SWR Kultur - Wort zum Tag vom 6. Februar 2025

06.02.2025

„Wonach ist dir?“ Diese Frage habe ich auf einem dieser kleinen Zettel entdeckt, die zurzeit überall kleben.  Auf Laternenmasten. Oder an den grauen Stromverteilerkästen, die an der Straße stehen. Manchmal auch auf der Autoscheibe. Kein Hinweis, von wem die Zettel stammen. Manche lasse ich hängen. Aber diese Frage hat mich angesprochen. „Wonach ist dir?“  Sie hat mich die nächsten Tage nicht mehr losgelassen. Ja, wonach ist mir eigentlich?

Dabei hab‘ ich gar nicht an meine allgemeine Wunschliste gedacht. Denn da könnte ich mich wahrscheinlich mit vielen Menschen schnell einig werden: Einigermaßen gesund durchs Leben kommen. Bewahrung vor Katastrophen. Frieden – nicht nur bei uns. Ein anderer politischer Umgangston. Gerade jetzt im Wahlkampf. Mehr Miteinander als Gegeneinander. Es gibt noch einiges, was mir da spontan einfällt.

Aber wonach ist mir wirklich? Die Frage hat mich viel grundsätzlicher angesprochen. So als meinte sie: Worauf kommt es dir zentral an in deinem Leben? Was ist dein tragender Grund, wenn um dich herum alles ins Wanken gerät? Antworten gibt es derzeit viele. In Krisenzeiten – und die haben wir derzeit ja wahrhaftig - sind die Menschen ja noch mehr auf der Suche als sonst. Wie finde ich einen Sinn in meinem Leben? lautet dann die Überschrift. Oder: Glücklichsein – wie geht das? Unlängst habe ich sogar gelesen: Kehrt die Religion zurück? Ich bin mir sicher: Es ist gut, wenn solche Themen wieder gelesen und diskutiert werden. Aber eine wirklich hilfreiche Antwort muss jeder, jede für sich selbst finden.

Ich beantworte mir die Frage so: „Mir ist nach Menschen, denen ich eng verbunden bin. Menschen, die sich dafür interessieren, wie es mir wirklich geht. Mir ist aber auch danach, dass ich meinen Glauben an Gott als tragfähigen Grund erlebe. Dass ich in diesem Glauben Wurzeln schlagen kann. Immer wieder neu. Nach einer Quelle ist mir, zu der ich immer wieder zurückkehren kann, um meinen Durst nach Lebendigkeit zu stillen. Ein offenes Gespräch tut mir da manchmal gut. Oder einfach einmal nichts tun, um Atem zu holen. Mir ist nach Worten, gelesen oder gehört, die mich ins Herz treffen. Die meinen Blick weit machen. Und meine Zuversicht stärken. Ich wüsste zu gern, wer den Zettel geschrieben hat. Es könnte ein richtig gutes Gespräch mit der Person werden. Aber das könnte ich heute ja auch mit jemand anderem führen. Mal sehen, wer mir über den Weg läuft.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat i.R., Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, Opa, liest und schreibt gern.