Wort zum Tag in SWR Kultur (ehemals SWR 2) am 29. April 2025
Eigentlich haben wir den Vater mit zwei Kindern auf unserer Radtour nach dem rechten Weg fragen wollen: Aber er kannte sich in der Gegend auch nicht besser aus als wir. Als wir gerade weiterfahren wollten, sagte er zu seinen beiden Kindern: „Schaut mal, die haben noch richtige Fahrräder wie früher. Ohne Elektromotor!“ Da hab ich mich gefühlt, als wäre ich gerade auf dem Weg, ausgestopft ins Museum befördert zu werden. Ertappt als Fortbewegungs-Dinosaurier! Lebendige Nachkommen des Freiherrn von Drais und seinem Laufrad.
Die Erfahrung, womöglich bald ins Museum abgeschoben zu werden, beschleicht mich manchmal auch auf einem anderen Feld. Dem meines Gottesglaubens. Zwar habe ich noch keinen Vater getroffen, der zu seinen Kindern sagt: „Schaut mal, der glaubt noch an Gott, wie meine Oma früher!“ Aber in einer plural gewordenen Welt fahren die Menschen nicht nur auf ganz verschiedenen Fahrrädern durch die Gegend. Das „Gottesfahrrad“ ist dabei nur eines von vielen.
In seinem Buch „Gott fährt Fahrrad“ bringt der niederländische Schriftsteller Maarten´t Hart Gottes Anwesenheit in der Welt mit dem Bild des Fahrradfahrens in Verbindung.* In seinem kindlichen Gemüt deutet er die leichte Unbeschwertheit, mit der ihm ein Radfahrer entgegenkommt, als Bild für Gott. Als Kind weigert er sich, sich von einem Fremden auf dem Lenker des Fahrrades mitnehmen zu lassen. Später deutet er das als Entscheidung gegen Gott.
Wahr daran ist für mich: Auch mein Glaube an Gott ist keine Erfindung der Moderne. Nicht abhängig von High Tec und Hochgeschwindigkeit. Wie das schlichte Rad, das Maarten `t Hart mit Gott in Verbindung bringt. Mein Glaube ist etwas, das aus alten Zeiten an mich gekommen ist. Durch meine Eltern. Durch andere Menschen, die mich geprägt haben. Durch eine Kirche, in der jeder und jede auf den Schultern von denen steht, die vorher gelebt und geglaubt haben. In der Bibel wird von einer „Wolke der Zeuginnen und Zeugen“ gesprochen. „Sie haben schon früher empfangen, womit wir uns heute auch in der Welt zurechtfinden können.“ Ob das auf Dauer mit einfachen alten Fahrrädern geht oder ob wir andere Hilfsmittel des Glaubens brauchen, wird jede Generation, jeder glaubende Mensch für sich selbst entscheiden müssen. Das Museum, in dem Glaubende vor sich hin verstauben kann derweil aber ruhig erst einmal geschlossen bleiben.