SWR 2 - Wort zum Tab am 3. Mai 2022

03.05.2022

„Wonach ist dir?“, steht in großen Buchstaben auf der Scheibe einer Bäckerei.  Jeden Tag springt mich diese Frage an, wenn ich auf dem Weg in die Stadt an ihr vorbeigehe. Natürlich soll sie den Blick auf die süßen Köstlichkeiten im Schaufenster lenken. Aber ich ertappe mich jedes Mal dabei, dass ich die Frage ganz grundsätzlich verstehe. Und es sind jedes Mal neue Antworten, die mir durch den Kopf gehen.

 Unlängst fiel mir ein Satz aus der Bibel ein. Einer meiner Lieblingssätze. „Seid jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid!“ (1. Petrus 3,15) Ja, danach ist mir, habe ich gedacht. Für die Hoffnung einstehen, die in mir ist. Im Zusammensein mit anderen Menschen. Auch öffentlich.

Nichts ist derzeit nötiger – so kommt es mir vor. Ich höre so viele Sätze, aus denen die pure Hoffnungslosigkeit spricht. Wenn ich mich nur auf meinen Verstand verlasse, dann ist mir auch so zumute. . Ich kenne den Ausweg aus der verfahrenen politischen Situation ja auch nicht. Und wenn ich ihn wüsste, fehlte mir der Einfluss, meine Ideen einzuspielen.

Aber genau hier liegt der Schwachpunkt dieser Argumentation. Glauben heißt hoffen, sogar gegen alle Vernunft. Nur mit Vernunft und Faktenwissen  wäre die Jesus-Bewegung schon am Karfreitag für immer zusammengebrochen. Dass viele Menschen vor gut zwei Wochen aber wieder Ostern gefeiert haben, mehr als 2000 Jahren nach den damaligen Oster-Ereignissen in Jerusalem, das ist für mich ein Beleg für das, was Auferstehung meint. Da hat Gott den ins Recht gesetzt, den die Herrschenden eigentlich schon aus dem Spiel genommen hatten. Da gab es ein Weiter so der ganz anderen Art. Da hat sich ein Ausweg aus der Spirale des Todes eröffnet, mit dem niemand gerechnet hat. Was für eine unglaubliche Hoffnungsgeschichte!

Danach ist mir! Die vielen kleinen und großen Hoffnungsgeschichten der Bibel in Erinnerung zu halten. Und darauf zu vertrauen, dass auch in der gegenwärtigen politischen Situation irgendwo schon ein Weg der Hoffnung begonnen hat. Danach ist mir - wenn ich von meinen Hoffnungen spreche, auch wenn diese nur ein winziger Beitrag sind, um die große Kraft der Hoffnung zu stärken, nach der sich gerade so viele Menschen sehnen. Danach ist mir, dass die Handlanger des Bösen ihrer Macht beraubt werden. Und dass ich mit meinem kleinen Glauben diesem großen Osterglauben, den es hier braucht, auch einen kleinen Schub verleihen kann. Und wenn ich morgen wieder an der Bäckerei  vorbei gehe, wird dies meine Antwort sein: Mir ist nach Hoffnung!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.