Impuls im Abendgottesdienst mit Elementen aus der Taizé-Tradition im Rahmen des Chorfestes 2022 in Sankt Bernhard in Karlsruhe

02.07.2022

Halleluja (Syrien)

Impuls 1
Leben braucht Licht. Licht setzt all die Vorgänge der Natur in Gang, die Leben überhaupt erst möglich machen. Licht ist unersetzlich in der Evolution. Kein Wunder, dass das Licht das Werk des ersten Schöpfungstages ist.

Nicht nur Pflanzen brauchen Licht. Auch wir Menschen. Sonst verkümmern wir. Meine Seele braucht Licht. Nicht nur das Licht, das sich in Wellen und kleinsten Teilchen verbreitet.

Meine Seele braucht nicht nur das physikalische Licht. Sie braucht das Licht des guten Wortes. Sie braucht das Licht neu aufkeimender Hoffnung. Sie braucht das Licht der durchgehaltenen Liebe. Ohne dieses Licht kann ich nicht leben.

Ich bin das Licht der Welt“, sagt Jesus. Nicht um Tag und Nacht zu unterscheiden. Sondern das Nichts vom lohnenden Leben. Das Böse vom Guten. Die Hoffnungslosigkeit von der Aussicht auf Gottes neue Welt.

Ich brauche dieses Licht. Und ich soll für andere Licht sein. Soll anderen diese Worte sagen, die Gott mir ins Herz und auf die Zunge legt. Vom Licht Gottes erleuchtet, werde ich selber zum Licht der Welt. Ihr alle seid Gottes Licht. Und macht diese Erde hell.

Chormusik
Veni lumen cordium (38)

Impuls 2
Vor Glück über sich hinauswachsen – das geht! Das Beispiel des Senfkorns stellt Jesus denen vor Augen, die ihm zuhören. Denen, die zu den kleinen Leuten gehören. Aber was heißt das schon! Aus dem kleinsten Samen wachsen Stängel und ein Gestrüpp, in dem sogar Vögel nisten können.

Mit kleinen Samenkörnern kennen wir uns aus. Mit verlorengegangenen Hoffnungen. Mit Frieden, der in immer weitere Ferne rückt. Mit dem resignativen „Das wird ja doch nichts!“, anstatt mutig auf den zu vertrauen, der gesagt hat: „Wenn euer Glaube auch nur so groß ist wie ein Senfkorn, könntet ihr die Welt aus den Angeln heben!“

Glück ist zu sehen, wie der kleine Anfang ausreicht, um die große Veränderung zu bewirken. Im ganz Persönlichen ist das so: Das eine kleine Wort kann einen schon lange verhärteten Konflikt lösen. Die eine kleine Umarmung bringt Menschen auf Dauer einander näher. Der eine kleine Verzicht auf das letzte Wort macht einen neuen Anfang möglich.

Nein, ich will nicht auf das große Glück setzen. Viel lieber will ich dem kleinen Glück vertrauen. Und ich bin sicher: Gott weiß damit etwas anzufangen.

Chormusik
Besuche das Glück (17)

Impuls 3
Gott hat eine unausrottbare Neigung zu uns Menschen. So sehr, dass Gott darauf verzichtet, einfach nur Gott sein zu wollen. In abgeschiedenen himmlischen Gefilden. Für sich allein. Nein, Gott ist mit seinem Nur-Gott-Sein nicht zufrieden. Gott webt das Mensch-Sein-Wollen in sein Gott-Sein hinein.

In dem einen Menschen lässt Gott sich auf uns ein. Damit wir uns auf ihn einlassen. In dem einen Menschen gibt Gott sein Gott-Sein dran. Damit wir zu wahrem Mensch-Sein zurückfinden. In dem einen Menschen wird Gott zum Greifen nah, ja mehr noch, bekommt Gott Hand und Fuß. Macht Gott unsere Hände und unsere Füße zu seiner Möglichkeit.

Was für ein Wunder! Und was für eine Möglichkeit für mich! Für uns. Gott bleibt nicht unnahbar fern. Gott wird empfindsam – wie wir.  Gott leidet mit uns. Freut sich mit uns. Gott bricht auf. Geht voran. Oder hinterher. Als Feuer und Wolke. Lebt unbehaust. In einem Zelt. Ja, Gott kehrt auch um, zu uns – damit wir zu ihm umkehren.

Ich will mich von Neuem auf die Suche machen. Auf die Suche nach Gott, indem ich mich den Menschen zu wende. Den Schwestern und Brüdern links und rechts von mir. Den nahen und fernen. Und denen, die ihren Ort im Leib Christi gefunden haben ganz weit weg von uns.

Reden will ich und hören. Singen und Tanzen. Beten und Schweigen.

Chormusik
O Herr, mein Gott (19)

Traugott Schächtele
Twitter: @tschaechtele
Zeitgenosse, Pfarrer, Prälat, Ehemann, Vater von 5 erwachsenen Kindern, liest und schreibt gern.