PREDIGT
ÜBER DIE DRITTE KANTATE DES WEIHNACHTSORATORIUMS VON J.S. BACH
IM GOTTESDIENST AM 26. DEZEMBER 2015 (ZWEITER WEIHNACHTSTAG)
IN DER STADTKIRCHE IN SCHWETZINGEN
26.12.2015
Liebe Weihnachts-Gemeinde!
Festlich und mächtig ist sie verklungen, diese dritte Kantate aus dem Weihnachtsoratorium von Johann-Sebastian Bach. Sie kommt keinesfalls bescheiden daher. Eher wie eine stolze weihnachtliche Hymne. Der Schlusschor mit dem vorpreschenden Tenor und den Auf- und Abwärtsbewegungen in den Frauenstimmen lässt heute noch einmal weihnachtliche Pracht zur Entfaltung kommen. Mit dieser Hymne wurde die Kantate ja auch schon eingeleitet. Mit ihr wurde auch dieser heutige Gottesdienst eröffnet. Es ist der große Jubel, der sich wie eine Klammer um unser weihnachtliches Feiern legt.
Schon die ersten Zeilen des Textes beschreiben auf ganz eindrückliche Art das Grundthema der Kantate – und von Weihnachten überhaupt. Mächtig und eindrücklich wendet sich der Chor an Gott selber. An den Herrscher des Himmels. Und beschreibt dieses Ansinnen schon im nächstem Satz als ein „Lallen“. Spricht vopn „matten Gesängen“.
Ist das Understatement? Schwingt da noch die Vorlage durch, die dem Lob der sächsischen Königin gewidmet war? Oder ist es das Eingeständnis des unendlich großen Abstands zwischen Gott und Mensch?
Für mich verbirgt sich hinter diesem Widerspruch einfach das Geheimnis der Weihnacht selber. Weihnachten ist eben ein Fest des Widerspruchs. Da treffen verschiedenen Welten aufeinander. Oder noch besser, weihnachtlicher gesagt: Da sind die Welt Gottes und die Wirklichkeit von uns Menschen unentwirrbar ineinander verwoben. Mehr noch: Sie gehen ineinander auf. Unterscheiden sich nur durch die Perspektive, die ich auf sie richte.
Und mit dem weihnachtlich ausgerichteten Blick sehr ich plötzlich etwas ganz anderes, als es beim normalen Hinschauen den Anschein hat. Da wird ein Kind geboren, wie täglich durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch, abertausendmal – und unter dem weihnachtlich ausgerichteten Blick erfahre ich mit einem Mal: Gott sucht die Nähe des Menschen. Gibt sich hinein in unsere Welt. Macht sich greifbar und angreifbar. Alles, was ist, ist eben viel mehr als es scheint!
Da fehlen auch uns oft die Worte, um diese Erfahrung zur Sprache zu bringen. Und anstatt mühsam zu stammeln, nach Worten zu ringen, zu lallen, wie es im Eingangs- und Schlusschor heißt, ist da plötzlich unbändiger Jubel zu vernehmen. Keine Spur von matten Gesängen.
Den Hirten geht es nicht anders! Sie gehen ihrem Tagwerk nach. Bringen die Schafe abends in der Sicherheit der geschützten Weide unter, bei den Hürden, wie s im weihnachtlichen Evangelium heißt – doch ihre Mattigkeit nach getaner Arbeit wandelt sich mit einem Mal in Aufbruchsstimmung! Die Engel reißen sie heraus aus ihrem abendlichen Atemholen. Der Abend wir plötzlich zum Feier- Abend!
Haben sie die Musik noch in Erinnerung? Fast atemlos jagen die Achtel- und Sechszehntelnoten auf und ab. Wie die Hirten, die von den wuselnden Schäfchen umtanzt sind. Da wird ins Notenbild gesetzt, was wir aus den vertrauten Worten des Evangelisten Lukas bestens kennen!
➢ 25. / 26. Evangelium und Chor: Lasset uns nun gehen
Die weihnachtlichen Verwandlungen gehen weiter! Ein Stall mit einer Krippe wird zum weihnachtlichen Dreh- und Angelpunkt. Bethlehem, mit 30.00 Einwohner kaum größer als Schwetzingen, wird hier zum Mittelpunkt der Welt. Alles, was ist, ist eben mehr als es ist. Nirgends bewahrheitet sich dieser Satz klarer als an Weihnachten. Das gilt auch für diese dritte Kantate aus dem Weihnachtsoratorium von Johan-Sebastian-Bach.
Was hier musiziert und gesungen wird, ist eigentlich nichts anderes als eine Liebesgeschichte. Gott macht sich klein, damit wir Menschen zu unserer wahren Größe finden. Und diese Liebe dann auch erwidern.
Die Liebe ist vermutlich der Grund dafür, dass dieser Satz zutrifft: Alles, was ist, ist viel mehr als es ist! Es ist kein Zufall, dass hier die Liebe der Schlüssel zu diesem weihnachtlichen Perspektivwechsel darstellt.
Eine ganze Arie widmet sich eigens diesem Thema. Hören sie doch noch einmal genauer hin.
➢ 29. – mit ursprünglichem Text
Kein Zweifel, diese Melodie haben sie vorhin in der Kantate tatsächlich gehört. Vom Küssen war da aber doch nicht die Rede. Geküsst wird in der Weihnachtsgeschichte viel zu wenig. Hoffentlich hat wenigstens Maria ihr Kind geküsst. Und manchmal auch den Joseph. Bach hat gespürt: Hier könnte er etwas nachhelfen. Ohne dass viele Menschen daran Anstoß nehmen könnten.
Also hat er die Musik eines Liebesliedes aus einer seiner vielen anderen, dieses Mal einer weltlichen Kantate übernommen: Herkules auf dem Scheidewege. Und viele werden damals die Melodie erkannt haben. Jetzt geht’s um die Liebe. Symbolisch zur Darstellung gebracht mittels zweier Oboen. Aber Bach hat den Text ersetzt. Und plötzlich sind’s die Menschen, die Gott gegenüber ihre Liebe bekunden. Ein Schelm, der Arges dabei denkt!
Die Liebe – sie ist der Schlüssel, um diesen weihnachtlichen Perspektivwechsel zu begreifen. Nachdem dies nun auch musikalisch klargestellt ist, kommt der Evangelist zum Zug. Und sein Bericht, wie es für die Hirten Weihnachten wird. Worte aus der weltbekannten Version des Weihnachtsevangeliums aus Lukas 2.
Die Hirten, die kommen. Und finden. Da, wo eigentlich mit nichts zu rechnen war.
Die Hirten, die sehen und reden. Und erzählen. Und die so zu den ersten Pastoren der Kirche gehören – noch ehe es so etwas wie die Kirche überhaupt gibt.
Und dann auch: Die Hirten, die dafür sorgen, dass die, die ihnen zuhören, sich wundern. So soll’s mit einer Predigt sein. Da erzählt einer, was er gesehen und gehört hat. Oder es erzählt auch eine. Und die, die zuhören, reiben sich verwundert die Augen.
Nicht weil es so abstrus ist, was sie da hören. Sondern weil es ihnen die Augen öffnet. Weil es die weihnachtliche Verwandlung des Alltäglich ermöglicht. Alles, was ist, ist viel mehr als es ist. Wenn ich diese Wahrheit auf mein Leben anwende, dann wird es wirklich Weihnachten. Wenn ich in der kleinen Geste der Freundlichkeit Gottes Zuwendung entdecken kann. Wenn ich in der Pause der weihnachtlichen Feiertage die Unterbrechung böser Lebenszusammenhänge wahrnehme. Wenn irdische Musik mit einem Mal nach Himmel schmeckt.
Dies möchte ich den Hirten doch nur gerne nachmachen. In diesem Sinne könnten doch auch sie Pastorin sein oder und Pastor! Und die Menschen zum Staunen bringen. Und zum Sich-Wundern.
So wie die Violine am Beginn der letzten Arie der Kantate – der einzigen Arie übrigens, die Bach für das Weihnachtsoratorium neu geschrieben hat. Was für eine innige und Herzen verwandelnde Musik! Wie die Violine da das Wunder der Weihnacht umspielt und umtanzt. Noch ehe die menschliche Stimme erklingt, bringt sie mich dazu, mich zu wundern. Und auf das zu Warten, was dann mit der Altstimme zu hören sein wird.
➢ 31. Violinen-Hinführung am Beginn der Arie
Schließe, mein Herze, dies selige Wunder
fest in deinem Glauben ein.
Weihnachten festhalten – auch dann, wenn es schon längst nicht mehr Weihnachten ist. Oder zu spüren, dass Weihnachten nie aufhört. Das ist die Botschaft des dritten Weihnachtstages, an dem die Kantate ihren ursprünglichen Ort hat. Und dem dann im Weihnachtsoratorium noch drei weiter Feiertage mit weihnachtlichen Kantaten folgen.
Als dies macht nur Sinn, weil ich weiß: Alles, was ist, ist viel mehr als es ist. Diese weihnachtliche Einsicht bringt Leben in Bewegung - wie bei Maria.
„Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sich in ihrem Herzen.“ Dieser Satz fehlt noch in der kleinen Predigtlehre der ersten Pastoren, der Hirten. Die Leute merken sich, was sie gehört haben. Sie merken es sich nicht nur. Sie kauen daran. Wie an gutem Schwarzbrot. Deshalb gibt es an Weihnachten keine Sahnetorte. Dafür aber Apfelbrot und Nussplätzchen – alles Köstlichkeiten, an denen wir etwa zu kauen haben.
Der zweite Satz betrifft die Hirten selber. Am Ende sind sie nicht mehr die gleichen wie vorher. „Die Hirten kehrten wieder um“, heißt es da. Aber das ist noch nicht alles. Ihr Leben geht weiter. Aber unter veränderten Vorzeichen. „Sie priesen und lobten Gott“ heißt es da. Ein Leben als Gotteslob. Das ist keine Aufforderung die Kirche nicht mehr zu verlassen. Das ist nicht die Aufforderung zum ewigen Halleluja-Singen.
Leben als Gotteslob – das heißt so leben, dass Gott seine Freude an uns haben kann. Die Stimmer erheben für die, die keine Stimme mehr haben. Obdach geben für die, die ihre eigene Heimat haben verlassen müssen. In Gerechtigkeit eintreten für die, denen das, was sie haben, nicht zum Leben reicht. Anders gesagt: Ein Mitmensch sein für die, die nicht mehr brauchen, als eben einen Mensch auf Augenhöhe, der es gut mit ihnen meint.
Alles, was ist, ist viel mehr, als es ist! Für das Kind in der Krippe gilt das. Für den lallenden Chor derer, die sich mit einem Mal Gott gegenüber sehen. Für jeden Tag des Jahres, an dem manchmal schon der weihnachtliche Blick ausreicht, um alles ins Licht der Engel getaucht zu sehen. Mein Leben, Unser alle Leben. Weihnachten eben. Jeden Tag neu. Jeden Tag anders. Amen.
Festlich und mächtig ist sie verklungen, diese dritte Kantate aus dem Weihnachtsoratorium von Johann-Sebastian Bach. Sie kommt keinesfalls bescheiden daher. Eher wie eine stolze weihnachtliche Hymne. Der Schlusschor mit dem vorpreschenden Tenor und den Auf- und Abwärtsbewegungen in den Frauenstimmen lässt heute noch einmal weihnachtliche Pracht zur Entfaltung kommen. Mit dieser Hymne wurde die Kantate ja auch schon eingeleitet. Mit ihr wurde auch dieser heutige Gottesdienst eröffnet. Es ist der große Jubel, der sich wie eine Klammer um unser weihnachtliches Feiern legt.
Schon die ersten Zeilen des Textes beschreiben auf ganz eindrückliche Art das Grundthema der Kantate – und von Weihnachten überhaupt. Mächtig und eindrücklich wendet sich der Chor an Gott selber. An den Herrscher des Himmels. Und beschreibt dieses Ansinnen schon im nächstem Satz als ein „Lallen“. Spricht vopn „matten Gesängen“.
Ist das Understatement? Schwingt da noch die Vorlage durch, die dem Lob der sächsischen Königin gewidmet war? Oder ist es das Eingeständnis des unendlich großen Abstands zwischen Gott und Mensch?
Für mich verbirgt sich hinter diesem Widerspruch einfach das Geheimnis der Weihnacht selber. Weihnachten ist eben ein Fest des Widerspruchs. Da treffen verschiedenen Welten aufeinander. Oder noch besser, weihnachtlicher gesagt: Da sind die Welt Gottes und die Wirklichkeit von uns Menschen unentwirrbar ineinander verwoben. Mehr noch: Sie gehen ineinander auf. Unterscheiden sich nur durch die Perspektive, die ich auf sie richte.
Und mit dem weihnachtlich ausgerichteten Blick sehr ich plötzlich etwas ganz anderes, als es beim normalen Hinschauen den Anschein hat. Da wird ein Kind geboren, wie täglich durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch, abertausendmal – und unter dem weihnachtlich ausgerichteten Blick erfahre ich mit einem Mal: Gott sucht die Nähe des Menschen. Gibt sich hinein in unsere Welt. Macht sich greifbar und angreifbar. Alles, was ist, ist eben viel mehr als es scheint!
Da fehlen auch uns oft die Worte, um diese Erfahrung zur Sprache zu bringen. Und anstatt mühsam zu stammeln, nach Worten zu ringen, zu lallen, wie es im Eingangs- und Schlusschor heißt, ist da plötzlich unbändiger Jubel zu vernehmen. Keine Spur von matten Gesängen.
Den Hirten geht es nicht anders! Sie gehen ihrem Tagwerk nach. Bringen die Schafe abends in der Sicherheit der geschützten Weide unter, bei den Hürden, wie s im weihnachtlichen Evangelium heißt – doch ihre Mattigkeit nach getaner Arbeit wandelt sich mit einem Mal in Aufbruchsstimmung! Die Engel reißen sie heraus aus ihrem abendlichen Atemholen. Der Abend wir plötzlich zum Feier- Abend!
Haben sie die Musik noch in Erinnerung? Fast atemlos jagen die Achtel- und Sechszehntelnoten auf und ab. Wie die Hirten, die von den wuselnden Schäfchen umtanzt sind. Da wird ins Notenbild gesetzt, was wir aus den vertrauten Worten des Evangelisten Lukas bestens kennen!
➢ 25. / 26. Evangelium und Chor: Lasset uns nun gehen
Die weihnachtlichen Verwandlungen gehen weiter! Ein Stall mit einer Krippe wird zum weihnachtlichen Dreh- und Angelpunkt. Bethlehem, mit 30.00 Einwohner kaum größer als Schwetzingen, wird hier zum Mittelpunkt der Welt. Alles, was ist, ist eben mehr als es ist. Nirgends bewahrheitet sich dieser Satz klarer als an Weihnachten. Das gilt auch für diese dritte Kantate aus dem Weihnachtsoratorium von Johan-Sebastian-Bach.
Was hier musiziert und gesungen wird, ist eigentlich nichts anderes als eine Liebesgeschichte. Gott macht sich klein, damit wir Menschen zu unserer wahren Größe finden. Und diese Liebe dann auch erwidern.
Die Liebe ist vermutlich der Grund dafür, dass dieser Satz zutrifft: Alles, was ist, ist viel mehr als es ist! Es ist kein Zufall, dass hier die Liebe der Schlüssel zu diesem weihnachtlichen Perspektivwechsel darstellt.
Eine ganze Arie widmet sich eigens diesem Thema. Hören sie doch noch einmal genauer hin.
➢ 29. – mit ursprünglichem Text
Kein Zweifel, diese Melodie haben sie vorhin in der Kantate tatsächlich gehört. Vom Küssen war da aber doch nicht die Rede. Geküsst wird in der Weihnachtsgeschichte viel zu wenig. Hoffentlich hat wenigstens Maria ihr Kind geküsst. Und manchmal auch den Joseph. Bach hat gespürt: Hier könnte er etwas nachhelfen. Ohne dass viele Menschen daran Anstoß nehmen könnten.
Also hat er die Musik eines Liebesliedes aus einer seiner vielen anderen, dieses Mal einer weltlichen Kantate übernommen: Herkules auf dem Scheidewege. Und viele werden damals die Melodie erkannt haben. Jetzt geht’s um die Liebe. Symbolisch zur Darstellung gebracht mittels zweier Oboen. Aber Bach hat den Text ersetzt. Und plötzlich sind’s die Menschen, die Gott gegenüber ihre Liebe bekunden. Ein Schelm, der Arges dabei denkt!
Die Liebe – sie ist der Schlüssel, um diesen weihnachtlichen Perspektivwechsel zu begreifen. Nachdem dies nun auch musikalisch klargestellt ist, kommt der Evangelist zum Zug. Und sein Bericht, wie es für die Hirten Weihnachten wird. Worte aus der weltbekannten Version des Weihnachtsevangeliums aus Lukas 2.
Die Hirten, die kommen. Und finden. Da, wo eigentlich mit nichts zu rechnen war.
Die Hirten, die sehen und reden. Und erzählen. Und die so zu den ersten Pastoren der Kirche gehören – noch ehe es so etwas wie die Kirche überhaupt gibt.
Und dann auch: Die Hirten, die dafür sorgen, dass die, die ihnen zuhören, sich wundern. So soll’s mit einer Predigt sein. Da erzählt einer, was er gesehen und gehört hat. Oder es erzählt auch eine. Und die, die zuhören, reiben sich verwundert die Augen.
Nicht weil es so abstrus ist, was sie da hören. Sondern weil es ihnen die Augen öffnet. Weil es die weihnachtliche Verwandlung des Alltäglich ermöglicht. Alles, was ist, ist viel mehr als es ist. Wenn ich diese Wahrheit auf mein Leben anwende, dann wird es wirklich Weihnachten. Wenn ich in der kleinen Geste der Freundlichkeit Gottes Zuwendung entdecken kann. Wenn ich in der Pause der weihnachtlichen Feiertage die Unterbrechung böser Lebenszusammenhänge wahrnehme. Wenn irdische Musik mit einem Mal nach Himmel schmeckt.
Dies möchte ich den Hirten doch nur gerne nachmachen. In diesem Sinne könnten doch auch sie Pastorin sein oder und Pastor! Und die Menschen zum Staunen bringen. Und zum Sich-Wundern.
So wie die Violine am Beginn der letzten Arie der Kantate – der einzigen Arie übrigens, die Bach für das Weihnachtsoratorium neu geschrieben hat. Was für eine innige und Herzen verwandelnde Musik! Wie die Violine da das Wunder der Weihnacht umspielt und umtanzt. Noch ehe die menschliche Stimme erklingt, bringt sie mich dazu, mich zu wundern. Und auf das zu Warten, was dann mit der Altstimme zu hören sein wird.
➢ 31. Violinen-Hinführung am Beginn der Arie
Schließe, mein Herze, dies selige Wunder
fest in deinem Glauben ein.
Weihnachten festhalten – auch dann, wenn es schon längst nicht mehr Weihnachten ist. Oder zu spüren, dass Weihnachten nie aufhört. Das ist die Botschaft des dritten Weihnachtstages, an dem die Kantate ihren ursprünglichen Ort hat. Und dem dann im Weihnachtsoratorium noch drei weiter Feiertage mit weihnachtlichen Kantaten folgen.
Als dies macht nur Sinn, weil ich weiß: Alles, was ist, ist viel mehr als es ist. Diese weihnachtliche Einsicht bringt Leben in Bewegung - wie bei Maria.
„Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sich in ihrem Herzen.“ Dieser Satz fehlt noch in der kleinen Predigtlehre der ersten Pastoren, der Hirten. Die Leute merken sich, was sie gehört haben. Sie merken es sich nicht nur. Sie kauen daran. Wie an gutem Schwarzbrot. Deshalb gibt es an Weihnachten keine Sahnetorte. Dafür aber Apfelbrot und Nussplätzchen – alles Köstlichkeiten, an denen wir etwa zu kauen haben.
Der zweite Satz betrifft die Hirten selber. Am Ende sind sie nicht mehr die gleichen wie vorher. „Die Hirten kehrten wieder um“, heißt es da. Aber das ist noch nicht alles. Ihr Leben geht weiter. Aber unter veränderten Vorzeichen. „Sie priesen und lobten Gott“ heißt es da. Ein Leben als Gotteslob. Das ist keine Aufforderung die Kirche nicht mehr zu verlassen. Das ist nicht die Aufforderung zum ewigen Halleluja-Singen.
Leben als Gotteslob – das heißt so leben, dass Gott seine Freude an uns haben kann. Die Stimmer erheben für die, die keine Stimme mehr haben. Obdach geben für die, die ihre eigene Heimat haben verlassen müssen. In Gerechtigkeit eintreten für die, denen das, was sie haben, nicht zum Leben reicht. Anders gesagt: Ein Mitmensch sein für die, die nicht mehr brauchen, als eben einen Mensch auf Augenhöhe, der es gut mit ihnen meint.
Alles, was ist, ist viel mehr, als es ist! Für das Kind in der Krippe gilt das. Für den lallenden Chor derer, die sich mit einem Mal Gott gegenüber sehen. Für jeden Tag des Jahres, an dem manchmal schon der weihnachtliche Blick ausreicht, um alles ins Licht der Engel getaucht zu sehen. Mein Leben, Unser alle Leben. Weihnachten eben. Jeden Tag neu. Jeden Tag anders. Amen.