Wort zum Tag in SWR Kultur (ehemals SWR 2) am 14. Juni 2026
Ob ein Mensch als Erwachsener in der Bibel liest, entscheidet sich vor allem zwischen seinem 4. und 14. Lebensjahr. Dabei lesen heute immer weniger Leute in der Bibel. Am häufigsten noch Menschen ab 70. Und Männer mehr als Frauen. Das habe ich auf einer Tagung erfahren. Dort wurde eine wissenschaftliche Untersuchung zur Nutzung der Bibel in Deutschland vorgestellt. Fast alle, die befragt wurden – Menschen aller Konfessionen und Überzeugungen - halten die Bibel für wichtig. Obwohl nur noch die Hälfte der Menschen überhaupt eine besitzt. Ein Drittel der Menschen schaut mindestens noch einmal im Jahr hinein. Immerhin!
Natürlich sind solche Untersuchungen immer mit Vorsicht zu genießen. Vor allem, wenn darum geht, sie zu interpretieren. Aber ich mache mir schon meine eigenen Gedanken, warum gerade die Menschen über 70 am meisten in der Bibel lesen. Unter anderem sicher deshalb, weil sie in einer Zeit aufgewachsen sind, in der die Bibel und die Kirche noch eine größere Rolle gespielt haben. Vielleicht hängt das auch noch mit den kleinen Lebensbilanzen zusammen, die mit zunehmendem Alter mehr werden. Ich bin dankbar, dass sich in meinem Leben sehr viel Schönes ereignet hat. Und erinnere mich an Bewahrung und an Glück. Sucht nach einem Sinn Umgang mit Krisen, Brüchen, die es in jedem Leben gibt. Da liegt der Griff zur Bibel im Regal womöglich wieder näher. Gerade auch für Männer, die diese Themen vorher womöglich erfolgreicher verdrängt haben.
Es könnte aber noch einen weiteren Grund dafür geben, dass ältere Menschen eher in der Bibel lesen. Der hängt mit dem anderen spannenden Ergebnis der Untersuchung zusammen. Dass sich meistens schon zwischen dem 4. und 14. Lebensjahr entscheidet, ob jemand in seinem späteren Leben auch zur Bibel greift. Die Mehrzahl der Menschen, denen die Bibel heute etwas bedeutet, hatten in dieser frühen Lebensspanne zum ersten Mal etwas mit der Bibel zu tun. Das war bei denen, die heute als ältere Menschen in der Bibel lesen, sicher eher der Fall als bei den Kindern, die heute zwischen 4 und 14 Jahre alt sind. Da steckt also eine ganz schön große Herausforderung drin. Gerade auch für Eltern und Großeltern. Nämlich die, etwas weiterzugeben von dem, was anderen ihnen als Kinder vermittelt haben.