PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 12,4-6 IM GOTTESDIENST MIT VERABSCHIEDUNG VON PFARRERIN TELSE JUNGJOHANN-BADER UND PFARRER DIETMAR BADERAM 24. MAI 2021 (PFINGSTMONTAG) IN BADENWEILER

24.05.2021

Liebe Telse, lieber Dietmar,
aber auch Sie und ihr alle, die ihr hier zusammen mit den beiden diesen Abschiedsgottesdienst feiert,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Alt-EGJ-ler und GAW-ler,
Freundinnen und Freunde von nah und fern,
liebe Gemeinde!

Manchmal findet sich das Entscheidende ganz unerwartet. Es findet sich an einem Ort, wo man’s nicht vermutet hätte. So ist’s mir jedenfalls ergangen. Da war ich auf der Suche nach Eurer Personalakte, der P-Akte, wie’s so schön heißt.

Auf einmal fiel ein ganz anderes, goldenes Licht in den sonst schnöd mit Akten und Dokumenten gefüllten Keller-Raum des Archivs, tief unter der Erde. Alles wurde mit einem Mal hell, warm und freundlich. Und was ich dann aus dem Regal ziehe, ist ein liebevoll gestaltetes Buch mit ordentlichem Umfang. Darauf steht: Nein, nicht P-, sondern D-Akte! Für Pfarrerin Telse Jungjohann-Bader. Und für Pfarrer Dietmar Bader.

D-Akte, das habe ich noch nie gehört. Ich bin irritiert. Und stutze. D-Akte! Aber eine sanfte Stimme aus dem Nirgendwo, irgendwo verborgen sagt: D-Akte – das heißt Danke-Akte. Hier ist alle gesammelt, was die beiden ausmacht. Als Pfarrerin und als Pfarrer. Und als Schwester und Bruder für Ihre Mitmenschen.

D-Akte! Danke-Akte! Ich hatte das bisher noch nie gehört. Wusste nicht, dass wir solche Akten auch im Archiv führen und sammeln. Aber: Keine schlechte Idee, denke ich. Und dass es für Euch eine Danke-Akte geben muss, das sollte mich, ehrlich gesagt, auch nicht wundern.

Ich schaue in diese Danke-Akte hinein und blättere etwas in ihr herum. Ich bin sicher: Es sind einige hier, die hätten mir jetzt gern über die Schulter geschaut. Eure Danke-Akte. Hochspannend und lohnend!

Drei Teile habe ich etwas genauer in Augenschein genommen. Vor dem ersten der drei steht auf einem sonst leeren Blatt in schönen Buchstaben:

Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.

Und dann lese ich, was sich da an Dankwürdigem über euch findet. Gaben ohne Ende: Gottesdienste, schön gestaltet. Kindergottesdienst, mit dem’s los ging bei Dir, Dietmar. Lust für Gespräche. Zuhören. Bereitschaft zum Engagement. Schon in der Jugendarbeit. In der Gemeindejugend. In der Ökumene. Immer und immer wieder. Vor Ort und weltweit. Öffentlichkeitsarbeit.

Kur- und Krankenhausseelsorge lese ich bei dir, Telse. Und daneben Bilder aus Gesprächen mit Menschen, die dich dankbar anschauen.

Ich blättere und blättere. Sehe Bilder von jenseits der Grenzen. USA. Kamerun. Kuba. DDR. Tschechien. Ich sehe dich, Dietmar, als Bauherrn. In Owingen schon. Pfarrhaus. Gemeindehaus. Hier hast du noch mitgeholfen, die Wege zu neuem Bauen zu bahnen.

Da entdecke ich die elektrische Eisenbahn. Dich, Dietmar, mit anderen Männern darum gruppiert. Höre plötzlich Ausschnitte aus einem spannenden Gespräch, das du mit den Männern führst. Die D-Akte wird zum Hörbuch!

Irgend etwas muss das alles ja zusammengehalten haben, denke ich. Es muss doch ein Band geben, das diese viel Gaben verknüpft. Verschiedenste Gaben – aber ein Geist. Ja, es ist dieser Geist, der euch immer wieder neu beflügelt hat. Gerade, wenn euch die Luft auszugehen drohte. Dieser Geist des Zusammenhalts. Dieser Geist des Durchhaltens. Dieser Geist, den wir heute feiern. Am Pfingstfest 2021. Gottes Geist.

Ich blättere weiter. Wieder ein fast leeres Blatt. Nur der Satz:

Es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.

Ja, was ist da an Ämtern nicht alles zu lesen; Ämter, die es auch in eure D-Akte geschafft haben. Bei dir Dietmar: Leitung eines Jugendkreises; Mitarbeit im Arbeitskreis für die Arbeit mit 13-15jähringen in der Gemeindejugend Baden; Vorsitz in der Landesleitung der Gemeindejugend; Delegierter bei den Weltjugendspielen in Kuba; Praktikant in der Öffentlichkeitsarbeit der Landeskirche; Jugendpfarrer in Pforzheim; Gemeindepfarrer in Owingen, St. Georgen, dann hier in Badenweiler.

Bei Dir, Telse, Kurseelsorge schon früh in St. Peter Ording; und immer wieder der große Blick über den Tellerrand: USA schon als Schülerin, Kamerun; England. Weltgebetstagsarbeit Dann auch der Einsatz im Gustav-Adolf-Werk; in der Hospizarbeit; in der Seelsorge in verschiedensten Bereichen und Einrichtungen.

Zwischendurch noch das Studium der Diakoniewissenschaft, über einige Jahre dann auch mal hoch engagierte Pfarrfrau - und alle deine Ämter und deine Erfahrungen fließen dann zusammen in deinem Einsatz hier in der Klink- und Kurseelsorge.  Was für ein Grund zur Dankbarkeit!

Wenn ich den kleinen Punkt darunter anklicke, läuft plötzlich ein Film. Er zeigt dich in Kamerun. Was für schöne Bilder, denke ich, während ich etwas hineinschaue.

Es sieht so aus, als hättet ihr in eurem beruflichen Leben vielen Herren gedient. Aber tatsächlich war es immer ein- und derselbe Herr! Viele Ämter zwar. Aber ein Herr! Der eine Herr der Kirche, den wir an diesem Pfingstfest feiern. Und der uns Worte des Dankes für euren Dienst in den Mund legt.

Und ich blättere durch den dritten Teil. Auf dem Titelblatt steht zu lesen:

Es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.

Ja, es stimmt. Es sind verschiedene Kräfte, die auf euch eingewirkt, die an euch gezerrt haben in mehr als 35 Jahren Existenz als Pfarrerin und als Pfarrer. Mehr als ein halbes Leben ist das.

Kräfte waren dabei, die haben euch beflügelt. Haben euch in Bewegung gehalten. Haben euch ansteckend sein lassen für andere. Haben eure Lust an der Pfarrexistenz genährt und wachgehalten. Kräfte, hinter denen ihr unschwer Gott habt entdecken können.

Es gab aber auch die anderen Kräfte. Kräfte waren das, die euch viel Energie gekostet haben. Destruktive Kräfte auch. Die haben mit einem Mal haben wegbrechen lassen, was ihr mühsam aufgebaut hattet. Kräfte manchmal, die sich euch wie Mauern in den Weg gestellt haben. Ja, die euch manchmal an Gott und der Welt haben zweifeln lassen. Manchmal kommen wir an der Gottverborgenheit nicht vorbei.

Aber der Blick in eure Danke-Akte spricht eine deutliche Sprache. Die Waage neigt sich hin zum Guten. Zu dem, was ihr zu einer Spur des Gelingens in eurem Leben habt werden lassen.

Manchmal findet sich das Entscheidende ganz unerwartet. Es findet sich an einem Ort, wo man’s nicht vermutet hätte. Und ich finde es jetzt erneut. Auf dem Titel eurer D-Akte, eurer Dank-Akte. Den hatte ich vorhin gar nicht gesehen. Ganz vorne steht der zu lesen.

Mit Gaben beschenkt
In Ämtern reich
Voll Gottvertrauen an der Kirche Jesu Christi gebaut
Grund genug zum Danken!

Das stimmt, denke ich! Wie gut, dass ich sie entdeckt habe, diese D-Akte. Es muss Gottes Geist sein, der diesen schnöden Ort im Archiv zu einer Fest-Kapelle des Dankes verwandelt hat. Wie gut, dass es für uns alle, für jeden und jede auch eine Dank-Akte gibt!

Gottes Geist verwandelt die Welt – hin zum Guten. Da feiern wir an Pfingsten.
Gottes Geist verwandelt euer Tun und Schaffen als Pfarrerleute zu einem Beitrag zum Reich Gottes. Das feiern wir heute – in Dankbarkeit.
Gottes Geist verwandelt unser aller Leben und bringt uns zum Blühen.

Manchmal findet sich das Entscheidende ganz unerwartet. Es findet sich an einem Ort, wo man’s nicht vermutet hätte. Es findet sich hier. Mitten unter uns. Es findet sich jeden Tag aufs Neue. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.