Geistliches Wort zum 4. Advent (1. Mose 18,1-2.9-15)

17.12.2020

Nein, zum Lachen ist mir nicht in diesen Zeiten! Aber zum Hoffen! Adventlich gestimmt darauf warten, dass sich weihnachtlich alles zum Besten wendet – darum soll’s doch gehen in diesen Tagen. Aber Weihnachten ist in diesem Jahr nicht so, wie es immer war. Und schon gar nicht so, wie ich es gerne hätte. Weniger Menschen unter dem Christbaum als sonst. Keine Kirche, so dicht mit Menschen gefüllt, wie es die weihnachtlichen Gottesdienste sonst so einzigartig macht. Keine Möglichkeit, mich zumindest zwischen den Jahren mit Menschen zu treffen, für die ich das Jahr über kaum Zeit finde.

Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet, der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet auch deine Angst und Pein.

Nein, zum Lachen war ihnen nicht in diesen Zeiten! Aber zum Hoffen! Eigentlich nicht einmal mehr dazu. Das alt gewordene Paar hat sich von seinen Träumen verabschiedet. Sarah ist 90 Jahre alt, ihr Mann Abraham sogar 100 Jahre. Risikogruppe sind sie. Sie riskieren, dass ihre Lebenslinie durch die Generationen reißt. Herden, die sich vergrößert haben. Weideland bis zum Horizont. Reichtum haben sie angesammelt. Aber der wird nicht in der Familie bleiben. Von der Zusage Gottes, dass sie Zukunft haben werden – und das hieß in ihrer Situation vor allem der weitergesponnene Faden der Familie in Kindern und Kindeskindern – ist nur noch die resignative Einsicht geblieben, dass es eben nicht hat sein sollen. Wenn das Lebensende in den Blick kommt, bleibt nur noch das Bilanzieren. Die alten Wege sind nicht noch einmal neu zu gehen.

Bei den beiden kam alles anders. Die beiden gefährdeten Menschen können erleben, was derzeit kostbaren Seltenheitswert besitzt. Unerwartet steht Besuch vor der Tür. Und sie lassen sich nicht bitten. Wer Bedürftigen die Tür öffnet, begegnet am Ende Gott selber. Hier ist es nicht anders. Das Beste ist ihnen für ihre Gäste gerade gut genug. Eben noch vom Shutdown ihrer Lebenspläne bedroht, erhalten Sara und Abraham Perspektive: „Übers Jahr will ich wiederkommen.“ Der Lebenszyklus ist noch nicht zu Ende. Frühling, Sommer, Herbst und Winter – die beiden können diese Abfolge aufs Neue erleben. Doch noch mit viel mehr als dieser zusätzlichen Spanne Leben wird ihre Seele genährt: „Übers Jahr will ich wiederkommen. Und dann ist alles anders!“ Leben wird ihnen zugesagt. Ein Kind. Der nicht mehr für möglich gehaltene Hoffnungsträger ihres Lebens. Übers Jahr soll alles anders sein.

Zum Lachen ist das, wenn es nicht so ernst wäre. Sara lacht! Ehrlich gesagt – kein Wunder! Sie müsste lernen, realistisch zu hoffen. Ihre Zukunft im Kind der anderen zu sehen. Was ihr bleibt, ist Realismus. Alles hat eben seine Zeit. Was ihr bleibt, ist Sarkasmus. Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit, hat gut reden. Was ihr bleibt, ist Auflehnung. Glauben, gegen allen Augenschein, ist einfach unzumutbar. Was bleibt Sara anderes als ein hilfloses Lachen. Unhörbar, wie sie meint. Aber laut aufgellend in den Ohren der drei Besucher. Unüberhörbar – ihr Lachen in Gottes Ohr! Übrigens, Abraham lacht genauso (1. Mose 17,17). Einmal mehr ein Zeichen unsäglicher Rollenzuweisung, dass sich nur das Lachen Saras in der Erinnerung der Jahrhunderte niederschlägt.

Übers Jahr kommt Gott wieder. Und die Eltern, scheinbar längst herausgenommen aus dem Spiel des Lebens, sind von Neuem in die Spur gesetzt mitten hinein in die Zukunft. Denn Gott setzt ihrer Verzagtheit sein Lachen entgegen. Isaak, zu deutsch: „Er lacht!“ Gott selber. Sara und Abraham. Und dann eben auch der, der den Grund zum allseitigen Lachen abgibt, Isaak.

Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her.

Nein, zum Lachen muss uns nicht sein in diesen Tagen! Aber zum Hoffen! Wieder jeglichen Augenschein haben wir allen Grund dazu. Gott kommt! Nicht erst übers Jahr. Sondern schon jetzt – in diese Ganz-Anders-Weihnachten 2020. Gott kommt – auch mitten hinein in die kleine Anzahl von Menschen. Gott kommt – selbst wenn wir ihn nicht mit „Tochter Zion“ aus heiß gesungenen Kehlen empfangen. Gott kommt – auch online und in verteilten Predigtfaltblättern. Gott kommt sogar einfach in einem Lächeln, das mir hinter einer Maske aus Abstand entgegenleuchtet und das mir dennoch zu Herzen geht.

Und übers Jahr kommt Gott womöglich auch in Zeiten mit weniger oder ohne Corona, aber mit neuen Aufbrüchen in unserem Denken und auf weniger zerstörerischen Wegen. Dann wird unser Mund voll Lachens sein. Und unser Hoffen sich als der einzige Weg erweisen, dieser Erde zu einer guten Zukunft zu verhelfen. Also doch: Das Adventslachen bereitet dem Osterlachen den Weg. Und Sara ebnet unserer adventlichen Gestimmtheit den Weg zur Weihnacht.

Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen, so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute, der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute, kommt dort aus dem Gericht.

 

Gebet
Zu alt, Gott, wie Sara, um noch auf ein Wunder zu hoffen -,
zu jung, Gott, wie Maria, um mit dem Kind schon die Hoffnung der Welt zu tragen -,
zu abgehängt vom Lauf der Welt, Gott, wie die Hirten, die niemand auf dem Plan hatte -,
zu weit weg, Gott, wie die Sterndeuter im Osten, um eine Rolle zu spielen in deinen Plänen für diese Welt -,
zu kleingläubig, Gott, wie ich manchmal, gefangen in den weihnachtlichen Routinen des „Alle Jahre wieder“ –
und doch nicht aus dem Blick bei dir, der mich trifft mitten ins Herz und mich lachen lässt, weil du dem Bösen übers Jahr das Zepter der Macht aus der Hand schlägst. Amen.

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.