Predigt im Gottesdienst zum Abschluss des Kontakttreffens der Landessynode (Teil 2)

20.03.2021

Perspektive 2: Die Jünger

Unglaublich, was sich da abspielt vor den Augen und Ohren der Jünger! Zwei gibt es in ihrer Mitte, die sich vordrängeln. Zwei, die aus der Solidarität aller aussteigen.

Sie wollen sich einen Vorteil verschaffen. Wollen nicht nur ihr irdisches, sondern auch ihr himmlisches Seelenheil sichern. Auf Kosten der anderen. Es können halt nicht alle in der ersten Reihe sitzen. Das ist im wirklichen Leben nicht so. Wieso soll es im Leben nach diesem Leben denn anders sein.

Den Zehn stockt der Atem. Ärger steigt in ihnen auf. Nein, so sind sie keine Gemeinschaft der Heiligen. So sind sie eher ein Spiegelbild dessen, was überall in Geltung steht.

Doch wenn es so unter ihnen nicht sein soll - wie sonst? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob es nur Bilder der neuen Welt Gottes sind, die das Denken der Zehn prägen. Ärger mischt sich darunter, dass die beiden zuerst auf die Idee gekommen sind. Dass sie schneller waren.

Der Kampf um die Ehrenplätze im Reich Gottes – irgendwie fühlt der sich an wie der Kampf um die Impfungen gegen das Corona-Virus. Die einen drängeln sich vor, auch wenn sie gar nicht dran sind. Staaten gibt es, und wir gehören da auch dazu - die jammern und meckern, wenn sie den Impfstoff nicht schnell genug bekommen – wo doch die meisten Staaten dieser Erde bisher gänzlich leer ausgegangen sind. Warum denn zögern, wenn’s ums eigene Überleben geht? Warum so zimperlich sein, wenn ich mir sogar jetzt schon die himmlischen Ehrenplätze sichern kann?

Ich mag mich ärgern über Jakobus und Johannes. Und bin damit bei den anderen Jüngern in bester Gesellschaft. Ich könnte mich auch für einen anderen Ausweg stark machen. Könnte mit den Zehn gegen die beiden anderen anträumen. Könnte mit den Möglichkeiten der Synode die Kirche zu einem Ort der Erprobung der neuen Welt Gottes machen. Und nicht einfach die Spielregeln der Welt auch in der Kirche oder gar auch noch im Himmel in Geltung setzen wollen.

Die umgekehrte Denkrichtung wäre doch auch eine Möglichkeit! Die umstürzlerische Ordnung des Reiches Gottes auf die Erde ziehen. Keine Throne für die wenigen. Und unter ferner liefen die vielen. Stattdessen - wirklich - die Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern. Von Fernen und Nahen. Von rechtgläubigen und anders Glaubenden. Als Synode müsste uns das doch elektrisieren und unsere Ärmel hochkrempeln lassen.

Nein, ich will mich nicht weiter ärgern über die zwei. Ich will die Zehn gewinnen für den anderen Weg. Und ihre Nachahmerinnen und Nachahmer bis heute dazu. Ich will versuchen mituhelfen, dass die einen mit den anderen gemeinsame Sache machen. Dass sie miteinander unterwegs bleiben. Ich will von meiner Zukunft bei Gott schon hier eine Ahnung bekommen. Machtverzicht anstatt Machtsicherung. Schwäche riskieren anstatt mich durch gute Beziehungen an den anderen vorbei zu mogeln. Was für ein Programm, das wir uns gemeinsam vornehmen könnten!

Einen gibt es, der hat diesen Weg riskiert. Der hat die alten Maßstäbe über den Haufen geworfen. Und neue gesetzt. Diese Tage der Passionszeit rücken neu in den Blick, worum es ihm gegangen ist. Und wie er uns hilft zu entdecken, wie wir aus dem Weg dieses einen damals Gewinn für unser Leben heute ziehen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.