SWR Kultur "Wort zum Tag" vom 19. August 2024
„Gott schätzt uns, wenn wir singen! Aber wenn wir tanzen, liebt er uns“! Von Augustinus stammt dieser Satz, der vor mehr als eineinhalbtausend Jahren gelebt hat. Ich bin - ehrlich gesagt - kein allzu begeisterter Tänzer. Dafür singe ich gern. Trotzdem habe ich in diesem Sommer über das Tanzen nachdenken müssen.
Studierende einer Dresdner Tanzhochschule waren eine Woche lang auf der Insel Hiddensee, wo wir Urlaub gemacht haben. Die haben da überall getanzt. An ganz verschiedenen Orten. Am Hafen. In der Natur. In der Kirche. Immer wieder anders gekleidet. Und in wechselnden Formationen. Ein fantastisches Erlebnis! Mir kam es vor, als könnten sie immer wieder für einen Moment die Gesetze der Schwerkraft außer Kraft setzen. Der Gegensatz von Kopf und Körper? - irgendwie schien er wie aufgehoben. Kein Wunder, denn von der großen Tänzerin und Tanzlehrerin Gret Palucca, nach der die Hochschule benannt ist, , stammt der Satz: „Ihr müsst mit dem Kopf tanzen und mit den Beinen denken!“
Dieser Satz dreht die normalen Verhältnisse auf den Kopf. Man denkt doch mit dem Kopf und tanzt mit den Beinen. Die Schwierigkeit dabei: Man bekommt beides eben oft nicht zusammen. Mit dem Kopf tanzen und mit den Beinen denken – diese Umkehrung des Gewohnten hat mich an einen Satz des Paulus erinnert. Der schreibt einmal: „Ihr müsst mit dem Herzen glauben und mit dem Mund bekennen, dann werdet ihr Gerechtigkeit und Rettung finden.“ (Römer 10,10) Und dieser Satz macht auch umgekehrt Sinn: Gerade mein Bekennen muss doch tief in meinem Herzen verankert sein. Dann kann ich auch mit meinem Mund meinen Glauben öffentlich machen.
Manche Wahrheiten entdeckt man eben erst, wenn man das Gewohnte einmal auf den Kopf stellt. Das gilt für den Satz von Palucca genauso wie für den des Paulus. Für meinen Glauben könnte das heißen: In meinem Herzen kommt mein Glaube in Bewegung. In einen inneren Dialog der Wahrheit. Da formt sich mein eigenes Bekennen. Dann erst kann ich über meinen Glauben auch mit anderen ins Gespräch kommen und ihn so festigen und weiterentwickeln. Kann sagen, was mich in meinem Leben trägt. Gerade auf das Letzte kommts mir an. Mit meinem Glauben nicht hinterm Berg zu halten. Sondern im Gespräch mit anderen Suchbewegungen in Gang zu bringen. Meine eigenen Fragen zu klären. Und andere Menschen auch in ihrem Suchen, in ihrem Glauben in Bewegung zu bringen. Fast wie beim Tanzen. Vielleicht sollte ich es wagen, mich auf beides neu einzulassen!
Traugott Schächtele aus Freiburg von der evangelischen Kirche