Morgen, Kinder, wird's was geben - Wort zum Tag (SWR Kultur) am 23. Dezember 2024

23.12.2024

„Morgen, Kinder, wird’s was geben!“ Als Kind habe ich dieses Lied manchmal gesungen. Das Lied für den Tag vor Heiligabend. Wenn ich das Warten fast nicht mehr ausgehalten habe. „Einmal werden wir noch wach, Heysa, dann ist Weihnachtstag!“

Aus erwachsener Perspektive sehe ich natürlich etwas anders! Aber als Kind – da war für mich das Warten auf die Weihnacht das Spannendste.. Was für eine aufregende Zeit: Jeden Sonntag eine Kerze mehr auf dem Adventskranz. Jeden Tag ein weiteres offenes Türchen im Adventskalender. Dazu all die die wunderbaren Spielzeug-Prospekte in der Zeitung. Die waren für mich eine pure Glücks-Lektüre!

Und dann vor allem der Tag, nach dem ich nur „noch einmal“ würde wach werden müssen – es war für mich der heimliche Höhepunkt meiner Weihnacht. Sicher - wenn wir Kinder an Heiligabend ins Wohnzimmer zum Christbaum mit den brennenden Kerzen durften, da war für mich schon ein Zauber spürbar. Doch eigentlich war der Heiligabend aus meiner kindlichen Sicht vor dem Beginn der häuslichen Feier ganz schön anstrengend. Da habe ich mich oft eher im Weg gefühlt. Da hatten die Erwachsenen ihr eigenes vorweihnachtliches Programm.

Doch an den Tagen davor, vor allem am letzten Tag, da konnte ich es vor Warten kaum aushalten. Das war für mich die heimliche „kleine Weihnacht“ vor der großen. Da habe ich mir all das vorgestellt, was ich in meinem kindlichen Gemüt mit Weihnachten in Verbindung gebracht habe. Das Warten als gedankliche Vorwegnahme dessen, was noch aussteht. Ich vermute, wirklich anders ist das heute auch nicht. Es geht nicht einfach nur um die Erinnerung an eine rührselige Geschichte von der Geburt eines Kindes vor 2000 Jahren. Es geht auch um die Erfahrung, dass da noch etwas aussteht im Leben. Dass es zwischen meinem Leben in der Gegenwart und meinen Träumen von der Zukunft eine gewaltige Lücke klafft. Dass ich mit diesem Kind die Hoffnung verbinde, dass da noch mehr möglich ist. Dass Gott noch mehr möglich macht. Mehr „Friede auf Erden“. Mehr Gerechtigkeit. Mehr Nächstenliebe.

Ein klein wenig Heilig-Vorabend möchte ich heute feiern. Wie schon damals als Kind. Schon heute auf eine weihnachtliche Geschichte hören. Oder ein paar Wünsche und Sehnsüchte auf einen Zettel schreiben und den morgen unter den Christbaum legen. Morgen „wird‘s was geben“ – das stimmt. Aber wir stehen auch heute nicht mit leeren Händen da.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat i.R., Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, Opa, liest und schreibt gern.