechten Verwalter.
• Da erlässt ein Gutsherr einem Knecht die Schulden. Der aber treibt sie bei seinem Mitknecht gnadenlos ein. Erzählt im Gleichnis vom sogenannten Schalksknecht.
• Da erhalten die einen wie die anderen dasselbe Gehalt, ganz egal wie lange sie gearbeitet haben. Erzählt im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
Wenn Jesus den Menschen klar machen will, wie die Welt funktioniert und wie Gott die Welt haben will, da greift er das ein um andere Mal auf Beispiele aus dem Bereich der Wirtschaft zurück.
Der heutige Predigttext ist ein weiteres Beispiel. Eine Beispielgeschichte aus dem Bereich des Bauens. Und ich kann nur staunen, wenn ich feststelle, wie ähnlich sie sind - die Welt damals und die von heute.
Da will einer ein Großprojekt durchziehen. Und es droht Gefahr, dass er sich übernimmt. Dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Wie heutzutage auch. In Stuttgart. In Hamburg. In Berlin.
Und Jesus gibt einen guten Rat. Jesus als Immobilienberater. Einfach ist der Rat. Und lebenserprobt dazu. Wer bauen will, muss vorher einen Kassensturz machen. Muss genau prüfen, ob die Mittel ausreichen. Damit keine Bauruine übrig bleibt. Und damit der Bauherr nicht als Gespött seiner Mitmenschen endet.
So werden es ihre Vorväter und Vormütter im Glauben auch gemacht haben. Damals, als die den Bau dieser Kirche ins Auge fassten. 240 Jahre steht sie nun schon. Auch wenn die offizielle Einweihung sich erst im kommenden Jahr jährt. Und sie wieder Grund zum Feiern haben.
Ihre Ahnen im Glauben hier vor Ort haben sorgfältig gerechnet. Anstelle von Gespött haben sie Anerkennung und Dank verdient. Aber über 240 Jahre hinaus konnten sie auch nicht rechnen. Andere haben in ihrem Sinn die Verantwortung übernommen. Und sie tragen Sorge, dass auch morgen noch genügend finanzielle Mittel da sind. Für die Kirche. Und die Gemeinde überhaupt. Es gibt einen Gemeindebauverein. Und sie haben eine Stiftung gegründet. Heute feiern sie (das vierte) ihr Stiftungsfest. Auch das ist ein Grund zur Dankbarkeit.
Stiftungen kannte Jesus noch nicht. Sonst hätte er wohl auch dazu ein Gleichnis erzählt. Oder auch zur Welt der Aktien und der Börse. Stattdessen weicht Jesus auf das Feld der Militärs aus. Und erzählt eine zweite Beispielgeschichte. Jesus als Militärstratege. Ganz so einfach ist es nicht, sich das vorzustellen. Aber wie gesagt: Es ist ein exemplarische Geschichte ein Gleichnis. Und die Menschen damals waren oft genug die Leidtragenden, wenn ihre Machthaber ihren Einfluss und ihr Herrschaftsgebiet vergrößern wollten.
Da will also wieder einer in den Krieg ziehen. Es gelüstet ihn nach mehr. Mehr Macht. Mehr Land. Mehr Bedeutung. Nur steht sein Gegenüber besser da. Ist besser ausgerüstet. Hat doppelt so viele Soldaten. Jetzt dennoch den Angriff zu wagen, das ist ein riskantes Unternehmen. Viel gefährlicher als das Beispiel mit der drohenden Bauruine. Wenn der König verliert, wird er nicht nur zum Gespött der Leute. Er verliert sein Land. Er verliert die Macht. Und am Ende womöglich sein Leben.
Beispiel gibt es genug. Ich denke da etwa an Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz, der im 17. Jahrhundert gelebt hat. Er war ein Nachkomme Friedrich III., der ja den Heidelberger Katechismus in Auftrag gegeben hat. Die kurfürstliche Würde der Pfalz war diesem Friedrich nicht genug. Er ließ sich auch noch zum König von Böhmen krönen. Und provozierte Kaiser und Reich.
Nach wenigen Monaten verlor er alles. Seine Länder. Die Kurwürde. Und seinen guten Ruf. In den Niederlanden brachte er sein Leben als Flüchtling zu Ende. Und als Winterkönig trägt er bis heute seinen Spottnamen, weil seine Herrschaft nur einen einzigen Winter überdauert hat. Friedrich hatte nicht sorgfältig genug gerechnet, ob die Mittel reichen, seine kühnen Träume umzusetzen.
Jesus erweist sich mit seinen beiden Beispielgeschichten hier durchaus als guter Menschenkenner. Aber es geht ihm nicht um kluge Planung von Projekten allein. Jesus geht es hier um kluge Lebensplanung. Was traue ich mir zu im Leben? Was lasse ich mir etwas kosten? Wie stark bin ich wirklich, mich auf Gott einzulassen?
Diese Fragen haben sich damals verdichtet in der Bereitschaft Jesus nachzufolgen. Nicht irgendwie. Sondern ganz konkret. Und die Frage hat dann gelautet: Traue ich mir wirklich zu, mit diesem Jesus mitzugehen? An eine große Menge wendet sich Jesus, lesen wir. Fast scheint es, Jesus traut der großen Zahl nicht. Und so legt er die Kriterien offen, auf die es ankommt, wenn einer oder eine ihm nachfolgen will.
Die Hürde ist hoch. Und der Maßstab Jesu einigermaßen geeignet, uns aller Illusionen zu berauben. Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein. Das Ende der Familien wird immer mal wieder beklagt. Zuletzt in der vergangenen Woche, weil die EKD eine Orientierungshilfe zur Familie veröffentlich hat. Sie wurde vielgescholten. Weil viele sie noch gar nicht gelesen haben. Die evangelische Kirche gebe das Leitbild der Familie auf, konnte man lesen.
So radikal wie die Forderung Jesu ist diese Orientierungshilfe bestimmt nicht. Unüberhörbar ist es Jesus selber, der hier das Ende der Familie ausruft: „Wer nicht hasst seinen Vater, seine Mutter, Frau, Mann, Kinder und Schwestern und Brüder...“
Jesus hat das so gelebt. Als seine Mutter ihn holen lässt, damals, bei der Hochzeit zu Kana, da fährt er sie an: Frau, was geht’s dich an? Was habe ich it dir zu schaffen? Und als ihn seine Geschwister besuchen wollen, schaut er die Leute an und sagt: „Das sind meine Schwester. Das sind meine Brüder.“ Radikal im höchsten Grad ist das, was Jesus hier sagt. Aber gewiss kein Programm für uns heute.
Zum einen meint hassen hier etwas anderes als das, was wir mit hassen meinen. Jesus hat seine Mutter nicht gehasst. Bestimmt nicht. Und seine Geschwister sicher auch nicht. Hassen meint in diesem Zusammenhang hintenanstellen. Der Familie den zweiten Rang zuweisen. Und Gott die erste Priorität zukommen zu lassen.
Es gibt Menschen, die das bis heute so praktizieren. Etwa Menschen, die sich für ein Leben in einer Kommunität entscheiden. Oder für ein Leben im Kloster. Oder ein Leben als Priester in unserer katholischen Geschwisterkirche. Sie leben zeichenhaft vor, was Jesus hier meint.
Aber das muss nicht unser aller Lebensentwurf werden. Wir leben nicht mehr in einer Zeit, in der radikale Wanderprediger durch die Welt ziehen. Und die Reformation hat uns gelehrt, dass das Leben außerhalb der Klostermauern nicht weniger wertvoll ist. Sie müssen also ihr Lieben nicht hassen! Schon gar nicht im Auftrag Jesu. Und sie müssen auch nicht ihrer Familie den Abschied geben.
Aber eine Aufgabe bleibt uns nicht erspart. Die Aufgabe zu entscheiden, wem wir Priorität zukommen lassen in unserem Leben. Die Frage, wer oder was im Zweifel Vorrang hat. Erfolg, Gewinn, Rechthabenwollen, die Durchsetzung meiner Interessen. Es geht vielmehr darum zu prüfen, ob es noch doch noch etwas anderes gibt. Den Einsatz für andere. Die Prüfung meiner Pläne an der Verträglichkeit für andere. Ja, auch die Frage, ob ein Leben unter der Annahme, dass es Gott gibt, mich anders leben und entscheiden lässt als ein Leben ohne diesen Gottesbezug.
Manche Jugendliche tragen am Arm ein Bändchen, in das die Buchstaben wwjd eingewoben sind. Wwjd – das steht für what would jesus do? Was würde Jesus tun? Ich selber würde so ein Bändchen jetzt nicht unbedingt tragen. Aber die Frage hat schon ihr Recht. Was würde Jesus tun, wenn er sich heute für ein Leben unter uns entscheiden müsste? Wie würden unsere Kirchen auf ihn wirken? Wo würde er sich wohl fühlen? Was würde er uns ins Stammbuch schreiben? Welche Beispielgeschichten würde er uns erzählen?
Ich weiß, die Frage ist gefährlich. Die Zeit heute. Und die Zeit vor 2000 Jahren – diese unterschiedlichen Umstände sind nicht so einfach miteinander zu vergleichen. Aber Jesus wäre auch heute Sand im Getriebe der vermeintlichen Sachzwänge.
Und er würde vielleicht auch heute wieder Beispielgeschichten aus dem Bereich der Wirtschaft erzählen. Von dem Bürgermeister, der das Rathaus verkauft und fast sein ganzes Gehalt verschenkt. Von dem Manager, der seinen Job aufgibt, und sich der Hausaufgabenbetreuung von Migrantenkindern widmet. Von der Hausfrau, die in die Politik geht, weil sie endlich etwas ändern möchte. In der Umweltpolitik. Im Einsatz für Kinder und Jugendliche. Von dem Börsenmakler, der sich abwendet von Papieren, deren Wertsteigerung auf unseriösen Geschäftspraktiken beruht.
Wer heute Unrecht offenlegt, lebt gefährlich. Da reicht schon der Blick auf Edward Snowden. Das ist der Mann, der die Spitzelgewohnheiten der Geheimdienste ins Rampenlicht gestellt hat. Ich will ihn gar nicht in allem in Schutz nehmen. Dazu kenne ich viel zu wenig an Hintergründen. Aber er hat etwas öffentlich gemacht, das uns eigentlich den Schlaf rauben müsste. Den Versuch, der kompletten Überwachung.
Wer mir nachfolgen will, der oder die prüfe, ob die Kräfte ausreichen, sagt Jesus. Verzicht auf Besitz. Verzicht auf Seilschaften. Verzicht auf Gefälligkeiten.
Wer so lebt, läuft Gefahr, zum Gespött der Leute zu werden. Wer so lebt, kann alles verlieren. Oder eben alles gewinnen. Weil der Verzicht auf all das, was uns so leicht in Beschlag nimmt, uns nicht ins Bodenlose stürzen lässt. Sondern in eine neue Unabhängigkeit. Und in eine neue Gebundenheit an die Maßstäbe der Gottesherrschaft. Maßstäbe, die am Ende auch die Kriterien der Wirtschaft aushebeln. Weil sich am Ende nichts mehr rechnen muss. Weil Gottes Gerechtigkeit uns gratis zukommt. Umsonst. Und ohne Gegenleistung.
Ihre Vorväter und Vormütter haben sich’s zugetraut, als sie diese Kirche getraut haben. Und sie können sich’s auch zutrauen. Und sich auf den Weg der Nachfolge machen. Ruhig mit Vater und Mutter, mit Kind und Kegel. Aber vor allem mit Gottvertrauen. Mehr braucht’s nicht, um Teil zu haben an Gottes Fülle. Mehr braucht’s nicht, um diesem Jesus nachzufolgen. Das ist schon mehr als genug. Amen.