Das Gebet der Maria vor dem Aufbruch nach Bethlehem - Morgenimpuls beim Pfarrkolleg "Predigttexte zu Advent und Weihnachten"

24.11.2020

Historische Infos

Der römische Statthalter bzw. Prokurator Publius Sulpicius Quirinius ordnet im Jahre 6 oder 7 nach Christus einen Provinzialzensus in der Provinz Syrien an. Zuvor war Herodes Archelaos, ein Sohn des goßen Herodes des Amtes enthoben und Judäa in die Provinz Syrien eingegliedert worden. Jetzt mussten die Veraltungsvorschriften des Reiches auch auf Judäa übertragen werden. Deshalb macht der Provinzialzensus zu diesem Zeitpunkt Sinn. Dieser Zensus wird von Flavius Josephus erwähnt.

Aus dem Jahr 127 n.Chr. kennen wir ein einheitliches Steuerformular, das ausgefüllt werden musste, um den Besitz taxieren zu können – tax – Steuer und Taxieren stammen ja aus demselben Wortstamm. Dazu ein Zitat der Historikerin Maria Zilling, habilitiert an der TU Berlin, jetzt Schulleiterin in Limburg.

"Bei der persönlichen Vorstellung im 'Steuerbüro' erfolgte vor Zeugen eine Deklaration über Alter, Geschlecht und den ganzen Besitz; die Zensusbeamten legten danach ihre Steuerlisten an. Nach einer Überprüfung der Angaben konnte dann die direkte Steuer, die Kopfsteuer und die Bodensteuer, angesetzt werden; der Besitzer erhielt eine testierte Steuererklärung. Da Männer Kopfsteuer vom 14. bis zum 65. Lebensjahr und Frauen schon vom 12. bis zum 65. Lebensjahr (die Angaben gelten für Syrien) entrichten mussten, ist es ganz entscheidend, dass ganze Familien vor den Zensusbeamten persönlich zu erscheinen hatten, um prüfen zu lassen, wer überhaupt kopfsteuerpflichtig war."

Wenn Jesus zur Zeit des Königs Herodes geboren worden war, bekommen wir mit der Datierung der Zählung Probleme. Denn Herodes der Große stirbt bereits 4 v.Chr. Dieser Widerspruch lässt sich nicht ganz auflösen. Eventuell gab es eine regionale Variante des Zensus auch schon früher.

Meine heutige Schrecksekunde des Weihnachtsgeschehens: Maria erfährt, dass Sie sich auf den Weg nach Bethlehem machen muss. Dazu ihr Gebet:

 

 

Gebet der Maria

Mein Gott, muss das sein! Warum schickst du uns jetzt auf die Reise! Ich habe doch keinen Besitz in Bethlehem. Aber natürlich muss ich mit. Bin ja schließlich schwanger. Und alle rechnen damit, dass wir eine Familie gründen.

Bethlehem - ausgerechnet dieses Nest! Provinz! Tiefste Provinz. Nazareth ist ja auch nicht Jerusalem. Aber hier ist mindestens etwas los. Tavernen. Leider wieder nur für die Männer. Und ich schaue aus der Fenre zu. Aber am Brunnen, da treffe ich doch ein paar ganz interessante Frauen. Und da schauen dann die Männer zu.

Haben die überhaupt Brunnen in Bethlehem? Wer wie, wo man das Wasser dort herschleppen muss. Bethlehem. Brothaus, das ich nicht lache – ein Brothaus mit leeren Regalen. Da ist nichts als der Dünkel: hier wurde doch unser großer König David geboren. Der war ja auch froh, als er dieses Nest verlassen konnte. Ja, ja ich weiß: Und du Bethlehem, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir kommt der, der einmal die Macht haben soll.

Naja, vielleicht kommt mein Kind ja in Bethlehem auf die Welt. In einem Hotel wird es schon nicht sein. Außer Ställen haben die ja ohnedies keine Unterkünfte. Aber vielleicht gibt’s ja den Stall des Isai noch. Der wäre doch gerade recht für mein Kind.

Was heißt mein Kind! Ist ja auch seins. Auch wenn Joseph immer so tut. Er würde ja nur wegen des Kindes bei mir bleiben. Er hätte da einen Traum gehabt. Ein Traum, päh. Mit ist sogar ein Engel erschienen. Zumindest kam‘s mir so vor.

Also, dann reisen wir halt nach Bethlehem. Irgend einen Esel wird Joseph mir schon organisieren. Laufen kann ich das nicht. Aber, unter uns Gott, der Kaiser ist ein Rindvieh. Wirbelt das ganze Reich durcheinander. Nur weil er unseren Besitz erheben will. Bei mir wäre er schnell fertig. Aber der Joseph. Mit seinen feinen Vorfahren. Eigentlich könnte er ja auch alleine dahin reisen. Aber ich würde dann hier versauern. Und verhungern dazu.

Also, wenn’s denn sein muss: Dann soll‘s halt losgehen. Hoffentlich geht alles gut. Da hast du einiges mit uns zu tun, damit wir sicher ankommen. Aber auf dich verlasse ich mich allemal lieber als auf den Joseph. Dann also auf in dieses Nest.

Vielleicht wird’s ja doch was mit unserer Reise. Und die Leute reden in 2000 Jahren immer noch davon. Also. Ich bin dabei. Und sag jetzt einfach: So sei’s nun halt. Amen.

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.