KLARTEXT zum 2. Sonntag nach Epiphanias

17.01.2021

Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.

Schon als Kind war dies mein Lieblingswunder: Wasser wird in Wein verwandelt. Ich fand das noch besser als Gold aus Stroh zu spinnen. Gold kam in meinem Leben nicht vor. Wir hatten zumindest zu Hause keines gehortet. Aber dass die Erzeugung von Wein mit viel Arbeit verbunden war, das ganze Jahr über, das war Alltag in meiner kindlichen Welt. Schließlich bin ich in einem Weindorf aufgewachsen. Und Jesus – der setzt den ganzen Zyklus der Erzeugung außer Kraft. Kein Schneiden der Reben. Keine Weinlese. Kein Trotten und Ausbauen, kein Gärenlassen im Keller oder in den großen Tanks der Winzergenossenschaft. Stattdessen ein Spitzenprodukt, das den Kellermeister dazu bringt, dem Bräutigam ordentlich die Leviten zu lesen. Wie kann man den besten Wein zum Schuss servieren, wo ihn niemand mehr zu würdigen versteht. Vermutlich wurde bei der Hochzeit ordentlich gebechert. Denn bei einer Weinprobe macht es schon Sinn, die beste Flasche am Ende zu kredenzen. Auch Kellermeister lernen über die Jahrhunderte dazu.

Interessant, dass Jesus sich überhaupt einmischt. Denn er hat in dieser Geschichte einmal nicht die Rolle, die wir ihm sonst gerne zuschreiben. Wenn wir beim Abendmahl ein ums andere Mal betonen, dass nicht uns, sondern ihm die Rolle des Gastgebers zukommt. Es macht mir diesen Jesus lieb und lässt ihn mir in seinem Menschsein nahekommen, dass er sich auch einmal einladen lässt. Dass er mitfeiert. Und dass er sicher auch vom Wein des Gastgebers gekostet hat. Doch unter der Hand vertauschen sich die Rollen. Mit harschen Worten verlässt Jesus die Rolle als Sohn seiner Mutter. Unter der Hand wird der Gast zum Gastgeber. Und das Wasser des alltäglichen Einerlei entpuppt sich als Festgetränk des Lebens. Worte, die alles plötzlich in ein anderes Licht tauchen, Worte gesprochen im Namen dieses Jesus – solche Wandelworte sind heute gefragter denn je.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.