Kirche auf dem Weg

01.02.2022

Als Kirche bleiben wir Kirche auf dem Weg, nicht Kirche kurz vor dem Ziel!
Auch wenn wir eine klare Jahreszahl als Zielvorgabe haben, nähern wir uns nicht dem Ende des Weges, sondern beschreiben eine Wegetappe. Das entlastet uns von allem Perfektions- und Endgültigkeitsdruck.

Wir haben einen Gestaltungsauftrag für die (äußere) Gestalt der Kirche!
Auch wenn die Kirche eine geistliche Größe ist oder, anders ausgedrückt, wir die sichtbare und die unsichtbare Kirche unterscheiden müssen – wir leben Kirche meist nur in institutionalisierten Formen, für deren äußere Gestalt und Ordnung wir auch Verantwortung haben. Dies stärkt die Lust an der Mitwirkung bei Umgestaltungsprozessen.

Der geistliche Charakter der Kirche und ihre äußere Gestalt stehen immer in einem Spannungsverhältnis!
Als Kirche auf dem Weg bleibt sie immer hinter ihren Möglichkeiten zurück und hat insofern immer Reformationsbedarf. Das entlastet uns davon, einen einmal erreichten Zustand mit allen Mitteln verteidigen zu müssen.

Das Wirken des Heiligen Geistes und unser eigener Einsatz können wir nicht gegeneinander ausspielen und auseinanderdividieren!
Sie beschreiben kein Modell komplementären Handelns, sondern indem wir unseren Einsatz im Rahmen unserer Möglichkeiten einbringen und riskieren, ist auch der Heilige Geist „im Spiel“! Das entlastet uns von der Gefahr, die eigenen Handlungsmöglichkeiten und -spielräume nicht zu nutzen, um dem Heiligen Geist nicht in die Quere zu kommen.

Kirche hat immer Teil an den Denkstrukturen und Formaten ihrer Zeit und dem Raum, in dem sie existiert!
Sie geht freilich in diesen nicht auf und entwickelt durchaus auch Gegenmodelle zu den vorfindlichen Machtstrukturen. Dies befreit davon, im Vorfindlichen aufgehen zu müssen. Stattdessen hat die Kirche so auch Anteil an den Veränderungsprozessen der Welt.

Eine Kirche in Minderheit zu sein, ist zwar oft Realität, aber kein anzustrebender Zustand!
Wir müssen unsere gegenwärtig immer noch relative „starke“ Position als Kirche in unserer Gesellschaft nicht einfach vorschnell drangeben und die Minoritätensituation verklären oder heiligsprechen. Das fordert uns heraus, alles zu tun, um im Rahmen der (noch) vorhandenen Möglichkeiten qualitativ hochwertig zu arbeiten.

Der Maßstab der Veränderung der Kirche ist nicht das Maß des öffentlichen Drucks, sondern das bessere Verstehen des Evangeliums!
Die gegenwärtig sehr kritische Sicht auf die Kirche ist allerdings ein ernstzunehmender Beweggrund, um dieses bessere Verstehen des Evangeliums zu ringen und Veränderungen zu wagen.  Das befreit uns davon, uns in Wagenburgmentalität von der Gesellschaft abzuschotten.

Proaktives Handeln ist meist der bessere Weg gegenüber „Rettungsaktionen“ unter großem äußeren Druck!
Die Freiheit eines Christenmenschen macht uns Mut, immer neu die gegenwärtige Gestalt der Kirche in den Blick zu nehmen und frühzeitig nötige Reaktionen und Anpassungen in die Wege zu leiten.

Strukturentscheidung sind nicht per se immer gleich auch immer Bekenntnisentscheidungen!
Insofern sind in den meisten Fällen der Diskurs und der Kompromiss die angemessenen Weisen zu einer Entscheidung zu gelangen. Dies verhindert vorschnelle Polarisierungen und die Produktion von „Siegern und Verlierern“.

Die gelingende Balance von Teilhabe und Steuerung ist die beste Voraussetzung, um zu guten Lösungen zu kommen!
Wer die Schritte zu direktiv setzt, läuft Gefahr, die Menschen nicht mitzunehmen. Wer nur moderiert und keine Leitungsimpulse setzt, verliert womöglich das Ziel aus den Augen. Dies lädt dazu ein, unsere Leitungsrolle immer neu zu klären.

(Thesen zum geistlichen Umgang mit dem Strategieprozess Ekiba 2030 - 31.01.2022)

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.