Andacht am Beginn der Sitzung des Landeskirchenrates

18.03.2021

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist derzeit keine Zeit, große Sprüche zu machen. Dazu ist die Lage zu ernst. Da reicht schon ein Blick auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung des Landeskirchenrats. Nur wenige Stichworte, die ich da finde: Krisenmanagement (nicht zuletzt unter Corona-Bedingungen), Kirche im Umbruch, Prioritätenprozess Finanzen und Liegenschaften, Ressourcensteuerung. Sie kennen die Stichworte alle selber, um die es nachher dann gleich gehen wird. Nein! Es ist keine Zeit, große Sprüche zu machen.

Andere haben aber längst ihre Sprüche gemacht, sogar fromme Sprüche, die bei uns ja auch nicht hoch im Kurs stehen: „Was helfen mir deine frommen Sprüche!“. Trotzdem - auf einen frommen Spruch will ich heute Ihren Blick lenken. Auf einen frommen Spruch der anderen Art. Keiner, der nur irgendwie vertrösten will, ohne die Lage ernst zu nehmen.

Die Tageslosung habe ich im Blick, einen Vers aus dem biblischen Buch – eben - der Sprüche. In diesem Buch sind tatsächlich Sprüche gesammelt, aber nicht kraftloses verbales Strandgut wie sonst manch gut gemeinte Sprüchen manchmal auf mich wirken. Eher tragfähige Lebensweisheit, konzentriert und in wenigen Worten zusammengefasst. Dort heißt es also zwischen vielen anderen Sprüchen:

Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg;
aber der Herr allein lenkt seinen Schritt. (Sprüche 16,9)

Auf den ersten Blick nichts Aufregendes. Ein erwartbarer geistlicher Aufschlag am Beginn eines Tages oder einer Sitzung. Erwartbar womöglich in dem Sinne, als wollte Gott sagen: „Macht ihr nur eure Pläne. Beschließt nur eure Programme. Haltet eure Sitzungen ab. Ein Hauch seid ihr. Am Ende habe ja doch ich die Fäden des Geschehens in der Hand.“ Vielleicht ist das ja auch gar nicht ganz falsch. Und es liegt vor allem in vertrauter protestantischer Denktradition.

Kein Wunder, dass der Losung als Lehrtext dann ein Vers des Apostels Paulus an die Seite gestellt wird:

Nicht, dass wir tüchtig sind von uns selber, uns etwas zuzurechnen als von uns selber;
sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott. (2Kor 3,5).

Und der letzte Satz aus dem Lieblingslied meiner Mutter klingt dann gleich in meinem Inneren auf: „Nichts hab ich zu bringen, alles, Herr, bist du!“

Jetzt möchte ich aber doch kurz innehalten. Und fragen: Wie verhält sich denn unser Handeln, unsere Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung gerade auch in Krisenzeiten, zur Überzeugung, ja zur Gewissheit, dass Gott diese Welt und die, die in ihr leben, nicht ins Nichts fallen lässt?

Auf jeden Fall nicht komplementär, denke ich doch, jedenfalls nicht in dem Sinne: immer weniger von mir, von uns; und immer mehr von Gott. Eher doch wie zwei Seiten einer Medaille, wie zwei unterschiedliche Blickwinkel auf ein und dasselbe Handeln.

In dem, was ich tue, in dem, wie ich meiner Verantwortung gerecht werde - als Mensch in meinem Beruf, in meinen Beziehungen, in meinem Stand, wie Luther gesagt hätte – in dem scheint auch Gottes Handeln in der Welt auf. Da kommt zum Tragen, was Gott in jede und jeden von uns gelegt hat.

Ich bin sicher: Gott setzt auf unsere Gaben! Gerade auch in Krisenzeiten. Auf die des Verstandes. Auf die unserer Kraft zu lieben. Auf unsere Fähigkeiten, unseren Glauben ins Leben zu ziehen. Auch in unserem Planen und Entscheiden. Nein, es wird nie alles richtig sein, was wir uns da vornehmen. Wir bleiben auch als Kirche eine Lerngemeinschaft.

Gerade deshalb ist es gut, dass es solch fromme Sprüche gibt wie den der heutigen Losung. Nicht einfach ein frommer Wunsch, sondern in Worte gefasste Erfahrung gelebten Lebens im Angesicht Gottes. Da tun fromme Sprüche am Ende nicht selten gut!

Wir können uns bei den Zielen, die wir erdenken, und auf den Wegen, auf denen wir gehen, darauf verlassen: Beide Teile dieser Tageslosung, der erste und der zweite Satz dieses frommen Spruches gehören unauflöslich zusammen. Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg;

aber der Herr allein lenkt seinen Schritt. Und nicht selten bringt Gott uns dabei sogar über unsere Umwege und Irrwege ans Ziel. Deshalb dürfen wir uns frohgemut und erwartungsvoll an unsere Tagesordnung machen.

Schließen möchte ich mit einem kurzen Gebet:

 

Gebet

Gott, du schenkst uns die Freiheit, unsere Wege zu gehen. Die alten in ihren vertrauten Bahnen. Aber auch die neuen, die nicht selten übers Wasser und in unbekanntes Land führen.

Gott, Du schenkst uns die Freiheit, zu denken und zu handeln. Dabei wartest du nicht in klammheimlicher Freude ab, ob wir irren, sondern weist uns die Richtung, die in die Zukunft führt. Selbst wenn meine Zukunft am seidenen Faden hängt – es sind deine Hände, die diesen Faden halten. Das lässt mich leben. Amen.

 

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.