Impulse im Rahmen der Morgenandacht bei der digitalen Frühjahrstagung der Landessynode der EKIBA (Teil 1)

22.04.2021

Impuls 1

Der 18. April 2021, der vergangene Sonntag!  Fünfhundert Jahre ist es her, seit Martin Luther in Worms vor den Reichstag geladen ist. Karl V., der junge Kaiser, in dessen Reich die Sonne nie unterging – Hieronymus Aleander, der päpstliche Nuntius, Kurfürsten, Bischöfe, Fürsten, Freie Reichsstädte, Reichsstände unterschiedlichster Art, sie drängen Martin Luther in die Enge. Kein Vergleich mit den ab und zu ja auch einmal hitzigen Zuständen in einer Landessynode.

„Sind das deine Schriften – dann widerrufe!“ Und Martin Luther, der noch am Tag zuvor zögert, dem Widerruf nahescheint, steht auf – steht innerlich auf, denn äußerlich steht er sowieso. Und er endet dann mit seinem berühmten Satz:

Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde, (…) so bin ich (…) überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen (…). Gott helfe mir, Amen!

As Luther den Bischofshof verlässt, reißt er, so wird es erzählt, die Arme in die Luft und ruft laut: „Ich bin hindurch!“

So richtig unter die Haut gegangen, so richtig in mich hineingesprunge ist mir dieser Satz am vergangenen Samstag – beim Gedenken vor der Wormser Dreifaltigkeitskirche am vergangenen Samstagabend, live übertragen im Südwestfernsehen des SWR. Mit einer atemberaubenden Lichtinstallation an der Außenwand der Kirche.

„Ich bin hindurch!“ Wann ist es mir zum letzten Mal so ergangen? Wann Ihnen? Euch? So ein den Horizont öffnender, beglückender Moment – mitten in höchster Bedrängnis. „Ich bin hindurch!“ Luther war längst nicht hindurch. Das meiste lag noch vor ihm. Die Reichsacht. Anfeindungen. Verfolgung. Nur wenige Tage nachdem er diesen Satz ausruft, ist er nicht hindurch, sondern in Schutzhaft. Auf der Wartburg. Zu seiner eigenen Sicherheit. Aber durch die eine große Tür ist er hindurch. Immerhin! – Das war sein Luther-Moment! Und die Frage geht mit mir nach, die dann an der Außenwand der Kirche zu lesen ist: „Was ist dein Luther-Moment?“

Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.

Lied vom Aufbruch Strophe 1

Ich sehe deine Spuren auf geebneten Wegen.     
Du hast die Mauern des Bösen zum Einsturz gebracht.
Dein Geist des Wandels stellt sich machtvoll entgegen
dem Wehen des Ungeists ewig gestriger Macht.
Seit du vor aller Augen den Tod überwunden,
ist die Macht des Zerstörers ins Nichts entschwunden.

 

Impuls 2

Heute ist der 22. April 2021! Heute ist der Tag der Erde! Seit 1969 rufen die Vereinten Nationen alljährlich dazu auf, diesen Tag zu begehen. Er hat jedes Jahr ein eigenes Motto. Dies Jahr lautet es: "Jeder Bissen zählt - Schütze, was du isst - Schütze unsere Erde!" Es geht um nachhaltige und naturverträgliche Produktion von Lebensmitteln. Es geht um bio, regional und fair.

Die Monate der Pandemie sind eine Chance zur Umkehr. Zur Umkehr von unserer Art zu leben. Alexander Gerst sagte in einem Interview:

„Für uns Erdmenschen ist es eine wichtige Erkenntnis, unseren Planeten so klein wie möglich, so verletzlich wie möglich zu sehen, um zu realisieren, dass er das auch ist.“ Und weiter: „Erschreckend war für mich, dass man mitansehen muss, wie die Rodung der Wälder unverändert fortschreitet, oder dass die Gletscher weiter zurückgehen, die ich noch aus meiner Zeit in Neuseeland vor mehr als 20 Jahren kannte.“

Unsere verletzliche Erde zu schonen und zu bewahren, das ist uns aufgetragen. Der heutige Tag der Erde erinnert uns daran, dies zu tun – gemeinsam mit allen Menschen guten Willens. – Und die Frage geht mit mir nach: Wann packt Gott uns – so sehr, dass wir den drängenden Fragen der Schöpfung nicht mehr ausweichen können? Wann ist dein Schöpfungs-Moment?

Und Gott der Herr legte in Eden einen Garten an in Richtung Osten und ließ den Menschen in diesem Garten wohnen und gab ihm den Auftrag, ihn zu bebauen und zu bewahren.

Lied vom Aufbruch Strophe 2

Ich suche deine Spuren an den Enden der Erde,
in Palästen und Hütten, fern der Heimat, ganz nah.
Ich träum‘ davon, dass ein Paradies da werde,
wo noch zuvor ich zerstörte Landschaft nur sah.
Seit von bösen Mächten schmerzvoll dein Leben bedroht,
bringst du das, was heut‘ quer liegt, von Neuem ins Lot.

Impuls 3

20.-22. April 2021 – die 13 Landessynode unserer Landeskirche konstituiert sich. Nein, nicht im Haus der Kirche in Bad Herrenalb. Sondern digital per Zoom.

Es geht nicht nimmer so, wie wir es gerne hätten. Aber es geht viel mehr, als wir es uns vor einem Jahr hätten vorstellen und erträumen können. Wir sind noch lange nicht am Ende – mit diesem Tag nicht. Aber auch nicht mit unseren Möglichkeiten.

Was ich besonders schätzen gelernt habe: Diese Zeit ist die Zeit der kleinen Formate. Gottesdienstlich – in kleinen Gemeinden. Persönlich, wenn sich nur wenige Menschen treffen dürfen. Doch auf den kleinen Formaten liegt ein großer Segen.

Jesus war ein Liebhaber der kleinen Formate! Die 5000 Hungrigen hat er in Gruppen aufgeteilt. Am Ende genügen ganz wenige. Große Zahlen mögen uns guttun. Und ein wenig dürfen wir sie uns auch herbeiwünschen. Aber das unserer Gigantomanie und unserer Gier nach ständigem Wachstum, und steigenden Kursen erst einmal die Rote Karte gezeigt worden, das ist auch eine Lernerfahrung des Heiligen Geistes. Trotz allem Schweren, das ich nicht verschweigen möchte.

Gott macht sich klein, um, groß zu werden. Diese Erkenntnis könnte sich doch neu einprägen in unser Herz. Und sich umsetzen in so manchen Beschluss dieser neuen Landessynode. Und die Frage drängt sich mir auf: Womit packt Gott uns in den nächsten Jahren dieser Landessynode? So sehr, dass am Ende diese Frage beantwortbar bleibt: Was ist dein Synodenmoment?

Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.

Seid untereinander gesinnt, wie es der Gemeinschaft bin Jesus Christus entspricht. Er hielt seine Gottheit nicht fest wie ein Räuber seine Beute, sondern machte sich klein und nahm die Gestalt eines Menschen an, der den anderen dient.

Lied vom Aufbruch Strophe 3

Ich finde deine Spuren in meinem kleinen Leben.
In deinen Augen wird Zerbrochenes schön und ganz.     
Seitdem du Menschen Raum zum Leben gegeben,
fällt auf jeden Tag, wundergleich, himmlischer Glanz.
Die an den Rand Gedrängten bringst du in die Mitte,
lenkst voller Hoffnung in die Zukunft die Schritte.

Gebet

Dass ich hindurch bin – danach sehne ich mich schon am Beginn dieses Tages – hindurch durch alles, was seinem Glück im Wege steht.

Dass ich hindurch bin, das wünsche ich mir auf der Zielgeraden dieser Synodentagung. Hindurch durch alles Neue und Überraschende. Hindurch durch alles, was zu einer Überforderung werden könnte. Hindurch durch alle Punkte unserer Tagesordnung.

Dass ich hindurch bin, das möge auch am Ende aller meiner Wege stehen. Hindurch durch alles schöne und Große. Hindurch durch alles, was schmerzt und kränkt. Hindurch – damit ich am Ziel bin und dir Gott selber ins Angesicht schaue. Bis dahin bitte ich jeden Tag aufs Neue um das, was ich zum Leben wirklich brauche:

Vaterunser

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.