Ihr seid ein Brief! - SWR 2 Wort zum Tag am 23. März 2024

23.03.2024

Der Gang zum Briefkasten gehört für mich jeden Tag dazu. Kaum höre ich die Klappe, weil jemand etwas eingeworfen hat, da werde ich auch schon neugierig. Und schaue nach, was sich im Briefkasten findet. Ehrlich gesagt, es ist immer weniger und immer belangloseres Zeug. Selbst Rechnungen kommen inzwischen meist per Mail. Und persönliche Nachrichten über einen Nachrichtendienst auf dem Handy. Der Briefkasten verkommt zusehends zum Relikt einer zu Ende gehenden Zeit. Trotzdem komme ich von meinem Gang zum Briefkasten nicht los.

Ein Brief ist ja viel mehr als nur ein Medium, um eine Nachricht zu überbringen. Schon am Format erkenne ich, ob ein persönlicher Absender schreibt oder eine Firma. Ich spüre, ob der Umschlag gefüttert ist. Und ich nehme wahr, ob es sich um einen Serienbrief handelt oder ein persönlich an mich gerichtetes Schreiben. Die erste Botschaft sendet ein Brief also längst, bevor ich ihn überhaupt gelesen habe.

Der Apostel Paulus war ein leidenschaftlicher Briefeschreiber. Kritiker haben aber von ihm erwartet, dass er sich auch als Apostel ausweist. Dass er Referenzen und Zeugnisse vorlegen kann. Wie bei einer Bewerbung. Da verweist Paulus auf die von ihm gegründete Gemeinde in Korinth. An die schreibt er: „Ihr seid mein Beglaubigungsschreiben. Mehr noch: Ihr seid ein Brief Christi!“ (2. Korinther 3,3) Das heißt doch: An euch, an eurem Zusammenleben, an den Botschaften, die ihr in die Welt sendet, ist abzulesen, wofür ihr steht. Ein schönes Bild ist das, finde ich. Das Zusammenleben in der Gemeinde als ein Brief, den andere öffnen und lesen können. Vielleicht kann ich selber auch für andere ein Brief sein. Ein Mensch, dem andere abspüren können, wofür er steht. Was ihm wichtig ist. Und am liebsten bin ich das mit einer guten Nachricht: Du bist für mich wertvoll. Manchmal bin ich vielleiht auch ein Mahnschreiben. Aber ich möchte möglichst selten als vernichtendes Urteil wahrgenommen werden.

Dass die Mitmenschen um mich herum mich wie einen Brief lesen können, der eine gute, eine hilfreiche Nachricht übermittelt, das wünsche ich mir. Etwas von dem, was mich zu einem Brief Christi machen könnte, ist hoffentlich auch dabei. Weil es mir wichtig ist, etwas von seiner Botschaft der Menschenfreundlichkeit Gottes in die Welt und unter die Menschen zu bringen. Und wenn nicht als Brief, dann gerne als Mail oder Tweet oder als Wort zum Tag!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.