Predigt im Gottesdienst im Rahmen der Sommerpredigtreihe „Elementar – LUFT“
am Sonntag, 18. August 2024 (12. S.n.Tr.)
in der Stadtkirche in Karlsruhe
integriert: Das Lied vom Lufthauch Gottes (Text: Traugott Schächtele)
(Melodie EG 665: Wir haben Gottes Spuren festgestellt)
Predigt: Teil 1
Heute also das Element „Luft“. Eines der vier Elemente, auf die die alten Griechen alle anderen Stoffe zurückgeführt haben. Neben der Luft gibt es da dann noch die Erde, das Wasser und das Feuer. Alle vier Elemente sind ja eigens Thema eines Gottesdienstes hier in der Stadtkirche. Heute. Und an den kommenden Sonntagen.
Anaximenes, der in der Mitte des ersten Jahrtausends vor Christus gelebt hat, war sich sicher: Auf die Luft kommt es vor allem an. Mehr als auf alles andere. Alle anderen Elemente entstehen, wenn man die Luft unterschiedlich stark zusammenpresst.
Immerhin hat es die Luft heute geschafft, Leit-Thema eines Gottesdienstes zu werden. So oft wird es das noch gar nichtgegeben haben. Ich bin froh, dass mir die Luft als Thema zugespielt worden ist. Was wünsche ich mir mehr in diesen heißen Tagen als frische, wohltuende Luft. So, wie es sie manchmal nach einem heißen Tag und einer tropischen Nacht früh am Morgen gibt.
Schade, dass wir die große Nachbildung unseres Planeten Erde im Rahmen des Gaia-Kunstprojektes heute noch nicht sehen können. Dass die Erde so schön aussieht, hat sie der Luft zu verdanken. Ohne Luft geht auf dieser Erde gar nichts. Die Erde wäre wieder wüst und leer. Tohuwabohu – wie auf der ersten Seite der Bibel beschrieben.
Zum Glück aber ist die Erde in ein Kleid aus Luft gehüllt. Die Atmosphäre, die die Erde umgibt, sie besteht aus 78 Prozent Stickstoff und aus 20 Prozent Sauerstoff. Sehen könnten wir sie nicht. Gas ist unsichtbar. Aber durch die Schmutzpartikel, die sich in der Atmosphäre verfangen und die vom Sonnenlicht reflektiert werden, ist die Luft dann doch indirekt sichtbar. Erkennbar wie eine dünne bläuliche Schicht. Sie legt sich wie ein Kreis, eigentlich wie eine Kugel oder wie in Mantel um die Erde.
Es sind fünf solcher Kugeln, die die Wissenschaft unterscheidet und die übereinander liegen. Fünf Schichten der Atmosphäre. Und natürlich – je höher wir kommen, umso dünner wird die Luft. Schon die hohen 9000er Berge machen es nötig, dass die Bergsteiger eigenen Sauerstoff in einer Flasche mit sich führen. Und ganz oben, jenseits von 800 km geht die Atmosphäre dann in den Weltraum über. Ein lebensgefährlicher Ort, weil es dort dann keine Luft mehr gibt.
Aber die Luft meint vielmehr als das Gasgemisch, das uns Menschen, den Tieren und Pflanzen Leben ermöglicht. Die Luft ist der Lebensraum, in dem wir uns bewegen. Weit über ihre chemische Zusammensetzung und ihre biologische Bedeutung für alles Leben hinaus. Viele Redensarten gibt es, in denen die Luft zum Bild wird. Mir kann die Luft ausgehen. Etwas kann aus der Luft getroffen sein oder in der Luft liegen. Manchmal herrscht dicke Luft. Aber dann ist sie auch wieder rein.
Manchmal produzieren wir nur heiße Luft. Und in vielem, was wir zu tun beabsichtigen, herrscht noch Luft nach oben. So sehr, dass wir zu lassen, dass die Luft verschmutzt wird. Dass sie sich zu stark erwärmt. Dass die Luft ungenießbar wird. Längst ist die Luft krank. Und wir müssen aufpassen, dass wir überhaupt noch welche bekommen.
Die Luft lässt sich aber nicht nur im Labor analysieren. Das geht auch mit den Mitteln der Theologie. Mit dem Werkzeugkasten der Bibel. Und mit den Messergebnissen des Glaubens. Drei geistliche Luftproben möchte ich heute mit Ihnen nehmen. Und wer weiß, am Ende schätzen wir die Luft wieder mehr als eines der unverzichtbaren Elemente des Lebens.
Der Vorbereitung der geistlichen Luftproben dienen Liedstrophen, die ich für diesen Gottesdienst geschrieben habe. Ein neuer luftiger Text auf eine vertraute Melodie. Konkret auf die Melodie des Liedes „Wir haben Gottes Spuren festgestellt.“ Wir singen die ersten beiden Strophen.
1. Du schufst den Menschen, schufst die ganze Welt,
gabst Atemhauch und Namen,
im großen Wirrwarr mich die Hoffnung hält:
Du schaffst Halt und einen Rahmen.
Leben ist möglich, wahr wird so mein Traum!
ich seh‘ die Erde blühen,
und dieser schöne Ball im Weltenraum
lässt unsere Hoffung glühen.
2. Erde und Wasser, Feuer auch und Luft
sind deine Elemente.
Köstlich erfreut mich deiner Schöpfung Duft.
Und wenn jenen Ort ich fände,
den zu gestalten du mir Weisung gibst -
schnell macht‘ ich mich ans Werke,
ahne, wie du dein Schöpferhandeln liebst,
hab‘ Teil an deiner Stärke.
Predigt: Teil 2
„Gott ist Luft für dich? Dann bitte tief einatmen!“ Diesen Satz habe ich unlängst in einem Interview mit einem Theologen gehört. Besser, so habe ich gedacht – besser kann man das große Dilemma unserer Tage nicht in Worte fassen. „Gott ist Luft für mich!“ Dem Satz stimmen immer mehr Menschen zu. Aber dennoch könnte Gott doch so hilfreich sein wie die Luft zum Atmen.
Zugleich ist dieser Satz in sich selbst widersprüchlich. Ohne Luft kein Leben. Und wenn Gott für mich Luft ist, dann wäre es doch in der Tat höchste Zeit, kräftig einzuatmen. Und die Lunge mit dieser Luft zu füllen. Sie wie manche Menschen es in einem Stollen in einem Bergwerk oder in irgendeinem Salzkristallraum tun. Gute Luft als Grundlage der eigenen Genesung.
Kein Wunder, dass Menschen Gott mit Luft in Verbindung bringen. Ganz am Anfang der Bibel wird nämlich folgendes berichtet – und das wäre unsere erste geistliche Luftprobe:
Lesung: 1. Mose 2,4b-7
Es war zu der Zeit, da Gott der Herr Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen. Denn Gott der Herr hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; aber ein Strom stieg aus der Erde empor und tränkte alles Land. Da machte Gott der Herr den Menschen aus Staub von der Erde und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.
Kleine Orgelimprovisation oder unterlegt
Einen kleinen Ausschnitt aus der Schöpfungsgeschichte haben wir gehört. Zum ersten Mal ist Gott hier Luft für den Menschen. Durch diese göttliche Mund-zu-Mund-Beatmung ist der Erdenkloß dann ein lebendiges Wesen geworden. Wer atmet, lebt. Auch in einem übertragenen Sinn kann ich diese Erfahrung immer wieder machen. Wenn ich spüre, dass es da etwas gibt, das Leben in mich bringt, wenn mir die Lust daran auch mal abhandenkommt. Wenn ich eine Lebendigkeit spüre, die nicht aus mir selber kommt. Das fühlt sich dann an, wie wenn ich von der Luft Gottes koste.
Und wenn Gott einmal wirklich für mich Luft zu werden droht - wenn ich Gott irgendwie verliere, dann bleibt mir immer noch die Möglichkeit zu tun, was der Theologe in seinem Unterview geraten hat. Dann hilft am Ende immer noch, Gott tief einzuatmen – im Widerspruch oder im Gebet. Im Aushalten der Leere oder in neugewonnener Dankbarkeit. – Davon lasst uns singen mit der nächsten, der dritten Strophe.
3. Eh‘ du dem Menschen Atem eingehaucht,
war er nur Sand und Erde.
Es hat von dir nur dieses Wort gebraucht
dass daraus das Leben werde.
Luft lässt uns leben! Es braucht deinen Geist,
dass wir zu Menschen werden
und dankbar lernen, was das wirklich heißt:
Ich bin erwünscht auf Erden.
Predigt: Teil 3
Liebe Gemeinde! Der fünfte Tag ist der am meisten vergessene Tag der Schöpfung! Wir kennen den ersten, als Himmel und Erde erschaffen werden. Dann die Erschaffung des Lichtes und der Finsternis. Die von Mond und Sternen. Wir wissen, wann das Wasser erschaffen wird und wann die Erde ihr Pflanzenkleid erhält. Natürlich haben wir die Erschaffung des Menschen im Blick, ehe Gott am Sabbat dann eine heilsame und heilige Unterbrechung inszeniert.
Die Erschaffung der Fische und der Vögel, das Ergebnis des Handelns Gottes am fünften Tag, das fällt oft einfach hinten runter. Ich lade sie ein, jetzt dem fünften Tag Gehör zu schenken. Das wäre dann die zweite geistliche Luftprobe
Lesung: 1. Mose 1,20-23
Und Gott sprach: Es wimmle das Wasser von lebendigem Getier, und Vögel sollen fliegen auf Erden unter der Feste des Himmels. Und Gott schuf große Seeungeheuer und alles Getier, das da lebt und webt, davon das Wasser wimmelt, ein jedes nach seiner Art, und alle gefiederten Vögel, einen jeden nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott segnete sie und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet das Wasser im Meer, und die Vögel sollen sich mehren auf Erden. Da ward aus Abend und Morgen der fünfte Tag.
Kleine Orgelimprovisation oder unterlegt
Die Luft ist der Lebensraum der Vögel. Der weite offene Raum über uns, den wir so gerne einfach den Himmel nennen. Wenn Gott im Himmel ist, muss der Himmel gewissermaßen in der Luft liegen. In einem weiten Raum über den Wolken. Grenzenlos. „Alle Ängste, alle Sorgen blieben darunter verborgen.“ Reinhard Mey beschreibt in seinem Lied den luftgefüllten Himmel über uns. Aber natürlich: An Flugzeuge war im Schöpfungsbericht nicht zu denken. Und sie tun der Luft über uns ohnedies nicht gut.
Die Zahl der Vogelarten nimmt ab. Die Zahl der Vögel auch. Gut, wenn es uns gelingt, dass die Luft über uns von Neuem zum Lebensraum der Schöpfung wird. Nach dieser zweiten geistlichen Luftproben wird es Zeit, wieder zu singen, jetzt die Strophe 4!
4. Du machst die Luft zu deinem Lebensraum.
Lässt durch das All uns schweben.
In jedem Garten und von jedem Baum
seh‘ ich Vögel sich erheben,
die du geschaffen, so wie jedes Tier,
lässt uns von Eden träumen.
Lust an der Zukunft finden wir bei dir.
Nichts müssen wir versäumen.
Predigt: Teil 4
Liebe Gemeinde! Jetzt wird die Luft zum geistlichen Lebenselixier Gottes. Gott braucht nicht nur selbst Luft. Gott ist die Lebensluft schlechthin. Und die Luft wird zum Ort, an dem Gott aus seiner Verborgenheit heraustritt. Für Elia ist Gott mit einem Mal Luft. Aber so sehr, dass diese Luft an Lebensqualität, an Gottesqualität nicht mehr übertroffen werden kann.
Hört, als dritte geistliche Luftprobe, wie Gott sich aus der Luft heraus zu erkennen gibt!
Lesung: 1. Könige 19,11-13
Der Herr sprach zu Elia: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr ging vorüber. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der Herr war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.
Kleine Orgelimprovisation oder unterlegt
Gott, so ganz anders als erwartet! Gott steigt nicht vom Berg herunter, begleitet von Blitz und Donner! Gott versetzt keine Berge. Gott bringt nicht alle anderen zu Schweigen. Nein, Gott kommt so ganz anders. So unerwartet anders. Erweist sich als Gott der leisen Töne. Als Gott des sanften Windhauches. Als Gott – erkennbar in einem unhörbaren, leisen Luft-Wehen.
Gott gibt sich zu erkennen. So wie Gott sich auch in meinem Leben, in unser aller Leben zu erkennen gibt. Indem, dass ich bin. Dass ich leben darf. Gegen alle Mächte des Bösen. Inmitten aller Gleichgültigkeit. Manchmal sogar inmitten meines Schmerzes, wenn es scheinen will, Gott sei mit abhanden gekommen.
Gott ein Lufthauch nur. Und doch da. Und doch wirksam. Und doch präsent. Wie die Luft zum Atmen. Ja, wirklich, Gott als Lebenselement Luft. Unverzichtbar. Mich am Leben haltend.
Was bleibt mir am Ende, als nur dieses kleine Stoßgebet. Voller Dank. Voller Gewissheit, dass ich gemeint bin: „Gott, Luft bis du für mich. Lebensluft. Und weil du Luft für mich bist, will ich einatmen. Mit den Worten: Ja, du bist da! Und dann ausatmen. Mit dem Bekenntnis: Deshalb darf auch ich da sein. Und leben!“ Amen.
5. Gott, du verbirgst dich gern im leisen Ton,
scheust unsern lauten Jubel.
Menschlich wirst du uns Schwester, Bruder schon.
Nicht im bunten Schöpfungstrubel
lässt du dich finden. Dir reicht Luft und Hauch.
Säuselnd die Winde raunen
von deinem Dasein. Und wir spüren auch:
Du lehrst uns neu das Staunen.
Bekenntnis des Glaubens an Gott – lebendig in Erde, Wasser, Luft und Feuer
Ich glaube an Gott, / in uns und durch uns hindurch wie die Luft zum Atmen. / Die Erde wäre nicht ohne ihn. / Feuer und Wasser weist er ihren Ort zu. Gott macht die Elemente stark, um seiner Schöpfung Struktur und Raum zu geben und sie zu einem Ort der Bewahrung zu machen. / Er setzt ihnen Grenzen, wo sie Unheil verursachen.
Ich glaube an Jesus, / für den niemand einfach Luft war. / Nah waren ihm die Menschen, damit sie so werden konnten, wie er sie gedacht hatte. / Gott war in ihm, und aus seinem Gesicht leuchtet den Menschen Gottes Gegenwart entgegen bis heute. / Für die Menschen trat er in die Bresche, setzte ein, was er hatte: sein Leben und sein Leuchten aus Gott heraus. / Der Tod fand in ihm seine Grenze. Und er wurde so zum Anbahner neuer Lebendigkeit für alle. / Dem Bösen entwand er dessen Macht für immer. / Neu atmen lässt er mich die Luft der Verheißung, ohne die niemand leben kann.
Ich glaube an den Geisthauch Gottes, / Lebensluft und Lebenslust für alle in der Gemeinschaft der Menschen guten Willens zugunsten der Schöpfung und der Wahrheit der weltweiten Verbundenheit allen Lebens. / Verwandelt kann ich neu aufstehen. / Jeder Tag ist der Beginn der neuen Schöpfung Gottes, schon jetzt, mitten im Alten. / Mehr brauchts nicht. / Amen.