Predigt-Miniaturen im Gottesdienst zur Eröffnung der Bezirkssynode im Kirchenbezirk Karlsruhe-Land in der Stadthalle in Ettlingen

07.05.2022

Das Lied vom neuen Anfang
(Melodie: Auf, auf, mein Herz, mit Freuden)

Gott spannt des Himmels Bogen
weit über Zeit und Raum.
Ins Leben ist gezogen,
was vorher nur ein Traum.
Im Anfangsdunkel spricht
Gott selbst: Es werde Licht!
In Buntheit strahlt die Welt,
weil Gottes Hand sie hält.

 

Liebe Gemeinde!

Alles zurück auf Anfang! Aus der Welt der Spiele kennen wir das. Wenn eine Spielfigur die andere schlägt. Und ich wieder von vorne beginnen muss. Alles zurück auf Anfang. Das beschreibt auch die Sehnsucht vieler Menschen. Oft auch meine eigene. Die Sehnsucht, es möge alles wieder so werden, wie es war. Genauer noch. Es möge alles wieder so gut werden, wie es war.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich freilich: Der Anfang, nach dem ich mich sehne, war auch nicht wirklich viel besser als die Gegenwart, der ich entfliehen möchte. Wirklich gut war der Ur-Anfang. Der Anfang, von dem die Bibel ganz am Anfang berichtet. Die Beschreibung dieses Ur-Anfangs ist der Predigttext für den morgigen Sonntag Jubilate. Eine Beschreibung, die damit endet, dass wirklich alles gut war. Am Anfang! Bevor der Mensch die Bühne der Schöpfung betritt. Wir hören einige wenige Verse aus diesem Text.

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. 

Nicht nur am Anfang war alles gut – gottseidank! Unsere Sehnsucht nach dem, was gut ist, bringt weiter Gutes hervor. Bevor wir darüber nachdenken, singen wir die zweite Strophe!

Im reichen Feld der Tage
mit denen ich belohnt,
erfüllt von Lob und Klage,
bleib ich dennoch verschont.
Im Anfangswirrwarr klingt
ein Hoffnungslied, das singt
von bessrer Zukunft schon.
Von Gott kommt mir mein Lohn.

Alles zurück auf Anfang! Zurück zum Uranfang, das geht eigentlich nicht. Doch Gott wählt diesen Weg. Nimmt alle Figuren aus dem Spiel. Nur Noah und seine Familie bleiben verschont. Und in Noahs Gefolge wir alle. „Ich will hinfort die Erde nicht mehr zerstören!“ Gott bindet sich an diese Zusage. Und setzt seinen Bogen in den Himmel.

Dem Menschen gelingt das nicht. Ein ums andere Mal muss er neu anfangen. Fortwährend. Aber das Besondere ist, dass er im Spiel bleibt. Das Besondere, ja eigentlich auch das Tröstliche ist, dass die vielen Neuanfänge möglich sind. Leben heißt vor allem anderen: Neuanfang! Immer und immer wieder. Der Sehnsucht zur Rückkehr an den Anfang Raum geben. Auch wenn wir diese vielen Anfänge nur als gebrochen erleben. Als vorläufig. Und in Andeutungen. Im Halbfertigen stecken bleibend. – Wir singen die dritte Strophe!

Neu muss ich mich entscheiden,
wo meiner Zukunft Land.
Dahin mich sicher leiten
die Engel, mir gesandt.
Mein Anfangsmut wird groß.
Ich lass, was klein macht, los,
setz Schritte, fest und weit,
in Gottes neue Zeit.

Alles zurück auf Anfang! Was für den Einzelnen gilt, gilt auch für die Kirche. Zumindest für ihre äußere Gestalt. Immer wieder haben unsere Mütter und Väter im Glauben neu angefangen. Reformation ist wahrhaftig nicht nur ein Thema des 16. Jahrhunderts.

Re-Formation: Zurück-Formatierung! Alles zurück an den Anfang. Unsere kirchliche Verfasstheit. Unsere Finanzierung. Unsere Ämter. Auch unsere Theologie. Unsere Versuche, Gott zu denken. Und von Gott zu sprechen.

Auch wir haben da gegenwärtig unsere Herausforderungen. 30 Prozent weniger – das allerdings kein zurück an den Anfang. Bestenfalls ein Zurück zu einer Größe, die wir als Kirche vor noch gar nicht allzu langer Zeit hatten.

Leicht ist das nicht. Und die Debatten, die wir da führen, gerade auch im Blick auf die Pfarrstellen, sind zuallererst ein Beweis für unsere Liebe zur Kirche.

Aber Liebe misst sich nie in Zahlen. Sondern in ihrer Intensität. In ihrer Voraussetzungslosigkeit.  Alles zurück auf Anfang! Das hieße hier: Gar keine Pfarrerinnen und Pfarrer. Und kein Dekan dazu. Die sind ja eher eine späte Erfindung. Dass wir sie haben - hier und an vielen anderen Orten – das ist ja eher ein Zeichen dafür, dass Gott sich um seine Kirche kümmert. – Wir singen die vierte Strophe.

Wenn Nichtigkeit und Sorgen
die Seele hintergehn,
blüht mir neuer Morgen.
Vor Gott kann ich bestehn.
Der Anfangszweifel quält
nicht länger mehr. Es zählt,
was mir längst zugesagt.
Der Aufbruch sei gewagt.

Alles zurück auf Anfang! Uns will das nicht so recht gelingen. Und an den Uranfang können wir schon gar nicht mehr zurück. Aber alle nach vorne, das geht. Da reicht der Blick auf den Wochenspruch der neuen Woche. Da heißt es:

„Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“

Aus der Zukunft kommt Gott auf uns zu. Aus der Zukunft, die in der Vergangenheit ihren Ausgang genommen hat. Der neue Ur-Anfang – wir feiern ihn an Ostern. Und seit Ostern.

Der, der uns da vorausgeht auf seinem Weg ins Leben, macht diesen Weg auch für uns frei. Alles zurück auf Ostern! Damit ist wieder ein Weg gebahnt, auf dem wir dahin kommen, wo alles gut ist. Kein neuer Ur-Anfang ist uns zugesagt. Aber ein gutes Ende! Wenn das kein Grund ist, auf bessere Zeiten zu hoffen. Gerade in diesen Tagen. Amen. – Wir singen die fünfte und letzte Strophe.

Die alten Grenzen schwinden.
Der Horizont rückt nah.
Voll Staunen kann ich finden,
was bisher ich nicht sah.
Vom Anfangszauber bleibt,
was Furcht und Angst vertreibt
und stark macht Herz und Sinn.
Geschenk ist, dass ich bin.

Fürbitten

Mitgehender Gott, Wir können nicht hinter das zurück, was vor Augen ist. Aber über das hinaus, was uns den Blick in die Zukunft verstellt.

Diese geschundene Welt – wir legen sie dir ans Herz.

Das Leiden der Opfer in diesem unsäglichen Krieg – und in all den anderen Kriegen.

Den Hunger der vielen, die es nicht einmal in unsere Nachrichten schaffen.

Die vielen Habenichtse und Bedrängten mitten unter uns, denen doch nicht reichen kann, was wir kärglich aus unserer Fülle abgeben.

Die an den Rand Gedrängten und mundtot Gemachten, denen nur wir die Stimme leihen können.

Deine Kirche voller Hoffnung - auch sie legen wir dir ans Herz.

Ein Ort zu Herzen gehender Worte soll sie sein und barmherziger Taten. Einen neuen Anfang möge sie immer wieder ermöglichen - mitten im Alten.

Was das heißt und worauf wir angewiesen sind – das bringen wir vor dich mit den Worten Jesu, der uns einen neuen Weg des Neu-Anfangs ermöglicht:

Vaterunser

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.