PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 1,11-17
IM GOTTESDIENST
ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DER BEZIRKSSYNODE ADELSHEIM-BOXBERG MIT DEKANSWAHL
AM SAMSTAG, DEN 16. APRIL 2016 IN HIRSCHLANDEN
16.04.2016
Liebe Gemeinde!
Von Hirschlanden nach Paris sind es 655 Kilometer. Mehr als sechs Stunden mit dem Auto. Hirschlanden und Paris. Das sind schon zwei Welten, die ich mir gegensätzlicher nicht vorstellen kann. Dort die Weltmetropole mit Einwohnern, die nach Millionen zählen. Mit ihrem pulsierenden Leben. Hier Hirschlanden mit – wenn Wikipedia recht hat – etwas mehr als 400 Einwohnern. Und um die 2000 Einwohner in der ganzen Kommune.
Paris und Hirschlanden – was für ein Vergleich, so scheint es. Trotzdem Paris und Hirschlanden liegen näher zusammen als es den Anschein hat. Wie meine ich das?
Seit gut zwei Wochen wird in Paris die Nacht zum Tag. Nicht in den Nachtclubs. Sondern auf dem Platz der Republik. Mehr als tausend Menschen treffen sich inzwischen jede Nacht zu Füßen des Marianne-Denkmals. Und wenn die Polizei sie vertreibt kommen sie am Tag darauf wieder.
Sie debattieren über Aktuelles in einer Generalversammlung, vor die jeder treten kann. Sie sprechen von einem Land ohne Parteien und Konzerne. Sie träumen von einer Welt ohne Hass und Gewalt. Und ohne Kriege. Nuit debout – frei übersetzt: Die „Aufrechten der Nacht“ – so nennen sie sich. Und sie sind selber erstaunt, wie sie immer mehr werden, obwohl niemand diese Treffen initiiert hat und sie steuert.
Nicht durch konkrete politische Ziele sind sie verbunden. Sondern durch die gemeinsame Erfahrung, nicht mehr dazuzugehören. Irgendwie ausgeschlossen zu sein. Opfer eines großen Spaltungsprozesses in der Gesellschaft. Die Werte des immer mehr, die großen Ziele Gewinn und Erfolg – sie sind ihnen fremd. Die Grafikstudentin Chloé, so konnte ich es in den Medien sehen und lesen - sie bringt ihre Absichten mit einem bemerkenswerten Satz zum Ausdruck. Auf ihrem Plakat stand am vergangen Samstag zu lesen: Ich will nicht mein Leben verlieren, indem ich zu den Gewinnern zähle.
Chloé, die junge Frau, bringt die Botschaft der Spaltung auf den Punkt. Die Gewinner sind ihr verdächtig. Auf der Seite der Erfolgreichen zu stehen, darauf will sie ihr Leben nicht gründen.
Chloe – die Botschafterin der Spaltung. Davon berichtet auch die Bibel im heutigen Abschnitt der ökumenischen Tageslese. Seit gestern aus dem 1. Korintherbrief. Dort lesen wir im ersten Kapitel in den Versen 10-17:
Es ist mir bekannt geworden über euch durch die Leute der Chloë, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der Dritte: Ich zu Kephas, der Vierte: Ich zu Christus. Wie? Ist Christus etwa zerteilt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft? Ich danke Gott, dass ich niemanden unter euch getauft habe außer Krispus und Gajus, damit nicht jemand sagen kann, ihr wäret auf meinen Namen getauft. Ich habe aber auch Stephanas und sein Haus getauft; sonst weiß ich nicht, ob ich noch jemanden getauft habe. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen – nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zunichte werde.
Chloe aus Korinth grüßt Chloé aus Paris. Die Botschafterinnen der Spaltungen legen den Finger in die Wunde. Und plötzlich liegen Paris, Korinth und Hirschlanden ganz nah beieinander.
Spaltungen in der Gemeinde – nur: Hier gibt’s die doch nicht. Ein ländlich geprägter Kirchenbezirk, in dem muss die Welt doch noch einigermaßen in Ordnung sein! Oder?
Jetzt spätestens lohnt sich der Blick auf das, was wir von Chloe aus Korinth erfahren. Oder genauer gesagt: Was Paulus von den Leuten der Cloe erfahren hat. Eine starke Frau muss sie gewesen sein, diese Chloe. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Anerkennung für Frauen keine Selbstverständlichkeit ist, hat sie Leute, die für sie arbeiten. Eine frühchristliche Unternehmerin, deren soziales Gewissen gut funktioniert. Und das auf ihre Leute abfärbt. Eine Frau, die durchaus irgendwie auch zu den Erfolgreichen gehört, die damit aber nicht zufrieden ist.
Oben und unten, dazugehörig oder nicht, reich und arm. Das spaltet die Gemeinde. Untergemeinden entstehen, Teilgemeinden, die ihren besonderen Status auf den zurückführen, der sie getauft hat. Paulus, Apollos, Petrus – Promi-Sehnsucht und Promi-Kult schon in den Anfängen der Christenheit. Der Prominenten-Status des Täufers ist wichtiger als die Zugehörigkeit zum einen Leib Christi.
Aber die Gemeinden sind auch sozial unterschiedlich zusammengesetzt. Hinter den Namen verbergen sich unterschiedliche Möglichkeiten der Beteiligung an der Macht. „So soll es unter euch nicht sein!“ Jesus sagt das. Nicht ich.
Die Leute der Chloe gehören zu den ärmeren. Zu den Machtlosen. Sie rebellieren gegen diese Struktur. So soll es unter ihnen nicht sein. Und sie appellieren an Paulus. Und an das, was sie bei ihm gelernt haben. Und was sie immer wieder von ihm hören: Nicht Jude, nicht Grieche, nicht Sklave nicht Freier. Nicht Mann, nicht Frau. „Lieber Paulus! Wir wollen unser Leben nicht schon wieder verlieren. Indem wir zu den Gewinnern und den Mächtigen gehören. Wir wollen, dass das endlich aufhört. Wir wollen das Leben gewinnen!
Die Chloe von Paris. Und die Chloe in Korinth - so fremd sind sie sich am Ende gar nicht. Die Chloe von Hirschlanden – sie hat vielleicht einfach nur einen anderen Namen.
Hirschlanden. Der Kirchenbezirk Adelsheim-Boxberg. Die evangelische Landeskirche in Baden. Sie alle sind gefeit vor Spaltungen?! Nein, die Täufer sind’s bei uns nicht. Viele wissen gar nicht mehr, wer sie überhaupt getauft hat. Aber vor Spaltungen sind auch wir nicht gefeit. In der Kirche. Und in der Gesellschaft.
Spaltungen in der Landeskirche zwischen Landregionen und Städten. Zwischen den Bezirken weit weg und denen im Zentrum. Ehrlich gesagt, das sind wahrhaftig nicht die schlimmsten Spaltungen, die ich mir vorstellen kann. Aber manchmal mögen einige das dennoch so empfinden. Wirklich Spaltungen - oder nicht doch eher subjektive Empfindungen!
Spaltungen zwischen unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen. Auch zwischen den Ideen, wie wir als Kirche auf die Fülle der Veränderungsnotwendigkeiten reagieren sollen. Wirklich Spaltungen – oder nicht eher doch strukturelle Herausforderungen!
Spaltungen zwischen Menschen, die hier wohnen seit Generationen. Und Flüchtlingen, die hier für’s erste Unterschlupf gefunden haben. Wie viel tragen Menschen auch hier dazu bei, dass die Spaltungen nicht überhand nehmen! Auch der Kirchenbezirk mit seiner Diakonenstelle. Wirklich Spaltungen – oder nicht eher globale Probleme, die auch auch vor uns nicht halt machen.
Und schon droht deshalb die nächste Spaltung. Menschen, die auf vernünftige Konzepte setzen. Und Menschen, die die Tore einfach zumachen wollen. Und lieber auf scheinbar einfache Lösungen setzen. Und auf Zäune und Mauern. Auseinandersetzungen in der Politik und auch in unseren Gemeinden um die Rolle der AfD. Anfang März haben wir beim Männervesper in Walldürn sehr offen darüber gesprochen. Auch über die Gefahr von Spaltungen. Sind das wirklich schon Spaltungen Oder im Moment doch eher noch die Folgen ungelöster Probleme und überhörter Hilferufe.
Spaltungen durch den Umgang von uns als Kirche mit Menschen, die ihre gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft haben eintragen lassen. Und sich dann auch um den Segen Gottes in der Kirche wünschen. Die Landessynode wird sich kommende Woche damit beschäftigen. Wirklich Spaltungen – oder doch eher veränderte Einsichten aufgrund vertieften theologischen Nachdenkens und intensiven Bibellesens.
Was würden die Leute der Chloe aus Hirschlanden und Karlsruhe dem Paulus heute berichten? Chloe aus Paris will lieber ihr Leben gewinnen anstatt zu den zu gehören, die immer nur obenauf sein wollen. „Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s gewinnen!“ Sie erinnern sich sicher an diesen Satz von Jesus von Nazareth.
Von ihm können wir auch lernen, wo der angemessene Platz der Kirche ist. Bei denen, die durch Spaltungen gleich welcher Art aussortiert werde. Bei denen am Rande. Bei den Habenichtsen. Bei denen, die uns nerven, weil sie es nicht leicht machen, weil sie es auch nicht leicht haben.
Eigentlich müsste auch uns vieles nicht schlafen lassen. Dann wäre es allemal das Wagnis wert, auch bei uns zu den Aufrechten der Nacht zu gehören. Auch hier in Hirschlanden. Aber Schlaflosigkeit allein hilft auch nicht weiter.
Wer hält denn alles noch zusammen, was da auseinander zu bersten droht. Noch einmal Paulus: Ist Christus denn etwa zerteilt? Hat Christus Spaltungen initiiert? Oder Brücken gebaut? Ja, Scheidungen, Entscheidungen hat er in Kauf genommen. Aber um der Menschen willen. Nicht um Recht zu behalten. Oder um eigene Interessen durchzusetzen. Christus hat mich gesandt, das Evangelium zu predigen! fährt Paulus fort. Zu predigen mit dem ausdrücklichen Ziel, Spaltungen zu überwinden. Und dem Zusammenhalt und der Einheit zu dienen.
In einem Kirchenbezirk ist das die höchste und vornehmste Aufgabe eines Dekans oder einer Dekanin. Die Vielfalt zusammenzuhalten. Mögliche Spaltungen zu verhindern oder zu überwinden. Und ein Ohr zu haben für die Leute der Chloe. Und ihre Schwestern und Brüder, die uns berichten, wie es in Kirchen und Welt wirklich aussieht.
Ich glaube, sie wissen alle selber, welch große und schwierige Aufgabe das mitunter ist. Und ohne die Unterstützung von Chloe und ihren Leuten ist das kaum zu schaffen. Damals nicht in Korinth. Und heute nicht im Kirchenbezirk Adelsheim-Boxberg.
Im Kirchengemeinderat lassen sie sich finden und in der Synoden. Im Bezirkskirchenrat und im Pfarrkonvent. Die Leute der Chloe haben ein waches Gewissen. Sie legen ihre Finger in die Wunden und finden sich nicht einfach ab mit der großen Spaltung von oben und unten, von arm und reich. Auch nicht mir der von gläubig und ungläubig.
Auf diese Leute sollten wir hören. Dem Evangelium sollten wir Gehör verschaffen. Und dem vertrauen, der am Ende alles zusammenbringt. Weil er will, dass wir das Leben gewinnen. In Paris. In Hirschlanden. Und an all den Orten, die am Ende gar nicht so weit auseinanderliegen. Weil der Glaube an diesen Christus sie verbindet. Amen.
Von Hirschlanden nach Paris sind es 655 Kilometer. Mehr als sechs Stunden mit dem Auto. Hirschlanden und Paris. Das sind schon zwei Welten, die ich mir gegensätzlicher nicht vorstellen kann. Dort die Weltmetropole mit Einwohnern, die nach Millionen zählen. Mit ihrem pulsierenden Leben. Hier Hirschlanden mit – wenn Wikipedia recht hat – etwas mehr als 400 Einwohnern. Und um die 2000 Einwohner in der ganzen Kommune.
Paris und Hirschlanden – was für ein Vergleich, so scheint es. Trotzdem Paris und Hirschlanden liegen näher zusammen als es den Anschein hat. Wie meine ich das?
Seit gut zwei Wochen wird in Paris die Nacht zum Tag. Nicht in den Nachtclubs. Sondern auf dem Platz der Republik. Mehr als tausend Menschen treffen sich inzwischen jede Nacht zu Füßen des Marianne-Denkmals. Und wenn die Polizei sie vertreibt kommen sie am Tag darauf wieder.
Sie debattieren über Aktuelles in einer Generalversammlung, vor die jeder treten kann. Sie sprechen von einem Land ohne Parteien und Konzerne. Sie träumen von einer Welt ohne Hass und Gewalt. Und ohne Kriege. Nuit debout – frei übersetzt: Die „Aufrechten der Nacht“ – so nennen sie sich. Und sie sind selber erstaunt, wie sie immer mehr werden, obwohl niemand diese Treffen initiiert hat und sie steuert.
Nicht durch konkrete politische Ziele sind sie verbunden. Sondern durch die gemeinsame Erfahrung, nicht mehr dazuzugehören. Irgendwie ausgeschlossen zu sein. Opfer eines großen Spaltungsprozesses in der Gesellschaft. Die Werte des immer mehr, die großen Ziele Gewinn und Erfolg – sie sind ihnen fremd. Die Grafikstudentin Chloé, so konnte ich es in den Medien sehen und lesen - sie bringt ihre Absichten mit einem bemerkenswerten Satz zum Ausdruck. Auf ihrem Plakat stand am vergangen Samstag zu lesen: Ich will nicht mein Leben verlieren, indem ich zu den Gewinnern zähle.
Chloé, die junge Frau, bringt die Botschaft der Spaltung auf den Punkt. Die Gewinner sind ihr verdächtig. Auf der Seite der Erfolgreichen zu stehen, darauf will sie ihr Leben nicht gründen.
Chloe – die Botschafterin der Spaltung. Davon berichtet auch die Bibel im heutigen Abschnitt der ökumenischen Tageslese. Seit gestern aus dem 1. Korintherbrief. Dort lesen wir im ersten Kapitel in den Versen 10-17:
Es ist mir bekannt geworden über euch durch die Leute der Chloë, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: Ich zu Apollos, der Dritte: Ich zu Kephas, der Vierte: Ich zu Christus. Wie? Ist Christus etwa zerteilt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt? Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft? Ich danke Gott, dass ich niemanden unter euch getauft habe außer Krispus und Gajus, damit nicht jemand sagen kann, ihr wäret auf meinen Namen getauft. Ich habe aber auch Stephanas und sein Haus getauft; sonst weiß ich nicht, ob ich noch jemanden getauft habe. Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu predigen – nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi zunichte werde.
Chloe aus Korinth grüßt Chloé aus Paris. Die Botschafterinnen der Spaltungen legen den Finger in die Wunde. Und plötzlich liegen Paris, Korinth und Hirschlanden ganz nah beieinander.
Spaltungen in der Gemeinde – nur: Hier gibt’s die doch nicht. Ein ländlich geprägter Kirchenbezirk, in dem muss die Welt doch noch einigermaßen in Ordnung sein! Oder?
Jetzt spätestens lohnt sich der Blick auf das, was wir von Chloe aus Korinth erfahren. Oder genauer gesagt: Was Paulus von den Leuten der Cloe erfahren hat. Eine starke Frau muss sie gewesen sein, diese Chloe. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Anerkennung für Frauen keine Selbstverständlichkeit ist, hat sie Leute, die für sie arbeiten. Eine frühchristliche Unternehmerin, deren soziales Gewissen gut funktioniert. Und das auf ihre Leute abfärbt. Eine Frau, die durchaus irgendwie auch zu den Erfolgreichen gehört, die damit aber nicht zufrieden ist.
Oben und unten, dazugehörig oder nicht, reich und arm. Das spaltet die Gemeinde. Untergemeinden entstehen, Teilgemeinden, die ihren besonderen Status auf den zurückführen, der sie getauft hat. Paulus, Apollos, Petrus – Promi-Sehnsucht und Promi-Kult schon in den Anfängen der Christenheit. Der Prominenten-Status des Täufers ist wichtiger als die Zugehörigkeit zum einen Leib Christi.
Aber die Gemeinden sind auch sozial unterschiedlich zusammengesetzt. Hinter den Namen verbergen sich unterschiedliche Möglichkeiten der Beteiligung an der Macht. „So soll es unter euch nicht sein!“ Jesus sagt das. Nicht ich.
Die Leute der Chloe gehören zu den ärmeren. Zu den Machtlosen. Sie rebellieren gegen diese Struktur. So soll es unter ihnen nicht sein. Und sie appellieren an Paulus. Und an das, was sie bei ihm gelernt haben. Und was sie immer wieder von ihm hören: Nicht Jude, nicht Grieche, nicht Sklave nicht Freier. Nicht Mann, nicht Frau. „Lieber Paulus! Wir wollen unser Leben nicht schon wieder verlieren. Indem wir zu den Gewinnern und den Mächtigen gehören. Wir wollen, dass das endlich aufhört. Wir wollen das Leben gewinnen!
Die Chloe von Paris. Und die Chloe in Korinth - so fremd sind sie sich am Ende gar nicht. Die Chloe von Hirschlanden – sie hat vielleicht einfach nur einen anderen Namen.
Hirschlanden. Der Kirchenbezirk Adelsheim-Boxberg. Die evangelische Landeskirche in Baden. Sie alle sind gefeit vor Spaltungen?! Nein, die Täufer sind’s bei uns nicht. Viele wissen gar nicht mehr, wer sie überhaupt getauft hat. Aber vor Spaltungen sind auch wir nicht gefeit. In der Kirche. Und in der Gesellschaft.
Spaltungen in der Landeskirche zwischen Landregionen und Städten. Zwischen den Bezirken weit weg und denen im Zentrum. Ehrlich gesagt, das sind wahrhaftig nicht die schlimmsten Spaltungen, die ich mir vorstellen kann. Aber manchmal mögen einige das dennoch so empfinden. Wirklich Spaltungen - oder nicht doch eher subjektive Empfindungen!
Spaltungen zwischen unterschiedlichen Frömmigkeitsrichtungen. Auch zwischen den Ideen, wie wir als Kirche auf die Fülle der Veränderungsnotwendigkeiten reagieren sollen. Wirklich Spaltungen – oder nicht eher doch strukturelle Herausforderungen!
Spaltungen zwischen Menschen, die hier wohnen seit Generationen. Und Flüchtlingen, die hier für’s erste Unterschlupf gefunden haben. Wie viel tragen Menschen auch hier dazu bei, dass die Spaltungen nicht überhand nehmen! Auch der Kirchenbezirk mit seiner Diakonenstelle. Wirklich Spaltungen – oder nicht eher globale Probleme, die auch auch vor uns nicht halt machen.
Und schon droht deshalb die nächste Spaltung. Menschen, die auf vernünftige Konzepte setzen. Und Menschen, die die Tore einfach zumachen wollen. Und lieber auf scheinbar einfache Lösungen setzen. Und auf Zäune und Mauern. Auseinandersetzungen in der Politik und auch in unseren Gemeinden um die Rolle der AfD. Anfang März haben wir beim Männervesper in Walldürn sehr offen darüber gesprochen. Auch über die Gefahr von Spaltungen. Sind das wirklich schon Spaltungen Oder im Moment doch eher noch die Folgen ungelöster Probleme und überhörter Hilferufe.
Spaltungen durch den Umgang von uns als Kirche mit Menschen, die ihre gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft haben eintragen lassen. Und sich dann auch um den Segen Gottes in der Kirche wünschen. Die Landessynode wird sich kommende Woche damit beschäftigen. Wirklich Spaltungen – oder doch eher veränderte Einsichten aufgrund vertieften theologischen Nachdenkens und intensiven Bibellesens.
Was würden die Leute der Chloe aus Hirschlanden und Karlsruhe dem Paulus heute berichten? Chloe aus Paris will lieber ihr Leben gewinnen anstatt zu den zu gehören, die immer nur obenauf sein wollen. „Wer sein Leben verliert um meinetwillen, der wird’s gewinnen!“ Sie erinnern sich sicher an diesen Satz von Jesus von Nazareth.
Von ihm können wir auch lernen, wo der angemessene Platz der Kirche ist. Bei denen, die durch Spaltungen gleich welcher Art aussortiert werde. Bei denen am Rande. Bei den Habenichtsen. Bei denen, die uns nerven, weil sie es nicht leicht machen, weil sie es auch nicht leicht haben.
Eigentlich müsste auch uns vieles nicht schlafen lassen. Dann wäre es allemal das Wagnis wert, auch bei uns zu den Aufrechten der Nacht zu gehören. Auch hier in Hirschlanden. Aber Schlaflosigkeit allein hilft auch nicht weiter.
Wer hält denn alles noch zusammen, was da auseinander zu bersten droht. Noch einmal Paulus: Ist Christus denn etwa zerteilt? Hat Christus Spaltungen initiiert? Oder Brücken gebaut? Ja, Scheidungen, Entscheidungen hat er in Kauf genommen. Aber um der Menschen willen. Nicht um Recht zu behalten. Oder um eigene Interessen durchzusetzen. Christus hat mich gesandt, das Evangelium zu predigen! fährt Paulus fort. Zu predigen mit dem ausdrücklichen Ziel, Spaltungen zu überwinden. Und dem Zusammenhalt und der Einheit zu dienen.
In einem Kirchenbezirk ist das die höchste und vornehmste Aufgabe eines Dekans oder einer Dekanin. Die Vielfalt zusammenzuhalten. Mögliche Spaltungen zu verhindern oder zu überwinden. Und ein Ohr zu haben für die Leute der Chloe. Und ihre Schwestern und Brüder, die uns berichten, wie es in Kirchen und Welt wirklich aussieht.
Ich glaube, sie wissen alle selber, welch große und schwierige Aufgabe das mitunter ist. Und ohne die Unterstützung von Chloe und ihren Leuten ist das kaum zu schaffen. Damals nicht in Korinth. Und heute nicht im Kirchenbezirk Adelsheim-Boxberg.
Im Kirchengemeinderat lassen sie sich finden und in der Synoden. Im Bezirkskirchenrat und im Pfarrkonvent. Die Leute der Chloe haben ein waches Gewissen. Sie legen ihre Finger in die Wunden und finden sich nicht einfach ab mit der großen Spaltung von oben und unten, von arm und reich. Auch nicht mir der von gläubig und ungläubig.
Auf diese Leute sollten wir hören. Dem Evangelium sollten wir Gehör verschaffen. Und dem vertrauen, der am Ende alles zusammenbringt. Weil er will, dass wir das Leben gewinnen. In Paris. In Hirschlanden. Und an all den Orten, die am Ende gar nicht so weit auseinanderliegen. Weil der Glaube an diesen Christus sie verbindet. Amen.