David – ein König uns was noch? Ökumenische Glaubensgespräche König und Stratege – für und gegen Saul: 2. Abend in der Evang.-Methodistischen Christuskapelle in KA-Grötzingen am 29. Januar 2020
1 Hinführung
David ist mehr als nur ein König aus einer vergangenen Welt und einer vergangenen Zeit. David ist der Mastertyp des Königs. An ihm werden alle weiteren Könige Israels gemessen. David ist auch der Ahnherr der Dynastie der Davididen, des Königtum seiner Nachfolger. Und er ist zugleich einer der Vorfahren Josefs, des Manns von Maria. Und damit als einer, den die Tradition mit Jesus in Verbindung bringt, auch für uns als Christenmenschen von Bedeutung. „Hosianna, Davids Sohn“, haben wir erst im Advent und an Weihnachten wieder mit dem Lied „Tochter Zion“ gesungen.
Die Kunst hat sich Davids angenommen, Otto Dix, aber auch der große Michelangelo, der David in einer über 5 Meter hohen Statue darstellt, die man heute noch in Florenz besichtigen kann. Die Literatur hat sich des David-Themas angenommen. Stephan Heyms Buch „Der König David Bericht“ lohnt die Lektüre allemal.
Heute Abend steht ein anderer David im Zentrum unseres Nachdenkens und unserer Suche nach einem geistlichen Zugang zu dieser „Überfigur“! Heute geht’s um David in seiner Beziehung zu Saul. „König und Stratege – für und gegen Saul“ – zu diesem Thema möchte ich mit ihnen einen Weg des Nachdenkens gehen. Und wenn ich schon beim Bild des Weges bin, möchte ich meine Gedanken auch in dieses Bild hineinpacken
2 Der Weg
2.1 Die Vorbereitung
Am Anfang eines Weges steht die Vorbereitung. Wir blicken auf die Strecke. Wir sorgen für das, was wir mitnehmen müssen. Im Blick auf David, den König, heißt das zunächst: Wir gehen der Frage nach: Wie kommt Israel zu einem König? Und jetzt gar nicht historisch, sondern theologisch gefragt. Denn atemberaubend und spannend ist, was wir im 1. Samuel-Buch lesen.
Samuel wird alt und setzt seine Söhne als Richter ein. Diese sind dem Amt nicht gewachsen. Da wenden sich die Ältesten an Samuel mit der Bitte: „Gib uns einen König – so wie die anderen Völker auch einen König haben!“ Von der Zeit der Richter zur Monarchie – man könnte ja meinen, dies sei ein Fortschritt. Aber dahinter verbirgt sich etwas anderes. Israel gibt sein Alleinstellungsmerkmal preis. Den Glauben an den Gott, den Schöpfer der Welt, den Gott, der die Altvorderen aus der Sklaverei in Ägypten geführt hat. Es will jetzt sein wie alle anderen. Samuel warnt: Zählt auf, was die Konsequenzen sind: Ihr müsst für den König in den Krieg ziehen! Ihr müsst Abgaben zahlen. Frondienst leisten. Aber es heißt dann lapidar: Aber das Volk weigerte sich, auf die Stimme Samuels zu hören. „Nein, ein König soll über uns herrschen. Wir wollen sein wie die anderen Völker!“
Und was sagt Gott zu Samuel: „Erfüll ihnen ihren Willen. Denn sie haben nicht mich, sondern dich verworfen!“ Das Königtum Sauls und dann Davids: Es gründet auf der Entthronung Gottes – zumindest auf der Absicht, das zu tun.
Und der Schreckenskatalog der Konsequenzen, den Samuel auflistet: Er bewahrheitet sich die ganze Geschichte hindurch - bis heute. Und was die Könige unserer Tage, die Despoten und Autokraten, die Tyrannen und Alleinherrscher bis heute anrichten: Da reicht ein Blick in die Zeitung oder in die Nachrichten. Und ein Satz aus dem Buch des Propheten Sacharja kommt mir in den Sinn: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen.“ Dass Israel hier so vehement einen König will, ist der Versuch, es dennoch anders zu versuchen. Auf diesem Hintergrund ist Saul, und ist vor allem David zu verstehen.
2.2 Der Aufbruch
Gehen wir weiter auf diesem Weg. Nach der Vorbereitung folgt der Aufbruch. Der Aufbruch ins Amt des Königs hat bei Saul und bei David durchaus Parallelen. Beide Male ist Samuel der Königsmacher. Beide Male geschieht das unter durchaus ungewöhnlichen Umständen. Und beide Mal geschieht das auch heimlich.
Ich bin sicher: Die Geschichten kennen sie! Saul sucht die verlorengegangenen Eselinnen seines Vaters, als ihm Samuel begegnet und ihn zum König salbt. David hütet als Jüngster die Schafe seines Vaters und ist zunächst gar nicht im Blick, als Samuel unter den Söhnen des Isai den neuen König sucht.
Bei Saul war das durchaus anders. Er ist größer als die anderen. Ein erfolgreicher Soldat. Eine Person, die auffällt. Davis ist eher der Unauffällige, der erst zu dem wird, der er werden soll und dann auch wird.
Saul und David: Sie sind Gesalbte Gottes. Priester wurden gesalbt. Und Propheten – so wie Elia den Elisa ins Amt einsetzt. Mit dem König kommt nun ein weiteres Amt hinzu, dem Gott durch die Salbung seinen besonderen Zuspruch gewährt. Und wenn Jesus zum Messias wird, zum Christus, dann ebene zum Gesalbten und damit zu dem, in dem alle drei Linien der Salbung in eins fallen.
Nach dem Aufbruch folgen die Etappen. Ganz unterschiedlich mögen die sein. Eben oder durch Berge führend, durch heiße unwirtliche Wüstenabschnitte gehen sie oder durch fruchtbares Land. Kürzer oder länger können sie sein. So ist das bei David uns Saul auch.
2.3.1 Etappe 1: Vorgänger und Nachfolger
Saul hat ein Privileg. Er ist der erste König. ER war der Wunschkönig. Zunächst. Der war der „Erbetene“ – so heißt sein Name ins Deutsche übersetzt. David dagegen ist der Königs-Typus schlechthin. Er ist der Typus des Erfolgsmenschen. Kein Wunder, dass sein Name Liebling bedeutet. Er ist der Liebling vieler. Er ist auch ein Liebling Gottes. David ist erfolgreich schon als Hirtenknabe, indem er den großen Goliath aus dem Weg räumt. Er ist erfolgreich mit seiner kleinen Gruppe aus Freischärlern oder Söldnern. Er ist erfolgreich als König, der seinem Volk dessen Feinde, das sind vor allem die Philister, ein ums andere Mal vom Leib hält.
Saul wird zum Vorgänger, der von David in fast jeder Hinsicht übertroffen wird. „Saul hat Tausend erschlagen“, singen die Leute. „David aber hat Zehntausend erschlagen!“ Vorgänger haben es nicht leicht. Sie sind wichtig. Aber ihre Rolle wird aus der Sicht des Nachfolgers bewertet. Vorgänger und Nachfolger – das ist nicht nur eine Abfolge. Das ist immer auch eine Rangfolge. Der große Typus des Vorgängers ist Johannes der Täufer. „Nach mir kommt ein anderer, auf den es am Ende ankommt“, sagt er.
Saul will kein Vorgänger sein. Er will seine Königswürde am liebsten behalten. Und er will schon gar nicht von David beerbt werden. Diesem schmächtigen Emporkömmling, der nicht einmal die Revolte gegen den König scheut. Es macht Mühe, nur der Vorgänger zu sein.
2.3.2 Etappe 2: Die Verwerfung
Ehrlich gesagt: Diese Geschichte will mir jedes Mal nicht in den Kopf. Saul verliert sein Königtum. Er handelt wider Gottes Willen. Aber was Gott von ihm verlangt, sprengt alle Grenzen des Vorstellbaren. Saul soll an den Amalekitern den Bann vollziehen. Der Bann, das heißt, er soll alle töten, Mann und Maus. Ja, auch das Vieh. Saul lässt den König leben. Ein klein wenig Respekt vor dem, der dasselbe Königsamt hat wie er. Saul schont auch die besten Tiere. Ein klein wenig Respekt vor der Kreatur.
Die Konsequenz: Gott wendet sich von Saul ab. „Es reut mich, dass ich ihn zum König gemacht habe. Er hat sich meinem Befehl widersetzt. Eine dunkle Geschichte, zweifellos. Und keine, zu der wir so einfach ja und Amen sagen können. Samuel scheint es ähnlich zu gehen. Er setzt sich für Saul ein vergeblich. Am Ergebnis ändert sich nichts. Gott entzieht Saul seinen Segen.
2.3.3 Etappe 3: Schwierige Begegnungen
Es ist interessant, dass Gott selber nicht mit Macht handelt beim Übergang von Saul zu David. Er schiebt die Menschen nicht herum wie Figuren auf dem Schachbrett. Nein, Gott fädelt vieles einfach ein. Er lässt im wahrsten Sinne des Wortes seinen Geist wirken. Er bringt den Hirtenknaben David dazu, den Saul mit der Steinschleuder besiegen. Er bringt David als Harfenspieler an den Hof, der den schwermütigen König aufheitern und auf andere Gedanken bringen soll. Als Musiktherapeuten, wie wir vorhin gehört haben. Und er arrangiert weitere Beziehungen zur Familie des Saul, auch wenn die nicht ohne Brisanz und Pikanterie sind.
2.3.4 Etappe 4: Familiäre Verwicklungen
Diese Etappe ist schnell erzählt. Aber es ist eine mit großen Nachwirkungen. Zwischen David und Saul entstehen familiäre Verwicklungen. Jonathan, Sauls Sohn wird Davids engster Freund. Diese Beziehung ist der Faden, an dem Davids Leben ein ums andere Mal hängt. Der Faden, der David am Leben hält. Weil Jonathan ihn warnt. Und ihm die Treue hält. Sich auf seine Seite stellt. Und nicht auf die seines Vaters.
David wird auch Sauls Schwiegersohn. Saul nimmt einen doppelten Anlauf. Die erste Tochter, Merab, lehnt David ab. Wie könnte ich? Sagt er. Da steht mir nicht zu. Aber dann verliebt sich eine andere Tochter Sauls in David. Michal. Der Brautpreis ist makaber. 100 Vorhäute von Soldaten der Philister. Die bringen ihn um, denkt Saul. Aber David bring ihm 200. Was für ein Irrsinn! Liebe, die auf dem Tod Unschuldiger beruht. Aber Saul hält Wort. Und David wird sein Schwiegersohn. So sind Saul und David unentrinnbar miteinander verbunden. Das macht die Machtübernahme nicht leichter.
2.3.5 Etappe 5: Der Machtkampf
Die Machtübernahme Davids ist kein leichter Gang. Ein ums andere Mal geht’s ums Ganze. Um Leben und Tod. Saul wird eifersüchtig. Wirft mit seinem Speer nach David, der ihm doch eigentlich guttun will. Er spürt, dass Gott mit diesem David ist. Er stellt ihm nach dem Leben. David muss fliehen. Wir eine Art Guerilla-Führer. Baut sich eine Privatarmee auf.
Sauls Eifersucht wird krankhaft. Als der König von Moab David Unterschlupf gewährt, rächt Saul sich grausam. Und er töte alle Priester in Nob. Sein Stern als König sinkt endgültig.
David hat wieder Glück. Er wird davor bewahrt, sich ins Unrecht zu setzen. Abigail bewahrt ihn davor, ihren Mann und die seinen ohne Grund zu töten, weil sie sich seiner Gier widersetzen. Sie beschenkt David reichlich. Und am Ende wird auch sie Davids Frau.
Gottes Hand bewahrt David auch davor, Saul zu töten. In der Höhe von Engedi. Und das andere Mal in der Wagenburg. Ein Zipfel des Mantels und der Speer werden jedes Mal zum Zeichen. Den, den Gott wie ihn zum König gesalbt hat, den wird er nicht töten.
2.3.6 Etappe 6: Die Waage neigt sich
Sauls Königtum geht zu Ende. Und wie Saul seinen Aufstieg seiner Kriegskunst verdankt, so verdankt er ihr auch seinen Untergang. Saul verliert seinen letzten Kampf gegen die Philister. Weil er nicht von ihnen getötet werden will, stütz er sich ins eigene Schwert. Auch seine Söhne fallen. Darunter Jonathan, Davids Gefährte und bester Freund. Davids Trauergesang vermag auch uns noch Tränen zu entlocken. „Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan. Meine Liebe zu dir stand über allem. Wie sind die Helden so gefallen!“
Der Krieg kennt kein Glück. Und schon gar keines auf Dauer. Er stiftet neuen Hass. Er bringt unsinnigen Tod. Und was folgt, ist nie besser als das was war. „Soll denn das Schwert ohne Ende fressen?“ Abner ruft das Joab zu. Und wir können nur beschämt in diesen Ruf einstimmen. Bis heute ist das so!
2.3.7 Etappe 7: Fast am Ziel
Trotz des Todes von Saul - noch ist David nicht König über Israel. Dem Vater folgt der Sohn. Abner, noch der Feldherr Sauls, macht Isch-Boschet/Esch-Baal, einen Sohn Sauls, zum König. Er regiert von Machanaim aus. Zwei Jahre dauert dessen Königtum. Von Hebron aus regiert David über Juda. Insgesamt sieben Jahre. Dann ist David ist am Ziel. Er ist König über ganz Israel.
2.4 Das Fest der Ankunft
Irgendwann endet jeder Weg. Und wir sind am Ziel. Duschen. Sich umziehen. Dann folgt das Festessen. Ein Weißbier. Herzhaftes auf dem Teller. Das ist auch für David so.
Bemerkenswert, was Gott ihm gelingen lässt:
· David erobert Jerusalem und macht es zur Hauptstadt. Ein neutraler Ort, der Nord- und Südreich verbindet. 33 Jahre wird David dort König sein.
· Gott gibt David eine Zusage über den Bestand der Dynastie: Gott will ihm ein Haus, d.h. ein Königtum bauen, das dauerhaft Bestand hat. 2. Samuel 7 ist so etwas wie die Gründungsurkunde des Königtums der Davididen. Und bis heute stehen wir mit unserem Glauben an den, der in Bethlehem geboren ist, in enger Verbindung mit dieser Zusage.
· David vergrößert sein Herrschaftsgebiet. Nach und nach unterwirft er alle Nachbarvölker, nicht zuletzt die Philister. Jetzt hat sich sein Sieg über Goliath auch in politische Münze umsetzen lassen.
· David stabilisiert die staatliche Ordnung. Er schafft eine Art Beamtenapparat. Und er führt das altüberkommene Priestertum der Tradition Aarons mit dem Priestertum aus Nob zusammen: Zadok und Abjatar stehen für beide Linien. So schafft er eine starke religiöse Mitte, die er in Jerusalem ansiedelt. Nicht nur militärisch, auch religiös ist David ein Stratege. Auch wenn sein größter Plan scheitert.
Dennoch ist David alles andere als ein Heiliger. Sie kennen die Geschichten von Versagen und Misserfolg
· David liefert den Hethiter Uria dem Tod aus und nimmt sich Bathseba zur Frau.
· Er muss den Tod seines Lieblingssohnes Absolom hinnehmen, der gegen ihn geputscht hatte.
· Er darf vor allem seinen Lieblingsplan nicht zur Ausführung bringen. Er darf Gott keinen Tempel bauen. Noch erweist sich die Nomadentradition als stärker. Gott will sich nicht dingfest machen lassen.
2.5 Offenes Ende
Und ganz am Ende Davids steht eine große Tragödie. Erst wollen die Menschen einen König. Dann will der König wissen, wieviel Macht er wirklich hat. Er ordnet eine Volkszählung an. Er baut auf Zahlen, nicht auf Gott.
Die Strafe ist fürchterlich. Unter drei Übeln wählt David die Pest. Der Engel der Pest tötet Zehntausende. Auf der Tenne des Arauna endet sein Todesmarsch. David kauf die Tenne und errichtet dort einen Altar. Sein Sohn Salomo wird an diesem Platz den Tempel errichten.
Volkszählungen führen zu wegweisenden Konsequenzen. Gott findet seinen Ort im Tempel auf der Tenne des Arauna im einen Fall. Gott findet seinen Ort in einem neugeborenen Kind in einem Stall im anderen Fall.
Am Ende sei noch einmal in Erinnerung gerufen, was wir bei Sacharja lesen: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen!“ Dem ist nichts hinzuzufügen!