Predigt über Matthäus 13,44-46 im Gemeindezentrum in Neuendorf und in der Inselkirche in Kloster auf der Insel Hiddensee (mit einem neuen Choral)

06.08.2023

Liebe Gemeinde

Manchmal müssen wir uns unseren Glauben schon etwas kosten lassen! Da mache ich mich am Samstagabend / Sonntagvormittag auf. Gehe in die Kirche. Obwohl es doch auch genügend gute Gründe und Möglichkeiten gäbe, zu Hause zu bleiben. Oder spazieren zu gehen. Vielleicht auch an den Strand. Stattdessen mache ich mich öffentlich sichtbar als jemand, der die Kirchenschwelle übertritt. Und sei’s auch nur, weil ich hoffe, dass es niemand sieht. Oder weil ich mir wünsche, irgendein Wort zu hören, das mir hilft, mein Leben, meinen Alltag zu gestalten. Oder zumindest auszuhalten.

Manchmal müssen wir uns unseren Glauben schon etwas kosten lassen. Weil mir der Sinn meines Lebens durch die Finger gleitet. Weil ich spüre: Da muss es noch etwas anderes geben als mein tagtägliches Immer-weiter-so! Als dieses manchmal öde Klein-Klein. Das Hamsterrad, aus dem es irgendwie keinen Ausweg gibt.

Im Urlaub kann man das manchmal eher spüren als zu Hause. Wenn der Kopf frei ist, weil keine Termine anstehen. Und die anderen Themen irgendwie in den Hintergrund gerückt werden.

Manchmal müssen wir uns unseren Glauben schon etwas kosten lassen! Da stellt mir jemand dann plötzlich die berühmte Frage, die Gretchen in Goethes Faust an Heinrich Faust richtet, die Gretchenfrage:

„Nun sag’, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub’, du hältst nicht viel davon.“

Also: „Wie hast du‘s mit der Religion?“ Religion kann helfen, entscheidend helfen, dem Sinn des Lebens auf die Spur zu kommen. Auch wenn es mich etwas kostet.

Zwei Beispielgeschichten sollen klarmachen, worum es bei der Suche nach dem Sinn des Lebens geht. Aber ehe ich zu den beiden Geschichten komme, singen wir die ersten beiden Strophen des Liedes auf dem Liedzettel. Den Text habe ich extra für diese Predigt geschrieben. Die Melodie ist eine alter Choralmelodie. „Jesus Christus herrscht als König!“ Sie werden sie Melodie gleich erkennen, wenn die Orgel sie intoniert.

Sinn des Lebens! –  Voller Fragen,
die mich durch mein Leben jagen,
suche ich nach festem Grund.
Will gewiss die Schritte setzen,
mich mit gutem Geist vernetzen.
Mut kommt mir aus Gottes Mund.

Sinn des Lebens – übersehen!
Achtlos wird vorübergehen,
wer die Müh‘ der Suche scheut.
Wer sein Lebensglück will finden,
muss die Trägheit überwinden.
Einsatz zeigen, der nicht reut.

Hört also die erste Geschichte: Im Mittleren Ostern könnte sie spielen, in Afrika oder Lateinamerika. Irgendwo auf der Welt, wo das Land und der Reichtum nur wenigen gehören, aber viele in Armut leben.

Ein Landarbeiter arbeitet auf seinem Acker. Wie jeden Tag. Der Acker gehört ihm nicht. Der Landarbeiter arbeitet für einen anderen. Hart ist die Arbeit und schlecht bezahlt dazu. Im steinigen Boden kann der Pflug nur mit Mühe seine Furchen durch die Erde ziehen. Der Schweiß rinnt dem Arbeiter von der Stirn. Da streikt der Pflug wieder. Immer an derselben Stelle. Ein großer Stein - unter der Erdoberfläche verborgen - macht das Weiterpflügen an dieser Stelle unmöglich. Unfreundliche Worte stößt der Arbeiter aus, nicht würdig, hier wiedergegeben zu werden.

Es hilft nichts. Nun muss er graben. Den Stein mit bloßen Händen aus der Erde herausbuddeln. Niemand ist da, um ihm zu helfen. Leichter kommt er voran als vermutet. Er stößt nicht auf Fels, sondern auf Ton. Ein Krug kommt zum Vorschein. Mehr nicht. Doch der Krug lässt sich nur schwer hochheben. Leer ist der sicherlich nicht. Der Landarbeiter öffnet den Deckel. Da haut es ihn um. Münzen aus purem Gold bis obenhin. Wenn der ihm gehörte, dann hätte er ausgesorgt bis an sein Lebensende. Und der Patron müsste sich nach einem neuen Arbeiter umsehen.

Jetzt nur nichts falsch machen. Niemand hat zugeschaut. Also alles wieder herrichten wie es war. Den Deckel auf den Krug. Den Krug in die Erde. Und mit der Hand schnell eine Furche gezogen. Niemand würde etwas bemerken.

Dann schnell nach Hause und nachgerechnet. Das wenige, das er hat, und vieles wenige von anderen zusammengeliehen, muss ausreichen. Er geht zum Besitzer: "Diesen Acker", sagt er, "auf dem ich schon so viel geschuftet habe, den will ich haben. Du kannst auf ihn verzichten. Aber ich habe ihn mit meinem Schweiß und mit Herzblut getränkt." Der Patron willigt ein. Die Summe, die sein Arbeiter ihm bietet, ist höher als der zu erwartende Ernteertrag.

Auf dem Heimweg kann der Arbeiter kaum an sich halten. Nun gehört er ihm: der Acker und vor allem der Schatz! Kein anderer wird einen Anspruch erheben können. "Ich habe einen Schatz gefunden. Der ist genug für mein ganzes Leben", hämmert es in seinem Kopf. "Jetzt hab ich‚s geschafft. Endlich und für immer. Ich kann‚s nicht glauben!" 

Wir singen die dritte Strophe des angefangenen Liedes:

Sinn des Lebens! – Oft verborgen
hinter Ängsten, Not, und Sorgen.
Einsatz, der sich nicht mehr lohnt.
Doch das Wunder ist geschehen:
Himmelsblick hat mich gesehen!
Menschennah Gott bei mir wohnt.

Hört noch eine andere Geschichte. Im Orient mag sie sich zugetragen haben. Irgendwo in einem Basar, wo ein Verkaufsstand neben dem anderen liegt.

Ein Markt, wie manche ihn schon im Urlaub erlebt haben. Händler an Händler. Dazu alle Düfte des Orient. Gewürze. Gebackenes. Tee und Kaffee. Überall dazwischen brennende Öllampen.

Mittendrin ein Kaufmann. Er handelt mit Schmuck. Alles, was man sich nur vorstellen kann. Kostbares Geschmeide. Glitzernde Armreifen. Perlen und Edelsteine aller Art. Er kauft und verkauft. Wird hereingelegt und haut selber auch andere über‚s Ohr. Schlitzohrig ist er geworden im Lauf der Jahre. Und erfahren dazu. Er kennt sich aus mit Schmuck. Sieht, was sich lohnt. Weiß, wovon man besser die Finger lässt.

Von dem einen großen Fund träumt er, solange er Kaufmann ist. Alle träumen sie davon, wenn sie abends beieinandersitzen im Kreis der anderen Händler. Sagenhafte Perlen soll es geben, rund und schön wie keine anderen. Ein Vermögen wert. Aber keiner hat je eine solche Perle gesehen. Ein Traum ist das. Der Traum jedes Kaufmanns.

Dann - irgendwo bei einem Perlenhändler, als er wieder einmal auf der Suche ist nach neuen Perlen, da traut der Kaufmann seinen Augen kaum. Mitten unter vielen wertlosen Perlen sieht er die eine liegen. Schöner noch, als er sie sich je hat vorstellen können. Der andere Händler ist unerfahren. Aufgefallen ist ihm die Schönheit dieser Perle schon. Aber ihren Wert kann er nicht einmal erahnen.

"Diese Perle will ich", sagt der Kaufmann. Und der andere nennt ihm einen Preis - so hoch, wie er noch nie zuvor einen Preis hat zahlen müssen. Alles, was er hat, würde er für diese Summe drangeben müssen. Aber ganz egal. "Ich zahle", sagt der Kaufmann, auch wenn er noch gar nicht weiß wie. Seine Augen sehen nur die Perle. Und in seinem Kopf ist nur der eine Gedanke: Ich muss sie haben. "Gut", sagt der andere. "Dann nimm sie mit. Sie gehört dir. Aber lass mit dem Geld nicht zu lange auf dich warten."

Himmlisch, das Gefühl, so eine Perle sein eigen zu nennen, denkt der Kaufmann und macht sich auf den Weg, um den Kaufpreis zu beschaffen. Allein wegen dieser Perle hat es sich schon gelohnt, Kaufmann zu werden. Verkaufen würde er diese Perle so schnell aber nicht.

"Wie mit diesen beiden Geschichten", sagt Jesus, "so ist es auch mit dem Himmelreich." Mehr als dieser lapidare Satz Jesu ist uns zu diesen beiden Geschichten nicht überliefert. Diese beiden Geschichten aus dem 13. Kapitel des Matthäus-Evangeliums sind das Evangelium für diesen Sonntag. Und dessen Quintessenz lautet ganz schlicht: "Wie mit dem Schatz im Acker und wie mit der kostbaren Perle, so verhält es sich auch mit dem Himmelreich." Davon singen wir mit der vierten und fünften Strophe:

Sinn des Lebens! – Neu gefunden,
aller Zweifel überwunden.
Neuer Horizont in Sicht.
Zukunft lockt mit andren Wegen,
die ich geh‘ mit Gottes Segen.
Selbst der Umweg schreckt mich nicht.

Sinn des Lebens! – Aufgehoben
dunkler Mächte böses Toben.
Heller Stern steigt mir empor.
Finde meinen Schatz im Leben,
lohnt sich, alles dranzugeben.
Singe froh im Hoffnungs-Chor!

Die beiden Geschichten Jesu sind Gleichnisse. Bildergeschichten. Bilder sind bekanntlich die Sprache der Seele. Meist sind sie viel verständlicher als komplizierte und nüchterne Satzgebilde. Sie sind einprägsam, weil sie bei den Erfahrungen von uns Menschen einsetzen. Darum sollen wir sie auch nicht mit den Augen des Verstandes lesen. Zum rechten Verständnis der Gleichnisse brauchen wir die Augen des Herzens.

Der Verstand sagt uns - ja er muss uns sagen - : Diese beiden Menschen - der Landarbeiter und der Kaufmann - sie sind ganz gehörige Ganoven. Sie behalten ein Wissen für sich. Erwerben sich den Acker bzw. die Perle unter unlauteren Bedingungen. Wer sich heute so verhält, macht sich womöglich sogar strafbar. Der Krug mit dem Gold gehört entweder dem, der den Acker besitzt, als der Krug gefunden wird. Oder er gehört sogar der Allgemeinheit. Heute würde der Krug vermutlich im Museum landen. Und der Besitzer des Ackers hätte - von einer Abfindung abgesehen - das Nachsehen.

Nicht viel anders verhielte es sich mit der Perle. Wehe, der Vorbesitzer bekäme heraus, dass sein Kunde ihn hinters Licht geführt hat. Vermutlich brächte er ihn vor Gericht - und das völlig zurecht.

Lebensklug sind diese beiden! Gute Vorbilder aber nicht! Die beiden Gleichnisse wurden auch nicht deswegen erzählt. Das, worauf es bei diesen Gleichnissen ankommt, die Wahrheit des Bildes - die ist eine andere. Die Wahrheit ist, dass es den Sinn des Lebens nicht einfach zum Nulltarif gibt. Dass Menschen sich ihren Glauben etwas kosten lassen. Nicht gezwungenermaßen. Sondern freiwillig. Weil sie spüren. Hier geht’s um’s Ganze. Hier geht’s um mich!

Beide Gleichnisse erzählen im Grunde vom unverhofften Finden eines Schatzes. Eines Fundes, der sich als Glücksfall erweist. Viele haben womöglich schon von einem solchen Fund geträumt. Einmal im Leben den ganz großen Gewinn einstreichen. Einmal im Leben einen großen Wurf landen.

Viele hoffen an jedem Tag ihres Lebens auf das große Glück. Oft ohne zu wissen, worauf sie im konkreten wirklich hoffen. Wichtig ist: Das Glück wird in vielen Münzen ausgezahlt. Nur ein paar will ich nennen:

·      Das Glück der Menschen, mit denen wir leben.
·      Das Glück des Gelingens, beruflich wie privat.
·      Das Glück eines zu Herzen gehenden Wortes.
·      Das Glück eines Arbeitsplatzes.
·      Das Glück einer guten Ernte.
·      Das Glück eines schönen Abends im Kreis der Freundinnen und Freunde.
·      Das Glück eines erholsamen Urlaubs.

Das meiste aus dem, was ich gerade genannt habe, fällt uns nicht einfach in den Schoß. Wir müssen schon auch etwas dazu beitragen, damit wir das Glück nicht verpassen.

Deshalb ist ein entscheidender Teil der Botschaft des Gleichnisses eben dieser: Wenn der unverhoffte Fund wirklich zum gossen Glücksfall des Lebens werden soll, dann muss man, wenn‚s drauf ankommt, alles andere drangeben. Der Lohnarbeiter, der Kaufmann - sie bekommen ihren Schatz nicht als großzügige Zugabe. Sie erhalten ihn gewissermaßen im Tausch - auch wenn das, was ihnen winkt, das, was sie drangeben, um ein Vielfaches übertreffen mag.

Mitten im Leben hat sie plötzlich etwas angerührt, was der große Schatz ihres Lebens sein könnte. Was ihr Leben zu einem sinnvollen und gelingenden macht. Das ist das eine. Das durchaus Wohltuende, manchmal Glücklichmachende. Und gewiss das Leichtere. Diesen Schatz dann aber auch anzunehmen. Ihn umzutauschen in die Münzen des eigenen Lebens; anderes, alles andere dafür dran zu geben. Das ist das andere. Und allemal der schwierigere Teil unserer lebenslangen Schatzsuche.

Die Botschaft der Gleichnisse Jesu ist eine Weise, diesen Schatz zu entdecken. Wichtig ist, dass wir den Schatz und die Perle nicht aus den Augen verlieren.

Der, dem wir die Gleichnisse vom Reich Gottes und vom Reich der Himmel verdanken, Jesus aus Nazareth, er ist selber menschgewordenes Gleichnis der Menschenfreundlichkeit und Weltzugewandtheit Gottes. Wir dürfen es uns ruhig etwas kosten lassen, dieses Reich zu entdecken. den Schatz in Besitz zu nehmen. Und darin den Sinn des Lebens zu entdecken.

Darum hört jetzt am Ende das Evangelium noch einmal – mit den knappen, aber ausreichend klaren Worten der Bibel:

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie. Amen.

Sinn des Lebens! - Himmelsboten
helfen Wege auszuloten,
die zu geh’n ich nicht gewagt.
Gott wird meine Hoffnung nähren
und getrübte Aussicht klären.
Hell ein neuer Morgen tagt.

Sinn des Lebens – mir erworben
hab ich Güter, nicht verdorben.
Was sie wert sind, hat Bestand.
Gottes Ja-Wort lässt mich leben,
wird, was ich entbehrt, mir geben.
Offen liegt der Zukunft Land.

Der neue Choraltext ist im August 2023 auf der Insel Hiddensee entstanden.)

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.