Spiritueller Impuls am Beginn des digitalen Gesundheitskongresses MuTiG in die Zukunft! Digital & nah am Menschen am Mittwoch, 23. September 2025

23.09.2025

„Die erste Viertelstunde ist das Steuerruder des Tages!“ In den ersten 15 Minuten entscheidet sich also womöglich schon, in welche Richtung der Tag läuft. Diese Einsicht stammt nicht von einem Theologen oder einer Therapeutin unserer Tage. Sie stammt vom Kirchenvater Augustinus, der das im 5. Jahrhundert gesagt und festgehalten hat.

Die erste Viertelstunde dieses Gesundheitskongresses ist ja bei allen nicht die erste Viertelstunde des Tages. Aber vielleicht entscheidet sich jetzt, welche Richtung diese Veranstaltung nimmt. Deshalb möchte ich gleich drei Menschen in Erinnerung rufen. Menschen, deren Wirken uns positiv beeinflussen kann. Und die so zum Ruder des Tages werden können. Und als Zugabe füge ich dann noch eine kleine Weisheit unserer Finger hinzu.

 

Bild 1: Seiltänzer

Erste Person am Steuerruder des Tages! Gestern vor einer Woche ist Johann Traber gestorben. Heute Nachmittag um 14 Uhr wird er in Breisach am Rhein beerdigt, Auch wenn viele hier mit dem Namen Traber womöglich erst einmal gar nichts verbinden. Hier in Freiburg, wo ich mich gerade befinde, kennen ihn viele. Eigentlich ist Johann Traber weltberühmt Er ist die Gallionsfigur der Traber-Familie, eine der berühmtesten Artistenfamilien überhaupt. Die Trabers sind Hochseilartisten. Johann Traber wurde sogar auf einem Seil getauft. Die Artistentradition seiner Familie reicht 500 Jahre zurück. Es gibt kaum eine Herausforderung, der die Trabers nicht nachgekommen sind. Schon als Kind habe ich sie mit dem Motorrad vom Freiburger Münsterturm herunterfahren sehen. Ähnliches haben Sie auch von der Zugspitze aus getan. Sie haben die Niagarafälle überquert. Sie halten den Weltrekord für die längste Strecke, die je auf einem Hochseil zurückgelegt wurde, 640 Meter. Mit 96 Km pro Stunde hält ein Familienmitglied auch den Geschwindigkeitsrekord mit einem Motorrad auf einem Hochseil.

Warum sind Menschen so verrückt? Warum gehen Sie an die Grenze des Denkbaren und Möglichen? Warum gehen Sie so mutig in die Zukunft? Und bleiben dabei doch nah am Menschen? Das sind die Trabers nämlich immer geblieben. Sie haben sich nahbar gezeigt, gerade als schwere Unfälle zu schweren Verletzungen und auch zum Tod eines der Söhne von Johann Traber geführt habenJohann Traber war ehrlich: "Das Schönste ist immer der Applaus und die Bewunderung" hat er einmal gesagt. Die Sehnsucht nach dem „Gesehen werden“ teilt er mit vielen Menschen, die darunter leiden, dass gerade das oft leider nicht so einfach erfolgreich eingefordert werden kann.

 

Bild 2: Bergsteiger

Zweite Person am Steuerruder des Tages! Mutig wie die Trabers war auch Laura Dahlmeier. Als Sportlerin, die in ihrer Sportart, dem Biathlon, mehr Goldmedaillen für sich erkämpft hat, als alle anderen. Siebenmal Gold bei Weltmeisterschaften, zweimal bei Olympischen Spielen. Sie hat schon in ihr Sportlerinnen-Leben so viel hineingepackt, dass sie ihre Karriere bereits mit 26 Jahren beendet hat. Was sie ausgezeichnet hat, war der Wille, ein Ziel auch zu erreichen. Sie sagte einmal: „Am Berg kann man ja auch nicht sagen: Ich mag jetzt nicht mehr, ich höre auf. In der Wand musst du dich zusammenreißen.“ Aber nach dem Tun kommt auch das Lassen. Noch einmal ein Zitat: „Wenn ich einen coolen Vormittag gehabt habe, draußen in den Bergen war, mich bewegt habe, dann kann ich auch mal einen guten Nachmittag mit weniger Bewegung verbringen und drinnen rumsitzen“. Muße und Arbeit – Tun und Ruhn – diesen Zusammenhang hat sie für sich wahrgenommen und in ihr viel zu früh beendetes Leben hineingezogen.

 

Bild 3: Segler

Bleibt eine dritte Haltung, eine dritte Person am Ruder des Tages. Und die hate es wirklich mit dem Steuerruder zu tun. Ich spreche von Boris Hermann. Boris Hermann ist Weltumsegler. Den berühmtesten Wettberwerb der Weltumsegler, den Vendée Globe 2024/25 beendete er vor einigen Monaten auf Platz 12. Mir hat gefallen, was er am Ende gesagt hat. Einen schlichten und sicher ehrlichen Satz: „Ich will einfach nur nach Hause, das ist alles!“ Von einem realistischen Blick zeugt das. Das Private, die Sehnsucht nach dem Rückzug an den schützenden Ort – sie muss auch zu ihrem Recht kommen. Ich muss nicht zu jedem Zeitpunkt die Welt aus den Angeln heben.

Der Beifall, das Wahrgenommen werden wollen, die Willensstärke und der Erfolg, die geballte Energie, auch da einfach durchzuhalten, wo ich an meine Grenzen kommen, und der Rückzug aus dem ständigen Gefordertsein – das sind drei Haltungen, die sich ergänzen, wenn ich nicht schaden erleiden will an Leib und Seele. Und den Dreien, die ich eben in Erinnerung gerufen habe, ist das ja auch nur unterschiedlich gut gelungen. Vielleicht braucht es noch etwas anderes zur Unterfütterung. Eine Haltung, die alles miteinander verbindet.

Deshalb will ich in diesem sprituellen Impuls jetzt noch für die Weisheit der Hände bzw. der Finger, genauer gesagt für die Fünf-Finger-Regel werben.

 

Bild 4: Hand

Jeder Finger wird zum Repräsentanten einer möglichen Lebenshaltung. Aber nur im Konzert, im Zusammenwirken aller Finger entsteht ein Mix, der mich am Ende gut leben lässt.

Ich beginne mit dem Daumen! Er ist der solideste meiner Finger. Er erdet mich. Ist wahrhaftig nicht der agilste. Der Daumen ist ein Solist. Aber er kann Druck ausüben, wenn’s drauf ankommt. Die Weisheit des Daumens lautet: „Das bin ich! Ich mit meinen Kernkompetenzen!“

Der nächste Finger, der Zeigefinger – der macht auf sich und auf mich aufmerksam. Er reckt sich in den Himmel. Bleibt immer beweglich. Kann, wenn‘s draufankommt, nach oben schnellen. Die Weisheit des Zeigefingers, die Weisheit von Johann Traber, sie lautet: „Das bin ich: Ich will gesehen werden!“

Der Mittelfinger hat‘s nicht leicht.  Er gerät schnell unter Verdacht: als Stinkefinger! Er ist der Bad gay unter den Fingern. Aber er sorgt für die Mitte. Auch wenn er meist keine gute Presse hat. Die Mittelfinger, das ist der Schattenfinger! Seine Weisheit lautet: „Das bin ich! Auch wenn ich manchmal nur als Stinkefinger etwas tauge. Aber den brauchts manchmal halt auch!“

Der vierte Finger ist der Ringfinger. Der Finger der Identität. Als Finger für den Ehering. Als Anzeige des Beziehungsstatus‘. Oder meines Lebensstatus‘ überhaupt. Für sich allein ist der Ringfinger selten im Einsatz. Er zielt auf andere. Er will immer eine Botschaft loswerden. Der Ringfinger ist also der Statutsfinger. Seine Weisheit lautet: „So bin ich: Und so sollt ihr mich auch wahrnehmen!“

Bleibt der kleine Finger.  – Agil ist er, hilft bei der Balance der Handbewegung. Ist beweglich wie kein anderer Finger. Der kleine Finger ist der Anti-Daumen! Seine Weisheit lautet: „Das bin ich! Von mir habt ihr mehr als ihr ahnt. Aber ihr müsst mit meiner Frechheit leben. Und manchmal schlage ich auch ein wenig über die Stränge!“

So kann die Hand zu meiner Weisheitslehrerin werden. Sie kann mir helfen, das Steuerruder meines Tages in die richtige Richtung zu bewegen.

 

Bild 5: Wegmarke für Wanderer

Die Hand wird also zum Markierungszeichen – wie solche Wegzeichen auf einer Wanderung (Wegmarkenbild an einem Baum wird gezeigt). Damit wir nicht in die Irre geführt werden.

Das keine Gebet eines Steuerruders soll darum am Ende dieses Impulses stehen!

Wie ein Steuerruder möchte ich sein:

Unscheinbar im Großen eines Schiffes. Aber entscheidend, wenn’s um die richtige Richtung geht.

Wendig wie ein Steuerruder möchte ich sein. Aber mit klarem Auftrag, damit mein Schiff nicht ziellos im Meer treibt.

Meine eigene Rolle möchte ich als Steuerruder finden. Ich bin weder Schiffsschraube noch Anker. Aber als Teamplayer im Schiffsganzen gehöre ich unverzichtbar dazu, wenn die Fahrt gut gehen soll.

Ich bin als Steuerruder mit meiner Rolle zufrieden. Weil ich weiß, dass die Kraft, die mich ausrichtet, mich durch gute Gewässer und zu einem lohnenden Ziel führt. Ahoi und Amen!

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat i.R., Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, Opa, liest und schreibt gern.