PREDIGT ZUM THEMA „DER DORNBUSCH“
IN DER SOMMERPREDIGTREIHE „PFLANZEN IN DER BIBEL“
AM SONNTAG, DEN 14. AUGUST 2011 (8.S.N.TR.)
IN DER MELANCHTHONKIRCHE IN MANNHEIM
14.08.2011
Nun also heute der Dornbusch, liebe Gemeinde! Keine Kulturpflanze wie der Papyrus, um den es vor 14 Tagen gegangen ist. Aus dem kann man Körbchen flechten, die Leben retten. Oder Blätter herstellen, die unser Wissen festhalten. Oder wertvolle alte Texte wie die Bibel.
Den Dornbusch bekommen wir mit den Händen nicht zu fassen ohne uns zu verletzen.
Der Dornbusch erfreut auch nicht unsere Seele oder unseren Gaumen wie die Früchte des Feigenbaumes, um die Brücke zum vergangenen Sonntag zu schlagen. Obwohl ich gerne zugebe: Manch köstliche Beere, wie etwa die Brombeere, mutet uns mit ihren Stacheln ihres Strauches bei der Ernste durchaus erst Schmerzhaftes zu, ehe wir sie genießen können.
Der Dornbusch steht aber nicht für Genuss. Zumindest nicht in der Bibel. Der Dornbusch ist der rauhe, unfreundliche Geselle in der Predigtreihe über Pflanzen in der Bibel,, in der ja noch Predigten über den Oliven- und den Apfelbaum auf sie warten. Und über die Zeder und den Weinstock.
Dennoch ist der Dornbusch kein Stiefkind der Bibel. Vielleicht deshalb, weil die schwierigen Gesellen in der Bibel häufig doch ganz gut wegkommen. Über 70 Pflanzen mit Dornen oder Stacheln gibt es in Israel. Allein 20 davon kommen in der Bibel vor. Allerdings häufig so, dass wir nicht genau wissen, welche Pflanze wirklich gemeint ist.
Eines aber haben alle Dorngeschichten gemeinsam. Es sind nie besonders rühmliche und geachtete Pflanzen. Aber genau deshalb sind sie in der Bibel in bester Gesellschaft. Und sie es sind es wert, dass wir sie heute einmal besonders in den Mittelpunkt unseres Nachdenkens stellen.
Mit zwei biblischen Dornbusch-Geschichten möchte ich das tun. Einer sehr bekannten. Und einer eher unbekannten. Mit letzterer möchte ich beginnen. Wir finden sie im Buch der Richter Israels. Richter, das war der Name für die militärischen Führer in der Frühzeit Israels, mehr als 1000 Jahre vor Christi Geburt. Richter gab es, ehe die Stämme mit Saul den ersten König bekamen. Richter hießen sie, weil sie über Recht und Unrecht, über gut und böse zu entscheiden hatten.
Simson war ein solcher Richter. Und Gideon. Auch Frauen übten dieses Amt aus. Etwa Deborah. Immer ging es darum, Israel vor seinen Feinden zu bewahren. Waren die Feinde besiegt, brauchte es keinen Herrscher. Und keine Herrscherin. Richter, das war ein Amt auf Zeit. Und mit einer klaren Aufgabe. Der König über Israel, das war Gott selber. Deswegen berichtet die Bibel von der Einführung des Königsamtes so, dass klar ist: Wer sich ein solches dauerndes Herrscheramt wünscht, der misstraut eigentlich der Fürsorge Gottes.
Ein solcher Richter war wie gesagt Gideon. Eigentlich war er ein Bauer. Aber er erhält den Auftrag, die Israeliten vor dem Volk der Midianiter zu schützen. Er tut das sehr erfolgreich. Und als er stirbt, hat er seine Aufhabe ohnedies zu Ende gebracht.
Einer seiner Söhne – die Bibel berichtet von 70 Söhnen – ist Abimelech. Ein Tunichtgut, der aus dem Erfolg des Vaters Kapital schlagen will. „Macht mich doch zum König!“, rät er den Bewohnern seiner Heimat Sichem. „Besser einer, der über euch herrscht, als siebzig“. Und er bringt alle seine Brüder um. Bis auf einen. Dem gelingt es, sich zu verstecken. Als dieser eine, Joatham mit Namen, hört, dass sich Abimelech zum König hat ausrufen lassen, erzählt er eine Geschichte. Eine Dornbusch-Geschichte. Eine Geschichte, in der gleich mehrere der Pflanzen dieser Predigtreihe vorkommen. Hören sie also die Geschichte vom Dornbusch:
Einst gingen die Bäume hin, um einen König über sich zu salben, und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König! Aber der Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die Götter und Menschen an mir preisen, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: Komm du und sei unser König! Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen die Bäume zum Weinstock: Komm du und sei unser König! Aber der Weinstock sprach zu ihnen: Soll ich meinen Wein lassen, der Götter und Menschen fröhlich macht, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen alle Bäume zum Dornbusch: Komm du und sei unser König! Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ist's wahr, dass ihr mich zum König über euch salben wollt, so kommt und bergt euch in meinem Schatten; wenn nicht, so gehe Feuer vom Dornbusch aus und verzehre die Zedern Libanons.
EG 663,1-3: Unfriede herrscht auf der Erde
Der Dornbusch kann es selbst nicht fassen. Alle Pflanzen mit Rang und Namen lehnen es ab, König zu werden. Und so fällt es ihm geradezu in den Schoß. Warum nein sagen? Da sind die anderen doch selber schuld. Und wenn er das Amt dann einmal hat, wird er es auch nicht mehr hergeben. Und er herrscht mit Feuer und Schwert.
Der Schwächste und Unscheinbarste, ja der in keiner Weise irgendwie dafür in Frage Kommende wird König. Schon dass sich die Bäume einen König wählen, ist ein Frevel gegen Gott. Dass es dann auch noch der Dornbusch wird, der dieses Amt angetragen bekommt, macht das Maß des Ungehörigen voll.
So, meint Jotham, der Erzähler, so haben es die Menschen mit Abimelech gemacht. Den Dornbusch unter den Geschwistern haben sie auf den Thron gehoben. Den, der dafür nicht in Frage kommt. Der sich aber selber sehr wohl für geeignet hält.
Abimelech, der Tunichtgut und Taugenichts. Der letzte in der Reihe. Abimelech – der Dornbusch. Diese Rolle des Dornbusches als letzter unter den Bäumen. Als Randerscheinung. Als der, dem man besser aus den Weg geht, diese Rolle bringt das Besondere der anderen Geschichte zum Leuchten. Der bekannten, ja wohl der bekanntesten Dornbuschgeschichte überhaupt.
Mose hat fliehen müssen. Er hat einen ägyptischen Aufseher erschlagen. Und muss darum um sein eigenes Leben fürchten. Aus dem edlen jungen Mann, aufgewachsen in der Familie des Pharao, ist ein Flüchtling geworden. Einer, der sich mit Hütediensten für seinen Schwiegervater das Nötigste verdient.
Auch diese Dornbuschgeschichte lohnt den genaueren Blick. Ich lese aus dem 3. Kapitel des 2. Buches Mose:
Mose hütete gerade die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin mitten unter euch, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.
Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Da sprach Gott zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat mich zu euch gesandt. „Ich werde sein, als der ich da sein werde“ – das ist mein Name.“
EG 171,1+2: Bewahre uns, Gott
Das also ist die andere Geschichte. Der eine, Mose, hat das Leid seiner Landsleute gesehen. Und er hat im Zorn einen der Peiniger erschlagen. Der andere, Gott, hat das Leid auch gesehen. Und er nimmt den einen auf der Flucht, den Mose, erneut in Beschlag. Aber ganz anders wie bei dessen erster, tödlicher Aktion.
Mose soll nicht mehr im eigenen Auftrag handeln. Jetzt ist es Gott, der ihn zurück schickt. Mose begegnet Gott. Und ist danach nicht mehr derselbe wie zuvor.
Mose begegnet Gott. Gottesbegegnungen mögen wir uns erhaben vorstellen. Mit Glanz und Gloria. Mit Macht und Prunk. Nichts davon beim Gott, der Israel Befreiung verspricht. Gott spricht nicht aus der edlen Zeder. Und nicht aus dem altehrewürdigen Ölbaum. Gott residiert nicht in einem Palast. Und trägt keine Zeichen der Macht.
Gott spricht aus dem geringsten der Bäume. Gott macht sich vernehmbar aus einem Dornbusch. Aus der Pflanze, an der auch Mose sonst schon unzählige Male achtlos vorbeigegangen ist. Dieses Mal ist alles anders.
Der Dornbusch brennt. Aber er verbrennt nicht. Mose tritt näher. Will genau hinschauen. Da hört er die göttliche Stimme, die ihm buchstäblich die Schuhe von den Füßen zieht. Der Ort der Ödnis, der Platz des Dornbuschs, er ist heilig. Er wird zu einem Ort der Gottesbegegnung.
EG 166,3: Lass in Furcht mich vor dich treten
„Auch ich habe das Leid meines Volkes gesehen. Und du sollst mir helfen, mein Volk zu befreien. Aber ganz anders als beim letzten Mal. Nicht mit Gewalt. Du sollst mit dem Pharao reden.“
Mose zuckt zusammen. „Wie käme ich dazu, mit dem Pharao zu reden? Wie käme ich dazu, ihn zu bitten, meine Landsleute in die Freiheit zu entlassen?“ Mose weiß, sie werden ihn für verrückt erklären. Sie werden ihm nicht glauben. Es sei denn – es sei denn, ein anderer steht hinter seiner Botschaft. Garantierte ihre Echtheit. Einer, der Macht hat, die Israeliten in die Freiheit zu führen. „Was soll ich ihnen sagen, wer mich zu ihnen sendet?“ fragt er. Und Gott antwortet: „Das sollst du sagen: Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat mich zu euch gesandt. Der, dessen Name lautet: „Ich-werde-da-sein-als der-ich-da-sein-werde!“
Es ist nicht einfach ein Name, mit dem sich Gott hier vorstellt. Wer den Namen eines anderen kennt, hat Macht über ihn. Kann ihn rufen. Kann ihn verunglimpfen. Kann ihn herausrufen aus der Anonymität. Kann ihn emporheben. Und genauso fallen lassen. Deshalb spricht man den Gottesnamen auch nicht aus. Deshalb nennt Gott auch hier nicht seinen Namen. Gott beschreibt sein Wesen. Den inneren Kern seines Seins. Das, woran Menschen ihn erkennen können.
Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat Mose gesandt. Und der „Ich-werde-da-sein-als der-ich-da-sein-werde!“ Schwer zu übersetzen. Und doch so einfach zu verstehen. Gottes Sein ist immer zugleich ein für andere da sein. Gottes Sein eröffnet Zukunft. Gottes Gottsein besteht darin, dass er Gott für andere ist. Dass er sich nicht selbstgenügsam zurückhält. Sich nicht einfach verbirgt.
Gott macht sich vernehmbar. Aber eben nicht im Hochglanzformat. Und auf Titelseiten. Gott liebt das Kleine und das Unscheinbare. Den Dornbusch, bei dem niemand mit ihm rechnet. Einem Volk von Sklaven wendet er sich zu. Und nicht dem Pharao, als er Israel in die Freiheit führt. In der Wüste lässt er sich entdecken. Und nicht in den Palästen. Im Hauch des Windes lässt Gott sich entdecken, als er Elia begegnet. Und nicht im großen Brausen. In einem Esel lässt Gott sich entdecken. Einem Esel, der spricht und der den Bileam zurechtweist.
Gott ist zuallererst ein Gott des Unscheinbaren. Ein Gott der kleinen Leute. Ein Gott, von dem Maria mit den Psalmen singen kann: Er erhöht die Niedrigen. Und lässt die Reichen leer ausgehen.
Als Christinnen und Christen bekennen wir, dass und aus dem Angesicht Jesu Christi Gottes Größe und Gottes Güte entgegenleuchtet. Auch dieser Jesus war ein Dornbusch unter den Menschen seiner Zeit. Keiner aus der Tempelaristokratie. Keiner, der in Rom Kariere gemacht hat. Im Hinterhof des römischen Reiches kommt er zur Welt. Im unscheinbaren Bethlehem. Und nicht in Jerusalem.
Sein Reich, so sagt er selbst, ist nicht von dieser Welt. Und er trägt kein kaiserliches Emblem. Er trägt eine Krone aus den Zweigen des Dornbuschs.
EG 98,3: Im Gestein verloren
Was bleibt von unserem Weg, dem Dornbusch auf die Spur zu kommen? Eine Pflanze der Niedrigkeit wird zum Symbol der Größe Gottes. Gott macht sich vernehmbar aus dem Dornbusch. Gott lässt sich hören aus Worten die wir Menschen machen.
Im Kleinen lässt Gott seine Größe erkennen. So ist Gott. So ist nur Gott. Oft genügt es im Leben, den Dornbusch am Wegrand wahrzunehmen. Den unscheinbaren Menschen nebenan. Und mit einem Mal entdecken wir Gott in unserer Mitte. Amen.
Den Dornbusch bekommen wir mit den Händen nicht zu fassen ohne uns zu verletzen.
Der Dornbusch erfreut auch nicht unsere Seele oder unseren Gaumen wie die Früchte des Feigenbaumes, um die Brücke zum vergangenen Sonntag zu schlagen. Obwohl ich gerne zugebe: Manch köstliche Beere, wie etwa die Brombeere, mutet uns mit ihren Stacheln ihres Strauches bei der Ernste durchaus erst Schmerzhaftes zu, ehe wir sie genießen können.
Der Dornbusch steht aber nicht für Genuss. Zumindest nicht in der Bibel. Der Dornbusch ist der rauhe, unfreundliche Geselle in der Predigtreihe über Pflanzen in der Bibel,, in der ja noch Predigten über den Oliven- und den Apfelbaum auf sie warten. Und über die Zeder und den Weinstock.
Dennoch ist der Dornbusch kein Stiefkind der Bibel. Vielleicht deshalb, weil die schwierigen Gesellen in der Bibel häufig doch ganz gut wegkommen. Über 70 Pflanzen mit Dornen oder Stacheln gibt es in Israel. Allein 20 davon kommen in der Bibel vor. Allerdings häufig so, dass wir nicht genau wissen, welche Pflanze wirklich gemeint ist.
Eines aber haben alle Dorngeschichten gemeinsam. Es sind nie besonders rühmliche und geachtete Pflanzen. Aber genau deshalb sind sie in der Bibel in bester Gesellschaft. Und sie es sind es wert, dass wir sie heute einmal besonders in den Mittelpunkt unseres Nachdenkens stellen.
Mit zwei biblischen Dornbusch-Geschichten möchte ich das tun. Einer sehr bekannten. Und einer eher unbekannten. Mit letzterer möchte ich beginnen. Wir finden sie im Buch der Richter Israels. Richter, das war der Name für die militärischen Führer in der Frühzeit Israels, mehr als 1000 Jahre vor Christi Geburt. Richter gab es, ehe die Stämme mit Saul den ersten König bekamen. Richter hießen sie, weil sie über Recht und Unrecht, über gut und böse zu entscheiden hatten.
Simson war ein solcher Richter. Und Gideon. Auch Frauen übten dieses Amt aus. Etwa Deborah. Immer ging es darum, Israel vor seinen Feinden zu bewahren. Waren die Feinde besiegt, brauchte es keinen Herrscher. Und keine Herrscherin. Richter, das war ein Amt auf Zeit. Und mit einer klaren Aufgabe. Der König über Israel, das war Gott selber. Deswegen berichtet die Bibel von der Einführung des Königsamtes so, dass klar ist: Wer sich ein solches dauerndes Herrscheramt wünscht, der misstraut eigentlich der Fürsorge Gottes.
Ein solcher Richter war wie gesagt Gideon. Eigentlich war er ein Bauer. Aber er erhält den Auftrag, die Israeliten vor dem Volk der Midianiter zu schützen. Er tut das sehr erfolgreich. Und als er stirbt, hat er seine Aufhabe ohnedies zu Ende gebracht.
Einer seiner Söhne – die Bibel berichtet von 70 Söhnen – ist Abimelech. Ein Tunichtgut, der aus dem Erfolg des Vaters Kapital schlagen will. „Macht mich doch zum König!“, rät er den Bewohnern seiner Heimat Sichem. „Besser einer, der über euch herrscht, als siebzig“. Und er bringt alle seine Brüder um. Bis auf einen. Dem gelingt es, sich zu verstecken. Als dieser eine, Joatham mit Namen, hört, dass sich Abimelech zum König hat ausrufen lassen, erzählt er eine Geschichte. Eine Dornbusch-Geschichte. Eine Geschichte, in der gleich mehrere der Pflanzen dieser Predigtreihe vorkommen. Hören sie also die Geschichte vom Dornbusch:
Einst gingen die Bäume hin, um einen König über sich zu salben, und sprachen zum Ölbaum: Sei unser König! Aber der Ölbaum antwortete ihnen: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die Götter und Menschen an mir preisen, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen die Bäume zum Feigenbaum: Komm du und sei unser König! Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und meine gute Frucht lassen und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen die Bäume zum Weinstock: Komm du und sei unser König! Aber der Weinstock sprach zu ihnen: Soll ich meinen Wein lassen, der Götter und Menschen fröhlich macht, und hingehen, über den Bäumen zu schweben?
Da sprachen alle Bäume zum Dornbusch: Komm du und sei unser König! Und der Dornbusch sprach zu den Bäumen: Ist's wahr, dass ihr mich zum König über euch salben wollt, so kommt und bergt euch in meinem Schatten; wenn nicht, so gehe Feuer vom Dornbusch aus und verzehre die Zedern Libanons.
EG 663,1-3: Unfriede herrscht auf der Erde
Der Dornbusch kann es selbst nicht fassen. Alle Pflanzen mit Rang und Namen lehnen es ab, König zu werden. Und so fällt es ihm geradezu in den Schoß. Warum nein sagen? Da sind die anderen doch selber schuld. Und wenn er das Amt dann einmal hat, wird er es auch nicht mehr hergeben. Und er herrscht mit Feuer und Schwert.
Der Schwächste und Unscheinbarste, ja der in keiner Weise irgendwie dafür in Frage Kommende wird König. Schon dass sich die Bäume einen König wählen, ist ein Frevel gegen Gott. Dass es dann auch noch der Dornbusch wird, der dieses Amt angetragen bekommt, macht das Maß des Ungehörigen voll.
So, meint Jotham, der Erzähler, so haben es die Menschen mit Abimelech gemacht. Den Dornbusch unter den Geschwistern haben sie auf den Thron gehoben. Den, der dafür nicht in Frage kommt. Der sich aber selber sehr wohl für geeignet hält.
Abimelech, der Tunichtgut und Taugenichts. Der letzte in der Reihe. Abimelech – der Dornbusch. Diese Rolle des Dornbusches als letzter unter den Bäumen. Als Randerscheinung. Als der, dem man besser aus den Weg geht, diese Rolle bringt das Besondere der anderen Geschichte zum Leuchten. Der bekannten, ja wohl der bekanntesten Dornbuschgeschichte überhaupt.
Mose hat fliehen müssen. Er hat einen ägyptischen Aufseher erschlagen. Und muss darum um sein eigenes Leben fürchten. Aus dem edlen jungen Mann, aufgewachsen in der Familie des Pharao, ist ein Flüchtling geworden. Einer, der sich mit Hütediensten für seinen Schwiegervater das Nötigste verdient.
Auch diese Dornbuschgeschichte lohnt den genaueren Blick. Ich lese aus dem 3. Kapitel des 2. Buches Mose:
Mose hütete gerade die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb. Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.
Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt. Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land! Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt. Und ich bin mitten unter euch, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt.
Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt! und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen? Da sprach Gott zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat mich zu euch gesandt. „Ich werde sein, als der ich da sein werde“ – das ist mein Name.“
EG 171,1+2: Bewahre uns, Gott
Das also ist die andere Geschichte. Der eine, Mose, hat das Leid seiner Landsleute gesehen. Und er hat im Zorn einen der Peiniger erschlagen. Der andere, Gott, hat das Leid auch gesehen. Und er nimmt den einen auf der Flucht, den Mose, erneut in Beschlag. Aber ganz anders wie bei dessen erster, tödlicher Aktion.
Mose soll nicht mehr im eigenen Auftrag handeln. Jetzt ist es Gott, der ihn zurück schickt. Mose begegnet Gott. Und ist danach nicht mehr derselbe wie zuvor.
Mose begegnet Gott. Gottesbegegnungen mögen wir uns erhaben vorstellen. Mit Glanz und Gloria. Mit Macht und Prunk. Nichts davon beim Gott, der Israel Befreiung verspricht. Gott spricht nicht aus der edlen Zeder. Und nicht aus dem altehrewürdigen Ölbaum. Gott residiert nicht in einem Palast. Und trägt keine Zeichen der Macht.
Gott spricht aus dem geringsten der Bäume. Gott macht sich vernehmbar aus einem Dornbusch. Aus der Pflanze, an der auch Mose sonst schon unzählige Male achtlos vorbeigegangen ist. Dieses Mal ist alles anders.
Der Dornbusch brennt. Aber er verbrennt nicht. Mose tritt näher. Will genau hinschauen. Da hört er die göttliche Stimme, die ihm buchstäblich die Schuhe von den Füßen zieht. Der Ort der Ödnis, der Platz des Dornbuschs, er ist heilig. Er wird zu einem Ort der Gottesbegegnung.
EG 166,3: Lass in Furcht mich vor dich treten
„Auch ich habe das Leid meines Volkes gesehen. Und du sollst mir helfen, mein Volk zu befreien. Aber ganz anders als beim letzten Mal. Nicht mit Gewalt. Du sollst mit dem Pharao reden.“
Mose zuckt zusammen. „Wie käme ich dazu, mit dem Pharao zu reden? Wie käme ich dazu, ihn zu bitten, meine Landsleute in die Freiheit zu entlassen?“ Mose weiß, sie werden ihn für verrückt erklären. Sie werden ihm nicht glauben. Es sei denn – es sei denn, ein anderer steht hinter seiner Botschaft. Garantierte ihre Echtheit. Einer, der Macht hat, die Israeliten in die Freiheit zu führen. „Was soll ich ihnen sagen, wer mich zu ihnen sendet?“ fragt er. Und Gott antwortet: „Das sollst du sagen: Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat mich zu euch gesandt. Der, dessen Name lautet: „Ich-werde-da-sein-als der-ich-da-sein-werde!“
Es ist nicht einfach ein Name, mit dem sich Gott hier vorstellt. Wer den Namen eines anderen kennt, hat Macht über ihn. Kann ihn rufen. Kann ihn verunglimpfen. Kann ihn herausrufen aus der Anonymität. Kann ihn emporheben. Und genauso fallen lassen. Deshalb spricht man den Gottesnamen auch nicht aus. Deshalb nennt Gott auch hier nicht seinen Namen. Gott beschreibt sein Wesen. Den inneren Kern seines Seins. Das, woran Menschen ihn erkennen können.
Der „Ich-bin-für-euch-da“ hat Mose gesandt. Und der „Ich-werde-da-sein-als der-ich-da-sein-werde!“ Schwer zu übersetzen. Und doch so einfach zu verstehen. Gottes Sein ist immer zugleich ein für andere da sein. Gottes Sein eröffnet Zukunft. Gottes Gottsein besteht darin, dass er Gott für andere ist. Dass er sich nicht selbstgenügsam zurückhält. Sich nicht einfach verbirgt.
Gott macht sich vernehmbar. Aber eben nicht im Hochglanzformat. Und auf Titelseiten. Gott liebt das Kleine und das Unscheinbare. Den Dornbusch, bei dem niemand mit ihm rechnet. Einem Volk von Sklaven wendet er sich zu. Und nicht dem Pharao, als er Israel in die Freiheit führt. In der Wüste lässt er sich entdecken. Und nicht in den Palästen. Im Hauch des Windes lässt Gott sich entdecken, als er Elia begegnet. Und nicht im großen Brausen. In einem Esel lässt Gott sich entdecken. Einem Esel, der spricht und der den Bileam zurechtweist.
Gott ist zuallererst ein Gott des Unscheinbaren. Ein Gott der kleinen Leute. Ein Gott, von dem Maria mit den Psalmen singen kann: Er erhöht die Niedrigen. Und lässt die Reichen leer ausgehen.
Als Christinnen und Christen bekennen wir, dass und aus dem Angesicht Jesu Christi Gottes Größe und Gottes Güte entgegenleuchtet. Auch dieser Jesus war ein Dornbusch unter den Menschen seiner Zeit. Keiner aus der Tempelaristokratie. Keiner, der in Rom Kariere gemacht hat. Im Hinterhof des römischen Reiches kommt er zur Welt. Im unscheinbaren Bethlehem. Und nicht in Jerusalem.
Sein Reich, so sagt er selbst, ist nicht von dieser Welt. Und er trägt kein kaiserliches Emblem. Er trägt eine Krone aus den Zweigen des Dornbuschs.
EG 98,3: Im Gestein verloren
Was bleibt von unserem Weg, dem Dornbusch auf die Spur zu kommen? Eine Pflanze der Niedrigkeit wird zum Symbol der Größe Gottes. Gott macht sich vernehmbar aus dem Dornbusch. Gott lässt sich hören aus Worten die wir Menschen machen.
Im Kleinen lässt Gott seine Größe erkennen. So ist Gott. So ist nur Gott. Oft genügt es im Leben, den Dornbusch am Wegrand wahrzunehmen. Den unscheinbaren Menschen nebenan. Und mit einem Mal entdecken wir Gott in unserer Mitte. Amen.