VERABSCHIEDUNG VON HARTMUT REHR
ALS PFARRER DER JOHANNES-GEMEINDE MERZHAUSEN
- MIT AU, WITTNAU UND SÖLDEN UND VAUBAN –
IM GOTTESDIENST AM 22. OKTOBER 2005

22.10.2005
Lieber Herr Rehr,

der Abschied ist eine gestreckte Handlung. Das werden sie sich in den letzten Wochen mehr als nur einmal gespürt haben. Es ist gut, dass alles Abschiednehmen in diesen Gottesdienst einmündet. Anders als in noch so vielen und verschiedenartigen Begegnungen kommt damit noch eine andere und zugleich wesentliche Perspektive ins Spiel. Ihre Zeit als Pfarrer hier in dieser Gemeinde findet damit gewissermaßen ihren Ort in der großen Geschichte Gottes mit uns Menschen und in der großen weltweiten ökumenischen Geschichte der Kirche Jesu Christi in dieser Welt.

Seit dem 1. Mai 1989 sind sie in der Johannes-Gemeinde Merzhausen mit ihren Nebenorten Au, Wittnau und Sölden als Pfarrer tätig. Später kam dann auch noch der neue Freiburger Stadtteil Vauban dazu. Mit einer Dienstzeit von sechszehneinhalb Jahren werden sie nach den Jahren ihrer Dienstzeit gerechnet nur noch von einem Pfarrehepaar übertroffen. Eine so lange Verweildauer auf der Pfarrstelle berechtigt sehr wohl, von einer Etappe Rehr in dieser Johannesgemeinde zu sprechen.

Und es gehört zu den Begleiterscheinungen, die sich im Umfeld eines Abschieds ganz selbstverständlich einstellen, dass Bilanz gezogen wird. Sie werden das für sich persönlich tun. Ihre Familie wird das mit ihnen tun. Aber auch diejenigen, denen sie in dieser langen Zeit begegnet sind und mit denen sie zusammengearbeitet haben.

Dieses Bilanzieren gleicht dabei weniger einem Film als dem Blättern in einem Photoalbum. Man bleibt immer wieder an einzelnen Stationen hängen. Rückt Besonderheiten in den Blick. Und bewertet aus der Distanz.

Dass ihre 16 Jahre als eine Ära zu werten sind, liegt nicht nur an der doch beträchtlichen Dauer. Es hat vor allem auch mit ihrer Persönlichkeit und mit ihrer persönlichen Ausgestaltung des Pfarrberufs zu tun.

Vieles werden andere ihnen in den letzten Wochen schon gesagt haben. Anderes wird nachher noch in Worte gefasst werden. Nur wenige Andeutungen möchte ich auch machen.

Sie haben schon früh eine Konzeption gemeindlicher Arbeit bevorzugt, die im projektorientierten Arbeiten eine zukunftsfähige Form auch der Gemeindearbeit gesehen hat. Dies ist heute viel selbstverständlicher geworden als es in den ersten Jahren ihrer Zeit wohl gewesen ist.

Aufgrund der vorgegebenen ökumenischen Struktur vor Ort haben sie sich dieses Thema nicht erst suchen müssen. Es war ihnen gewissermaßen vor die Füße gelegt. Dabei ist Ökumene für sie immer mehr als die Durchführung konfessionsübergreifender Projekte gewesen. Sie haben zusammen mit dem Ältestenkreis von der Möglichkeit der Ökumenischen Partnerschaftsvereinbarung Gebrauch gemacht. Sie haben aber auch – etwa durch die Mitwirkung bei den Salbungsgottesdiensten – ihre ökumenische Offenheit auch in der Vielfalt des gottesdienstlichen Feiern unter Beweis gestellt.

Über viele Jahre haben sie mit großem persönlichen Einsatz verantwortlich in den Gremien der Kirchengemeinde mitgewirkt. Dies war nicht selten auch belastend für die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen. Aber sie haben den Blick für das Nötige immer auch mit der Perspektive des Ganzen verbunden. Dies ist nötig, um zu Fortschritten bei den notwendigen Veränderungen zu kommen. Dass dabei immer wieder auch unterschiedliche Positionen im Blick auf den Umfang und das Tempo der Veränderungen eine Rolle gespielt haben, liegt in der Natur der Sache. Die Gespräche im Zusammenhang der Errichtung der Pfarrunionen waren bisweilen für alle sehr strapazenreich. Und sie werden es womöglich noch bleiben. Für die durchgehaltene Solidarität auch bei teilweise unterschiedlichen Positionen bin ich ihnen auch persönlich sehr dankbar.

Ein letztes will ich noch nennen: Seit einigen Jahren begleiten sie den Kreis der Prädikantinnen und Prädikanten im Kirchenbezirk. Dies ist eine der schönsten und zugleich anspruchsvollsten Aufgaben, die es über die Gemeindearbeit hinaus im Bezirk wahrzunehmen gilt. Sie haben sich in dieser Aufgabe großer Wertschätzung erfreut. Sie haben diese Aufgabe aber auch mit spürbarer Freude wahrgenommen.

All diese Aufgaben – und ich habe nur weniges aufgezählt – haben ihren ganzen Einsatz von ihnen erfordert. Vieles, was ihnen zwischen Schule und Konfirmandenunterricht, zwischen Gottesdienst und meditativen Angeboten wichtig war, werden andere noch ansprechen.

Die Arbeit im Pfarramt kostet Kraft. Und geht nicht selten an die Grenzen unserer körperlichen Möglichkeiten. In der letzten Phase doch auch über diese Grenze hinaus. Sie selber und ihre Familie haben dies in der jüngeren Vergangenheit deutlich zu spüren bekommen. Ich war froh, dass sie ihre Aufgaben dann doch wieder übernehmen konnten.

Ein Vers aus dem 1. Petrusbrief beschreibt aus meiner Sicht sehr zutreffend, welches Programm des Christseins sie als Pfarrer dieser Gemeinde umzusetzen versucht haben. Da heißt es im dritten Kapitel im 15. Vers:

„SEID ALLEZEIT BEREIT

ZUR VERANTWORTUNG VOR JEDERMANN,

DER VON EUCH RECHENSCHAFT FORDERT

ÜBER DIE HOFFNUNG, DIE IN EUCH IST.“


Sie, lieber Herr Rehr, haben diese Rechenschaft in vielerlei Gestalt ein ums andere Mal abgelegt. In den formalen Dingen der Gestaltung von Kirche und Gemeinde. Viel mehr aber noch in der Weise, in der sie der Rechenschaft über die Hoffnung, die in ihnen ist, Gestalt verliehen haben. Als Gemeindepfarrer, als Seelsorger, als Kollege. Dafür möchte ich ihnen danken. Persönlich. Aber auch für den ganzen Kirchenbezirk.

Sie haben prägend mitgearbeitet. Deshalb werden sie uns auch fehlen! Die, die künftig mehr von ihnen haben, das sind die Menschen in Haslach im Kinzigtal. Es ist noch einmal eine Herausforderung durch eine Gemeinde ganz anderer Art. Ihnen, ihrer Frau und ihrer Familie wünsche ich einen guten Start und ein baldiges Einwurzeln. Ganz werden sie beide Freiburg nicht aus den Augen verlieren. Da bin ich sicher. Aber sie werden alle Entwicklungen hier aus der Distanz betrachten und würdigen können. Und aus der Ferne soll es sich ja bekanntlich noch leichter lieben.

Gott nähre und stärke die Hoffnung, die in ihnen ist. Er lasse groß werden, was gelungen ist, und ermögliche die Vergebung für unterlaufene Irrtümer. Und er beflügele sie mit dem Zauber des neuen Anfangs. Amen.

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.