Anfangsimpuls zum Valentinstag im Rahmen der Kollegiumsklausur am 14. Februar 2022

14.02.2022

Liebe Schwestern und Brüder!

14. Februar – Valentinstag! Der Festtag der Liebenden. Seit einigen Jahren zunehmend auch mit Gottesdiensten und Paarsegnungen in den kirchlichen Terminplänen vieler Gemeinden. Die großen Nutznießer bei uns sind vermutlich die Blumenläden. Aber denen sei‘s gegönnt, sie hatten ja während der diversen Lockdowns auch heftige Einbrüche zu verkraften.

Valentin, Bischof von Terni, nördlich von Rom gelegen, wurde am 14. Februar des Jahres 269 nach Christus hingerichtet. Er soll Verliebten Blumen aus seinem Garten geschenkt und christliche Paare heimlich gesegnet haben. Das Thema der heimlichen Segnung ist in der Kirche also ein uraltes! Und heute mittlerweile hoffentlich ein überwundenes.

Die Liebe ist doch das Thema der Kirche. Nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen. Sondern die Liebe als Grundhaltung, mit der Menschen einander begegnen. Nicht umsonst kommt dem doppelten Liebesgebot eine so bedeutende Rolle zu. Und die heutige Tageslosung ist ja auch im Stile einer Liebeserklärung formuliert: „Gott, mein Herz ist bereit, ich will singen und spielen. Wach auf, meine Seele!“ (Psalm 108,2)

Um Indikatoren des Gelingens bei der Neuaufstellung soll‘s heute ja auch gehen. Was wären denn Indikatoren gelingender Liebe im Kontext der Kirche? Eine kleine Hilfestellung dazu habe ich am Wochenende in einem Buch gefunden, auf das mich ein Freund hingewiesen hat. Es stammt von dem französischen Soziologen Bruno Latour, nicht unbedingt ein Freund der Kirchen, zumindest kein unkritischer Aber gerade solche Freunde brauchen wir derzeit gerade.

Latour ist allerdings ein Freund der Sprache der religiösen Kommunikation, der Gottesrede, wie er sagt. Sein Buch „Jubilieren! Über die religiöse Rede“ ist gerade deshalb sehr lohnend. Schuld daran, dass es die religiöse Rede derzeit so schwer hat, sei die Kultur der Doppelklick-Kommunikation. Sie liegt dem Irrtum zugrunde, religiöse Rede würde Wahrheiten mit messbarem Bit-Gehalt im Null-Eins-Modus vermitteln wollen.

Der Sprachmodus der religiösen Rede sei aber das Gespräch zweier Liebender – so wie eben in der heutigen Tageslosung. Sie sei ein ständiger Aufruf zur Veränderung. Zum täglichen Neuanfang. Ziel religiöser Rede sei es, zu erschüttern und zu verwandeln. Dabei ist eine solche Rede ein - wie die Liebe überhaupt - prinzipiell gefährdeter Sprachmodus. Er bleibt immer fragil.

Ein Soziologe und Philosoph, der redet wie ein Reformator. Ich bin fasziniert. Und finde zugleich Kriterien gelingender Liebe im Kontext der Kirche, wie ich das eben genannt habe – wenn Gelingen für die Liebe überhaupt ein tauglicher Begriff ist.

Erschüttern soll sie und verwandeln. Was für ein Programm für die Veränderungen, vor denen wir stehen. Alte, vertraute Formen des miteinander Unterwegsseins, des Kirche-Seins werden derzeit doch in der Tat zutiefst erschüttert. Erträglich – un d zukunftstauglich! - ist das nur, wenn sich die Kirche dabei zugleich auch verwandelt. Neue Formen, neue Wege sucht. Und wir sind dabei doch gerade mittendrin!

Schön, wenn wir diese schwierige Herausforderung dabei als einen Prozess der Liebe sehen – und ihn auch so gestalten. Und die Faktoren der Erschütterung und die der Verwandlung gleichermaßen im Blick haben. Was es dazu braucht, findet sich im heutigen Lehrtext. Da heißt es: „Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht.“ (Kol. 1,11+12) „Tüchtig machen“, in strukturprozessaffiner Sprache gelingendes Empowerment, das ist doch der Schlüssel in all unseren Prozessen. Am Ende muss es ein Projekt sein, bei dem die Betroffenen selber zu Akteurinnen und Akteuren werden.

Ein Veränderungsprozess im Modus der Liebe, in den alle gleichermaßen verwickelt sind! Da kann dann selbst eine Kollegiumsklausur Spaß machen. Als Liebeserklärung an das Erbteil der Heiligen, an die Kirche also. Was für ein besonderer Valentinstag! Ich bin gespannt, wie er weitergeht.

Und darum soll am Ende als musikalische Tonangabe dieses heutigen und morgigen Tages dieser der Losung und dem Lehrtext beigefügte Bitte von Hildegard von Bingen stehen: „Lass mich, o Gott, dein Saitenspiel und Zitherklang deiner Liebe sein.“ Was kann ich da anderes hinzufügen als zu sagen: Amen! Und damit flugs ans Werk!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.